Hauptamt stärkt Ehrenamt - so hieß es immer. Behörden sollen die ehrenamtlichen Ortsbürgermeister unterstützen. In einer SWR-Umfrage zeichnen aber viele ein anderes Bild. Sie sagen, die Zusammenarbeit sei eine Zumutung, man fühle sich als Bittsteller. 135 Bürgermeister von 610, die auf die SWR-Anfrage geantwortet haben, sind darüber frustriert und massiv verärgert.
Elmar Schlöder (parteilos) ist seit neun Jahren Ortsbürgermeister in Köwerich an der Mosel. Köwerich hat knapp 400 Einwohner. Schlöder, der als Ingenieur weltweit tätig ist, hat seine Gemeinde modern aufgestellt- mit einem Leitungsteam und einem Leitbild fürs Dorf. Neben dem Bürgermeister kümmert sich Carina Regnery eigenverantwortlich um Weinfeste, Veranstaltungen und Tourismus, Frank Basten ist für Bauprojekte und Liegenschaften zuständig. Köwerich hat zwar nur 400 Einwohner, beschäftigt aber 14 Menschen- von Kita-Mitarbeiterinnen bis zum Gemeindearbeiter.
Es läuft im Dorf. Genervt ist Schlöder aber von der Zusammenarbeit mit einigen Behörden. "Es fehlt an Wertschätzung. Die Zusammenarbeit ist geprägt von Obrigkeitsdenken und das macht alles andere als Spaß", sagt er.
Ehrenamtliche überfordert Bürgermeister in RLP frustriert – viele wollen aufhören
Eine SWR-Umfrage zeigt: Vielen ehrenamtlichen Bürgermeistern in RLP fehlt die Motivation weiterzumachen – für sie fehlt es an Geld und an Unterstützung anderer politischer Ebenen.
Knappe Haushalte- Bürgermeister fühlen sich als Bittsteller
Die Kassen sind leer, die Gemeinden haben kaum Gestaltungsspielräume. Umso mehr treibt die Bürgermeister um, wie die Behörden mit den Bürgermeistern umgehen. Man fühle sich wie ein Bettler oder Bittsteller, wenn man Geld für die Gemeinde haben möchte. Als Bürgermeister fühle man sich von "oben herab" behandelt. Die Zusammenarbeit sei eine Katastrophe.
Ortsbürgermeister: Von Behörden von "oben herab" behandelt
Auch Elmar Schlöder ist das so gegangen, als er die Kita-Erweiterung in Köwerich planen wollte. Die Zusammenarbeit mit den Sachbearbeitern in der Verbandsgemeinde sei top gewesen. Beim Kreis sei er aber an seine Grenzen gestoßen. "Das ist top-down. Also der Untergebene darf nicht mehr wissen als der drüber und das ist das, was wir manchmal auch zu spüren bekommen." Die Gemeinde hatte in einem Workshop ein Konzept für die Kita entwickelt, das den Kreis erst mal nicht interessierte.
Verbandsgemeinden als Hindernis bei der Umsetzung von Projekten
In Hermeskeil im Hochwald tobt ein Streit um die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Verbandsgemeinde. Die 32-jährige Lena Weber (SPD) ist seit vier Jahren Stadtbürgermeisterin der 8.000-Einwohner-Stadt.
Man wirft ihr vor, die Stadt habe zu wenig Projekte umgesetzt, zu wenig Haushaltsmittel abgerufen. Das empört Weber. In Leserbriefen legt sie dar, dass der Stadtrat Beschlüsse gefasst hätte, die bislang nicht umgesetzt wurden, weil die Verbandsgemeindeverwaltung die nötige Zuarbeit nicht erbracht habe. Dieses Problem sprechen auch andere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in der SWR-Umfrage an.
Woran hakt es bei der Zuarbeit der Behörden?
Viele Bürgermeister sehen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltungen sie durchaus unterstützen wollen. Doch die Akten stapeln sich auf ihren Tischen. Die Strukturen seien veraltet und ineffizient.
Auch Lena Weber, Stadtbürgermeisterin von Hermeskeil, erzählt von Formularen, die erst ausgedruckt und dann wieder eingescannt werden.
