Bianca Bartels ist Lehrerin für Französisch und Chemie, sie hat im Juli ihr Referendariat abgeschlossen. Zum neuen Schuljahr wird sie verbeamtet, hat eine Stelle sicher. Aber: dazwischen ist sie sechs Wochen arbeitslos und ohne Einkommen. Die Kosten laufen aber weiter.
"Die letzten Wochen habe ich damit verbracht zu beantragen, ob ich jetzt Arbeitslosengeld bekomme oder Bürgergeld bekomme. Man stellt sich die Sommerferien als angehende Lehrerin irgendwie anders vor", sagt Bianca Bartels.
Anspruch auf Arbeitslosengeld haben die angehenden Lehrerinnen und Lehrer prinzipiell nicht - im Vorbereitungsdienst, wie das Referendariat auch heißt, sind sie Beamte auf Widerruf und zahlen keine Beiträge in die Sozialversicherungen. Also bleibt der Antrag auf Bürgergeld.
Man wisse zwar, was auf einen zukommt, so Bianca Bartels. Aber: "Man macht sich schon seine Gedanken. Was passiert mit der Krankenversicherung, was passiert mit dem Gehalt, das plötzlich nicht mehr da ist." Viele wüssten nicht, wie sie in den sechs Wochen auskommen sollen, hätten auch keine Rücklagen, über die sie verfügen können.
Fertig ausgebildete Referendare stehen seit Juli ohne Gehalt da
Wie ihr geht es vielen angehenden Lehrerinnen und Lehrern in Rheinland-Pfalz. Rund 2.000 Referendarinnen und Referendare sind derzeit im Vorbereitungsdienst, knapp 600 von ihnen haben Anfang Juli ihre Ausbildung abgeschlossen. Sie werden in die Arbeitslosigkeit geschickt, ihre Verträge sind ausgelaufen. Eine Neueinstellung erfolgt erst wieder zum 1. Schultag, das ist in Rheinland-Pfalz der 26. August. In der Zwischenzeit gibt es keine Bezahlung.
Kritik der GEW an der "Sommerarbeitslosigkeit"
Für Christiane Herz, Landesvorsitzende der GEW Rheinland-Pfalz, ist diese Praxis ein Unding. "Wir würden uns wünschen, dass die jungen Lehrkräfte, die ihre Ausbildung gut absolviert haben, dann auch nahtlos in ein Beschäftigungsverhältnis übergehen könnten." Die jungen Leute würden die Sommerferien ja auch gern nutzen, um sich vorzubereiten und mit neuen Kollegen auszutauschen. Das sei alles nicht möglich, weil sie ja noch keine neuen Verträge hätten.
Ministerium: "Sparsamer Umgang mit Steuergeldern"
Das rheinland-pfälzische Bildungsministerium reagiert schriftlich auf Anfragen des SWR. Dort heißt es: "Natürlich können wir nachvollziehen, dass die Referendarinnen und Referendare nicht glücklich darüber sind, in der Übergangszeit wenige Wochen nicht durchbezahlt zu werden." Das Ministerium argumentiert, es sei ja auch in anderen Branchen üblich, Arbeitsverträge erst zu schließen, wenn die Arbeitsleistung - in diesem Fall der Unterricht - auch tatsächlich erbracht werde. Zudem sei sparsamer Umgang mit Steuergeldern geboten.
Die Überbrückung einer Periode zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Beginn einer beruflichen Tätigkeit sei innerhalb wie außerhalb des öffentlichen Dienstes keineswegs ungewöhnlich, so das Bildungsministerium.
Bayern und Sachsen zahlen, BW und Hessen nicht
Das sehen allerdings nicht alle Bundesländer so. In Bayern beispielsweise werden Lehramtsanwärterinnen und -anwärter weiterbezahlt. Dort dauert das Referendariat 24 Monate, die Sommerferien sind in die Ausbildungszeit integriert und werden bezahlt. Das gilt auch für Sachsen.
In den rheinland-pfälzischen Nachbarländern Baden-Württemberg und Hessen wiederum gilt die gleiche Praxis wie hierzulande. Auch dort sorgt das immer wieder für Diskussionen und Proteste. In Baden-Württemberg werden nach Angaben des Landesverbands der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) rund 4.000 angehende Lehrkräfte in die Sommerarbeitslosigkeit entlassen. Damit ist Baden-Württemberg bundesweiter Spitzenreiter.
Wochenlang unbezahlte Unterrichtsvorbereitung GEW-Protest gegen Sommerferien-Arbeitslosigkeit von Referendaren
Lehrkräfte im Referendariat sind in den Sommerferien arbeitslos. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert von der Landesregierung, den Lehrernachwuchs durchgehend zu bezahlen.
In Hessen argumentiert das zuständige Ministerium ähnlich wie in Rheinland-Pfalz: "Kein Unternehmen stellt Personen vorab ein, deren Arbeit erst später benötigt wird", so die Auskunft. Zudem sei die Unterbrechung angesichts einer folgenden unbefristeten Einstellung und der lebenslangen Versorgung durch das Land zumutbar. An eine Änderung dieser Regelung sei nicht gedacht.
Diese Argumente lässt die GEW Rheinland-Pfalz so nicht gelten. Denn auch bei Vertretungslehrkräften sei oft nicht klar, ob sie nach den Ferien weiterbeschäftigt würden. Dennoch werde in diesen Fällen weiter bezahlt. Allerdings gilt das erst seit 2019.
Verbeamtung in RLP die Regel
Die unterschiedlichen Regelungen könnten zur Folge haben, dass Anwärter in ein anderes Bundesland wechseln, wo sie früher wieder Geld bekommen. Die Gefahr sieht das rheinland-pfälzische Bildungsministerium offenbar nicht. Hier sei die Verbeamtung der Regelfall, so eine Sprecherin. Man arbeite mit Vorabzusagen, so dass Referendarinnen und Referendare frühzeitig die Sicherheit hätten, schnell übernommen zu werden. Das Ministerium verweist außerdem auf den Saldo des Ländertauschverfahrens. Das zeige, dass mehr Lehrkräfte nach Rheinland-Pfalz versetzt werden als aus dem Land weg.
Zeitpunkt der Ferien unterschiedlich
Die Dauer der "Sommerarbeitslosigkeit" ist laut Ministeirum auch davon abhängig, wie die Ferienzeitpunkte liegen. Aufgrund der Rotation unter den Bundesländern variiert das von Jahr zu Jahr. Beginnen die Sommerferien beispielsweise früh im Juni, endet der Vorbereitungsdienst auch mal in den Sommerferien und das Problem stellt sich für die Referendare gar nicht. In diesem Jahr ist der Zeitraum relativ lang, da die Schule erst wieder Ende August beginnt. In den beiden kommenden Jahren wird der Schulstart - und damit der Einstellungstermin für die Junglehrerinnen und -lehrer wieder früher im August liegen.
Von all den Rechenspielen hat Bianca Bartels jetzt nichts mehr. Sie wird in ein paar Tagen Beamtin sein und vor ihrer Klasse stehen. Von der Politik wünscht sie sich aber mehr Wertschätzung für die angehenden Lehrkräfte.