Experte aus Kaiserslautern erklärt Phänomen

Zeitloses Format mit Botschaft: "Star Trek" wird 55

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Autor/in
Anna-Lara Weidinger
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Am Mittwoch hat sich die Erstausstrahlung der allerersten "Star Trek"-Folge zum 55. Mal gejährt: Am 8. September 1966 flimmerte sie in den USA über die Bildschirme. Das Franchise ist nach wie vor beliebt und hat eine große Fangemeinde. Worin liegt der Erfolg? Ein Gespräch mit einem Experten.

Rund 30 Jahre nach Erscheinen der ersten Folge mit dem Titel "The Man Trap" hielt der Elektroingenieur Hubert Zitt die erste "Star Trek"-Weihnachtsvorlesung in Zweibrücken. Gemeinsam mit Markus Groß und Manfred Strauß rief er sie 1996 an der Hochschule Kaiserslautern ins Leben - mit großem Erfolg: Sie finden noch heute einmal jährlich zu Weihnachten statt. In der Vorlesung geht Zitt alljährlich darauf ein, wie realistisch die Geschichten aus der "Star Trek"-Welt aus der heutigen Sicht sind.

Star Trek: Wie aus technischen Visionen Realität wird • Live im Hörsaal | Hubert Zitt

SWR Aktuell hat mit dem Wissenschaftler über das Phänomen "Star Trek" gesprochen - und warum es praktisch zeitlos ist.

SWR Aktuell: "Star Wars" oder "Star Trek" - muss man sich eigentlich wirklich entscheiden? Wieso begeistert Sie vor allem "Star Trek"?

Zitt: Zunächst: Ich mag beides gleichermaßen. Aber "Star Wars" ist eben - wie es ja von Anfang an im Film heißt, "Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis" - ein Märchen. Ein futuristisches, modernes Märchen. Da ich aber Ingenieur bin und mich die Technik mehr interessiert als die Philosophie, ist "Star Trek" mein Favorit, weil hier eine Technik gezeigt wird, die zumindest theoretisch aus technischer Sicht in Zukunft möglich sein könnte. Es waren technische Berater involviert bei der Produktion, und das unterscheidet "Star Trek" von den meisten SciFi-Serien: Die wissenschaftlich korrekte Darstellung.

SWR Aktuell: Die Vorlesung ist, seit sie 1996 das erste Mal gehalten wurde, immer bekannter geworden. Die Veranstaltungen waren von Anfang an außergewönhlich gut besucht. Wann haben Sie gemerkt, dass sie ein breiteres Publikum interessieren könnte?

Zitt: Das Jahr war 2005, und zwar deshalb, weil 2005 das Einstein-Jahr war - 100 Jahre Einstein und Spezielle Relativitätstheorie, da war "Star Trek" angesagt. Es kam aber auch hinzu, dass sich gerade in den ersten Jahren dieses Jahrtausends, also 2003, 2004, die Studierenden eingebracht und Webseiten erstellt haben. So hat sich das über das Internet verbreitet. Ab 2005 wurde ich dann auch extern angefragt. Es ging mal nach Flensburg oder nach Bonn, dann kamen die SciFi-Conventions hinzu und es wurde immer mehr.

SWR Aktuell: Wie viele Vorträge haben Sie in all den Jahren schon über "Star Trek" gehalten? Welche machen Ihnen besonders Spaß?

Zitt: Es sind bisher 397 Vorträge, die ich gehalten habe. Es gibt ein paar Highlights: Ganz klar sind das die Vorträge auf einer Convention, wie z.B. der FedCon, der größten SciFi-Convention in Europa, wegen der Fans, das macht natürlich viel aus. Denn die erleben das ja ähnlich wie ich. Einen Vortrag dort zu halten, da sind dann auch schon mal 2.500 - 3.000 Leute im Publikum, hat natürlich ein ganz anderes Flair, als wenn ich jetzt irgendwo einen Impuls-Vortrag halte auf einer Firmenfachtagung. Ein Highlight war auch, dass ich einmal in Amerika an einer Universität ein ganzes Semester über "Star Trek" referieren durfte.

Wenn Science Fiction zur Realität wird

SWR Aktuell: Welche Konzepte aus den Serien könnten noch Realität werden?

Zitt: Wir fangen mal mit denen an, die schon Realität sind - und das sind schon viele! Angefangen von Türen, die sich selbstständig öffnen und schließen, über den Kommunikator bis hin zu Touchscreens und Flachbildschirmen - das wurde alles schon vorher bei "Star Trek" gezeigt. Interessanter sind die Dinge, bei denen wir gerade erleben, dass sie Realität werden: Erstens das Reden mit Computern, also Sprachassistenten wie Alexa oder Siri. Es ist noch nicht so, wie es bei Star Trek gezeigt wird, aber es wird immer besser. Das zweite ist etwa der Universalübersetzer*, diese Technologie wurde bei Star Trek schon in den 60er Jahren gezeigt, und sie wird jetzt Realität. Dinge wie das Holodeck, das Beamen, der Warp-Antrieb - die sind allerdings noch nicht abzusehen.

* Anmerkung der Redaktion: Der Universalübersetzer oder Universaltranslator aus "Star Trek" enthält Matrizen bekannter Sprachen und wandelt diese - simultan - in die Sprache des Benutzers um. So können beide Gesprächspartner trotz verschiedener Heimatsprachen miteinander kommunizieren.

SWR Aktuell: Und werden Raumschiffe jemals mit Warp-Geschwindigkeit, also Überlichtgeschwindigkeit, weit entfernte Galaxien erkunden?

