Betriebsgesellschaften der Landesstiftung insolvent

Ermittlungen gegen Tochterunternehmen der Villa Musica

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Autor/in
Frank Helbert

Die Stiftung Villa Musica hat Probleme. Zwei ihrer Betriebsgesellschaften - von Schloss Engers und vom Hambacher Schloss - mussten Insolvenz anmelden. Auch die Staatsanwaltschaft hat sich eingeschaltet.

Schloss Engers in Neuwied - das spätbarocke Jagd- und Lustschloss - gilt als Symbol für die Förderung der Musik-Elite aus Rheinland-Pfalz. Regelmäßig gibt es hier hochrangige Konzerte, die von der Landesstiftung Villa Musica präsentiert werden.

Der Hotelbetrieb und die Gastronomie lagen in den Händen einer Betriebsgesellschaft. Deren überraschende Insolvenz ist ein Politikum, zumal auch die Betriebsgesellschaft des Hambacher Schlosses als Tochtergesellschaft damit insolvent wurde.

Dem früheren Geschäftsführer Arno Gattschau wurde gekündigt. Hinter den Kulissen gibt es schon lange Streit. Zwischen einerseits Gattschau zusammen mit dem früheren Betriebsratsvorsitzenden Jürgen Bender und andererseits Professor Alexander Hülshoff, der ursprünglich nur künstlerischer Leiter war, dann Direktor wurde und in die Geschäftsführung eingegriffen habe.

Gattschau erhält Kündigung

Eskaliert sei die Situation vor rund zwei Jahren: Die Beschäftigten wollten einen Betriebsrat gründen, doch eine von Hülshoff ins Haus geholte Beraterfirma, die SSC Investments aus Bonn, legte ihnen Steine in den Weg, erzählen Bender und Gattschau.

Hülshoff und Gattschau gerieten auch über andere Themen aneinander - schließlich sei ihm gekündigt worden, erzählt Gattschau. Gegen die Kündigung hat er geklagt. Er sieht sich im Recht, denn der Stiftungsvorstand habe an seiner Arbeit nichts auszusetzen gehabt. Er sei jedes Jahr entlastet worden, betont Gattschau, "nachdem Wirtschaftsprüfer, Finanzamt, Prüfer und Sozialversicherungsprüfer alles geprüft hatten".

Kritik an Beraterfirma SSC

Zehn Jahre ohne Beanstandung habe er gearbeitet - und eineinhalb Jahre nach seiner Kündigung ist die Gesellschaft insolvent - wie konnte das passieren? Für Gattschau liegt es an der Beraterfirma, die hohe Summen bekommen habe für heute noch ungeklärte Arbeit.

Ihm sei eine Tabelle zugegangen mit den Überweisungen an die Beraterfirma. Danach seien am 1. März 2021 an die SSC 34.000 Euro überwiesen worden. "Diese Liste zieht sich durch bis zum 30.5.22 und summiert sich am Ende auf 514.000 Euro Auszahlungen an die SSC."

Arno Gattschau kritisiert "horrende Summen" an Beraterfirma
Arno Gattschau kritisiert "horrende Summen" an Beraterfirma

Mehr als eine halbe Million in eineinhalb Jahren. Wie konnte es dazu kommen, dass eine Beraterfirma so hohe Summen bekam und wofür? Die Firma teilt auf SWR-Anfrage mit, dass sie keine Auskünfte geben könne, weil sie der Verschwiegenheitspflicht unterliege. Auch Hülshoff will dazu nichts sagen.

CDU stellt Fragen

Warum diese Beraterfirma engagiert wurde und für welche Arbeit sie genau wie honoriert wurde - diese Fragen stellte die CDU-Landtagsabgeordnete Ellen Demuth schon vor Monaten in einigen Kleinen Anfragen im Landtag. Die Antworten empfindet sie als unbefriedigend.

"Nach wie vor frage ich mich, warum die SSC Beratungs-GmbH beauftragt wurde. Denn sie hat meiner Kenntnis nach keinen touristischen Sachverstand und in der Beratung einer touristischen Vermarktung, eines Hotels oder eines Betriebs meiner Meinung nach nicht ausreichende Expertise." Dennoch sei sehr viel Geld an diese Beratungsfirma geflossen, betont Demuth. "Ich würde sehr gerne wissen, welche Kenntnis die Landesregierung darüber hatte, und warum man nicht früher reagiert hat."

Keine Auskunft zur Leistung der SSC

Die Landesregierung müsste eigentlich gut informiert sein, denn der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Villa Musica ist Kulturstaatssekretär Jürgen Hardeck. Da dieser erkrankt ist, fragen wir Kulturministerin Katharina Binz (Grüne), für welche Leistung die SSC wie viel Geld bekommen hat. Das seien Auskünfte, "die in einem Vertragsverhältnis mit SSC unterliegen und die ich ihnen so in der Öffentlichkeit nicht sagen kann", erklärt Binz.

Auf die Frage, ob das Land nicht stärker hätte kontrollieren müssen, was Hülshoff in seiner Zeit als Geschäftsführer und Direktor gemacht hat, antwortet das Ministerium: "Grundsätzlich hat der GmbH-Geschäftsführer selbst das Unternehmen ordnungsgemäß zu organisieren und zu führen." Informiert worden über die Beraterfirma sei das Land nachträglich und Expertisen dieser Art einzuholen sei allein Entscheidung des GmbH-Geschäftsführers gewesen - also von Professor Hülshoff.

Mit einer Veränderung der Stiftungssatzung war Hülshoff sowohl Geschäftsführer als auch Direktor, der die Geschäftsführung hätte kontrollieren sollen. Das hat dazu geführt, dass es keine effektive Kontrolle der Geschäftsführung mehr gab.

Gattschau: Hülshoff kontrolliert sich selbst

"Er hat die Macht beider Geschäftsfelder - Schloss Engers Betriebs-GmbH und Hambacher Schloss Betriebs GmbH - übernommen", sagt der gekündigte Geschäftsführer Gattschau. "Das heißt, er konnte sich selber überwachen, in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer und auch selber beraten."

Hülshoff selbst erklärt dazu: "Verstöße gegen verbindliche Regeln … sind mir nicht bekannt."

Das Ministerium hat die Situation offenbar korrigiert. Man habe gesehen, "das ist nicht das Modell, das wir für erfolgsversprechend für die Villa Musica sehen", sagt Binz. Deshalb "haben wir wieder einen anderen Weg gewählt, sind wieder zurückgegangen“. Hülshoff sei jetzt künstlerischer Leiter.

Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt

Grundsätzlich ermittelt bei jeder Betriebsinsolvenz die Staatsanwaltschaft - in diesem Fall ist es die in Koblenz. Auf unsere Nachfrage, ob außer der routinemäßigen Ermittlung noch eine weitere läuft, erklärt die Pressesprecherin, sie könne bestätigen, dass "ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren anhängig ist, die Staatsanwaltschaft Koblenz also das Vorliegen konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten bejaht hat".

Um welche Vorwürfe es geht, erfahren wir nicht. Wir wissen aber nun, dass die Justiz tatsächliche Anhaltspunkte dafür hat, dass hinter den Insolvenzen der Betriebs-GmbHs vom Hambacher Schloss und von Schloss Engers auch kriminelle Energie gesteckt haben könnte.

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Frank Helbert