Der Lichtstrahl der Hyperspektralkamera kriecht über das Papyrus-Fragment, auf einem Bildschirm baut sich seine digitale Kopie Zeile um Zeile auf. Was zunächst wie eine simple Vergrößerung wirkt, erscheint nach ein paar Mausklicks in unterschiedlichen Farbspektren – und offenbart vorher nicht sichtbare Strukturen, sagt Geo-Informatiker Dr. Henning Buddenbaum.
Für jedes Pixel, das die Kamera aufnimmt, habe man ein Reflexionsspektrum des Lichts im sichtbaren und infraroten Bereich. "Wir hoffen, dass verblichene Teile, etwa getrocknete oder verblasste Tintenreste, die man nicht mehr erkennen kann, im infraroten Bereich wieder sichtbar werden", so Buddenbaum. Außerdem habe die Kamera einen guten Kontrast, so dass man Unterschiede zwischen Flächen, die eine ähnliche Helligkeit haben, sichtbarer machen könne.
Sonst nutzen die Geo-Informatiker der Uni Trier die Hyperspektralkameras für Umwelt-Fernerkundungen. Dann liefern sie – montiert an Flugzeugen - geologische und biologische Daten von Forschungsflügen, etwa zur Gesundheit von Wäldern.
Doch ihre Technik verspricht auch für die Papyrus-Sammlung der Universität Trier spannende Erkenntnisse. Was Altertumsforschung anbelangt, kommen vergleichbare Kameras eher selten Einsatz und werden bei großen Einrichtungen etwa bei verkohlten Texten genutzt.
Dass es die High-Tech-Kameras aber auch an der kleinen Universität Trier gibt, ist für Patrick Reinard, Junior-Professor am Fachbereich Papyrologie, eine glückliche Fügung: "Bisher war immer die große Hürde, dass es einfach nicht zu finanzieren ist, diese Kameras anzuschaffen, und es ist auch nicht zu finanzieren und auch logistisch absolut nicht möglich, die ganze Papyrus-Sammlung gesichert an einen Ort zu bringen, wo es Spektralkameras schon gab."
Papyrus ist von Menschen im alten Ägypten und im antiken Mittelmeerraum beschrieben worden - als Urkunden, Quittungen, aber auch für Briefe und Literatur. Was auf den Fragmenten in der Trierer Sammlung steht, kann demzufolge ganz unterschiedlich sein, sagt Patrick Reinhard: "Auf jedem kleinen Fragment kann das ganze pralle Leben vorkommen, aber zum Beispiel auch antike Literatur. Ein Fragment in unserer Sammlung hat sich entpuppt als ein Zitat aus dem Kolosser-Brief des Paulus."
Die detaillierten Scans machen es möglich, die Inhalte der Papyrus-Fragmente in Trier besser zu erschließen – und sie aufgrund ihrer Faser-Strukturen einander sicher zuzuordnen. Aber auch über die eigene Sammlung hinaus bedeutet das Projekt einen Quantensprung. Denn Papyrus-Fragmente sind weltweit verstreut. Was andernorts schon digitalisiert ist, kann jetzt auf einmal zusammengeführt werden.
So haben die Forscher etwa festgestellt, dass sich von einem abgerissenen Verwaltungsdokument in Trier die fehlende Hälfte in einer Sammlung in Brüssel befindet. Die papyrologische Puzzlearbeit, digital unterstützt, macht Patrick Reinard viel Spaß.
Nächstes Jahr sollen die 1.000 Objekte in der Trierer Sammlung vollständig eingescannt sein. Zusätzlichen Mehrwert hat das Projekt schon jetzt – eingesetzt in der Lehre - und abgedruckt in Editionspublikationen. Und auch andernorts haben Institute an den Spezialkameras Interesse angemeldet. Kooperationen sind angedacht.