Zitt: Es gibt zumindest Konzepte. Das ganze physikalische Konstrukt von "Star Trek" ist so angelegt, dass man eigentlich nur Dinge zeigen wollte, von denen man sagen konnte, dass sie theoretisch in der Zukunft möglich sein könnten. Es widerspricht nicht der Relativitätstheorie, dass man irgendwann vielleicht mit Warp fliegen könnte - wenn man von Tricks ausgeht und davon, eben jetzt nicht im Raum schneller zu fliegen als das Licht, sondern den Raum stattdessen zu manipulieren. Aber das wird jetzt sehr technisch, und das Problem wird ohnehin sein, dass wir in den nächsten Jahren wahrscheinlich niemals so viel Energie zur Verfügung stellen könnten, um mit Warp-Geschwindigkeit zu fliegen. Ich versuche in meinen Vorträgen zwar Hoffnung zu geben, denn es ist von der Natur nicht verboten. Aber ich sehe keine realistische Chance, das in den nächsten hunderten von Jahren irgendwie umzusetzen.

Ein zeitloses Phänomen mit treuer Fangemeinde

SWR Aktuell: Was fasziniert Generationen von Zuschauern an "Stark Trek"? Netflix und Amazon Prime legen aktuell mit Staffeln der relativ jungen Serien "Star Trek: Discovery" und "Picard" immer weitert nach. Wieso ist "Star Trek" so langlebig und erfolgreich?

Zitt: "Star Trek" zeigt uns eine Möglichkeit unserer eigenen Zukunft. Ziehen wir noch einmal den Vergleich zu "Star Wars": "Star Wars" spielt in einer anderen Galaxis. Aber "Star Trek" - das sind ja "wir". Das ist kein Narrativ, das sich jemand ausgedacht hat, sondern das ist eine Möglichkeit unserer eigenen Zukunft. Und diese Zukunft wird so dargestellt, dass sie positiv ist, dass man sich darauf freuen kann, dass man tolle technische Möglichkeiten hat. Und dass sich vor allem die Menschheit weiterentwickelt hat - nicht nur technologisch. Diese positive Darstellung einer Zukunft, auf die wir uns freuen können, ist, glaube ich, der Hauptgrund, warum "Star Trek" so erfolgreich war und immer noch ist.

Es kommt noch hinzu, dass die Themen, die angesprochen werden, sich meist auf uns Menschen beziehen. Es wird immer so dargestellt, als wäre das irgendwo auf einem anderen Planeten, aber im Grunde genommen ist es eine Kritik an der Menschheit. Und das verstehen die Leute, die Zuschauer: "Jetzt reden wir über Rassismus oder Kapitalismus." Und auch die ganzen diplomatischen und philosophischen Inhalte machen das ganze wertvoll.

SWR Aktuell: Was können wir von "Star Trek" lernen?

Zitt: Aspekte wie der Klimawandel werden schon angesprochen - aber das gibt es in Zukunft bei "Star Trek" nicht mehr, weil die Menschheit dann vernünftig genug ist. Im Vordergrund stehen dann doch eher die soziologischen Aspekte, die jeweils aktuell waren in den USA: Rassismus, die Gleichstellung der Frau, Homosexualität. Das sind Themen, die immer wieder angesprochen werden. Ein aktuelleres Thema, dass die neueste Serie Picard (Amazon Prime) behandelt, ist hingegen das der Künstlichen Intelligenz: Könnte KI irgendwann einmal zum Problem werden? Die Macher passen sich also an und reden über aktuelle Probleme.

SWR Aktuell: Ihre Botschaft an alle, die "Star Trek" noch nie gesehen haben - wieso sollten sie gerade jetzt damit beginnen?

Zitt: Wenn man es bewusst schaut, und wenn man das auch reflektiert, was da behandelt wird, dann kann man viel über sich selbst und die Welt nachdenken: Wie werden dort Probleme diskutiert und gelöst? Das ist eben ein bisschen anders, als das, was viele Politiker auf der Erde im Moment tun. Es gibt aktuelle Situationen, die sehr unschön sind, und da würde man vielleicht mit mehr Diplomatie und Verständnis auf beiden Seiten ein bisschen weiterkommen.

SWR Aktuell: Zum Schluss die Frage, wenn Sie sich festlegen müssen: Wer ist Ihre Lieblingsfigur aus 55 Jahren Star Trek?

Zitt: Ich habe 1972 "Star Trek" als kleiner Junge geschaut, als es in Deutschland anlief. Am meisten hat mich damals Mr. Spock fasziniert. Der war absolut mein Typ: Rational, logisch, er konnte alles, wusste alles ... Ich war schon in meiner Kindheit technikaffin und habe mich für Elektrotechnik sehr früh interessiert - und da gab es diese Technik das erste Mal in dieser Form im Fernsehen zu sehen. Ich glaube, dass mich Mr. Spock am meisten geprägt hat, auch wenn ich natürlich den Cowboy, Captain Kirk, und später auch Captain Picard mit seinen diplomatischen Lösungen mochte. Aber Spock steht an erster Stelle.

Dr. Hubert Zitt doziert Informatik an der Hochschule Kaiserslautern am Standort Zweibrücken und ist Gastprofessor an der "University of the Incarnate Word" in San Antonio, Texas, USA. Dort unterrichtete der Ingenieur "The Physics of Star Trek" als reguläres Lehrfach. Er genießt internationalen Ruf und wurde 2007 mit dem Lehrpreis des Landes Rheinland-Pfalz in Ingenieurwissenschaften ausgezeichnet.

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