Es reiche halt nicht, ein IT-Projekt umzubenennen in Digitalisierung, bringt es der Bürgermeister von Köwerich, Schlöder, auf den Punkt. "Man hat nichts geändert. Wir fahren immer noch mit der Kutsche mit zwei Pferden davor und schnallen jetzt noch zwei weitere Pferde dazu, aber wir steigen nicht aufs Auto um." "Die Digitalisierung endet an der Behördentür". Außerdem gebe es kein Qualitätsmanagement, keine Beschwerdestelle, sagt Schlöder.
Was sich die Ehrenamtler von den Verwaltungen wünschen
Mehr Respekt und zeitnahes Zuarbeiten- das wünschen sich viele Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeister von den Verwaltungen. Im Moment müsse man bei laufenden Projekten ständig nachhaken, sonst passiere nichts, beschreibt der Bürgermeister eines kleinen Eifelortes seine Situation. "Wer am lautesten schreit, bekommt es."
Ortsbürgermeister geben Lösungsvorschläge mit auf den Weg
Die Kassen sind leer und das wird sich absehbar nicht ändern. Deshalb haben sich viele Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeister, die sich an der SWR- Umfrage beteiligt haben, Gedanken gemacht, wie die Dörfer trotzdem lebenswert bleiben können.
Eine Ortsbürgermeisterin aus dem Hunsrück wünscht sich, dass die Verbandsgemeindeverwaltung die Fördermöglichkeiten für die einzelnen Dörfer checkt und dann die Gemeinden mit ins Boot holt. So könne man Synergieeffekte nutzen und Förderszenarien für mehrere Dörfer erarbeiten. Nicht jedes Dorf müsse dann wieder bei Null anfangen.
Auch an der Ausgabenseite der Dörfer schrauben
Aber- ergänzt sie- man dürfe nicht nur die Einnahmenseite betrachten. Man müsse auch als Dorf selbst die Ausgabenseite kritisch prüfen. Braucht jedes Dorf einen Gemeindesaal? Muss jeder Bauhof einen teuren Rasenmäher für die Gemeindearbeiter anschaffen? Hier sieht sie die Verbandsgemeinde in der Pflicht, solche Abstimmungen zwischen den Dörfern zu moderieren.
Warum sich bislang nichts tut
Warum aber tun sich Verwaltungen mit Modernisierungen so schwer? Warum verstehen sie sich nicht als Dienstleister für die ehrenamtlich tätigen Bürgermeister? Elmar Schlöder, Ortsbürgermeister in Köwerich und beruflich in vielen Ländern als Ingenieur unterwegs, meint, das läge daran, dass die Behörden nicht veränderungsbereit seien.
Es fehle der Wettbewerb wie in der privaten Wirtschaft. Das verhindere, dass die Verwaltungen digitalisiert und schlanker würden. "Die Behördenchefs werden dies nicht tun, weil es ein Denken über die Wahlperiode hinaus erfordert und der Weg dorthin unbequem ist (...) Es hat ja keine Konsequenzen, wenn man nichts macht und es lässt sich leicht über Umlagen finanzieren."
Den Schwarzen Peter sieht er dann bei den Ortsgemeinden "Den Letzten beißen die Hunde und das sind die ehrenamtlich geführten Gemeinden, die man am Ende verhungern lässt." Dass Elmar Schlöder nicht vorzeitig hingeworfen hat, liegt wie er sagt, an der außergewöhnlich hohen Wertschätzung der Bürgerinnen und Bürger und deren hohem Engagement. Deshalb habe man im Dorf viel erreicht. Das gebe dem Bürgermeisteramt einen Sinn.
Er selbst hat ein Signal gesetzt. Weil viele im Dorf ganz ohne Aufwandsentschädigung anpacken, spendet der Ortsbürgermeister seine Aufwandsentschädigung jedes Jahr an Hilfsprojekte- inzwischen an die 65.000 Euro.
Schlöder wird im kommenden Jahr bei den Kommunalwahlen nicht mehr antreten. Nicht wegen der Ärgernisse im Bürgermeisteramt. Er glaubt, dass ein Wechsel dem Dorf gut tun und neue Ideen und Schwung bringen wird.