Seit Wochen verzeichnet Rheinland-Pfalz steigende Inzidenzen im ganzen Land, auch bundesweit infizieren sich wieder mehr Menschen mit dem Coronavirus. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht von einer "Sommerwelle". Grund dafür ist der besonders ansteckende Omikron-Subtyp BA.5, schätzen Experten. Zudem sind viele Corona-Maßnahmen im Frühjahr weggefallen.
Kritische Infrastruktur in Rheinland-Pfalz
Erste Wissenschaftler warnen bereits vor einem hohen Krankenstand und Belastungen für die sogenannte kritische Infrastruktur. Dazu zählen etwa Polizei, Feuerwehr, Kliniken sowie Energie- und Wasserversorger. Ein Blick in verschiedene Bereiche in Rheinland-Pfalz zeigt: Die Lage ist angespannt - aber nicht überall.
Personalengpässe machen Kliniken in RLP zu schaffen
Besonders betroffen ist das Gesundheitssystem in Rheinland-Pfalz. Aufgrund vermehrter Corona-Infektionen haben die Krankenhäuser mit steigenden Personalausfällen zu kämpfen. So sind zum Beispiel im DRK Krankenhaus in Alzey zehn Prozent der Belegschaft nicht einsatzfähig. Mehr als 40 Pflegekräfte und Pflegeschüler fielen aus, berichtet der kaufmännische Direktor Michael Nordhoff. Im Marienhaus Klinikum in Mainz sei die Situation in der Notaufnahme angespannt, weil Ärzte erkrankt seien, so der zuständige Chefarzt, Torsten Schmitt. Auch in anderen Krankenhäusern im Land fallen vermehrt Mitarbeitende aufgrund von Corona-Infektionen aus.
Das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium bestätigt gegenüber dem SWR steigende Personalausfälle in den Kliniken. Es gebe auch Corona-Ausbrüche in einzelnen Krankenhäusern. "Die Lage ist zum Teil schwierig, derzeit aber insgesamt beherrschbar", lautet die Einschätzung. Grundsätzlich sei die Versorgung aller Patientinnen und Patienten aber gesichert.
Auswirkungen der angespannten Personal-Lage zeigen sich dennoch: Laut Gesundheitsministerium müssen Abteilungen in einigen rheinland-pfälzischen Krankenhäusern abgemeldet werden. In der Regel könnte das durch umliegende Krankenhäuser kompensiert werden. In einzelnen Häusern müssten planbare Operationen - aufgrund von Corona-Ausbrüchen - verschoben werden, so zum Beispiel in Alzey. Das sei aber nicht flächendeckend festzustellen.
Hohe Belastung: Ausfälle werden im Team aufgefangen
Aber: Die Belastung für das Personal steigt in der Corona-Sommerwelle. Denn für erkrankte Kolleginnen und Kollegen müssten oft andere Mitarbeitende einspringen, die eigentlich frei hätten - heißt es etwa aus Alzey oder Worms. Auch der rheinland-pfälzische Landesverband des Roten Kreuzes berichtet, dass die Kollegen untereinander "durch verstärktes Engagement, Übernahme von Diensten und Ähnliches" Personalausfälle zu kompensieren versuchten. Patientinnen und Patienten könnten versorgt werden. Im Bereich der Pflege sei das Gesundheitssystem aber "am Limit".
Eine Entwicklung, die die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz mit Sorge beobachtet. "Einspringen führt auch dazu, dass der dringend benötigte Ausgleich, aber auch für uns alle wichtige soziale Kontakte nicht mehr ausreichend wahrgenommen werden können", sagt Präsident Dr. Markus Mai dem SWR. Bereits vor der Pandemie seien die Rahmenbedingungen für Pflegende besorgniserregend gewesen - und würden durch die Belastungen der Pandemie nun noch weiter verschärft. "Wir können auf weiten Strecken eine Gefährdung der Versorgungssicherheit beobachten", bewertet Mai die aktuelle Situation.
Große Sorge vor Corona-Situation im Herbst
Viele blicken mit Sorge in den kommenden Herbst und Winter: "Wir befürchten, dass sich die Corona-bedingten Personalengpässe in Richtung Herbst/Winter weiter verschärfen werden, weil vermutlich auch die Inzidenzen im allgemeinen steigen werden", heißt es etwa von der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz. Markus Mai von der Landespflegekammer kritisiert zudem, dass die Politik für den Herbst bislang nicht ausreichend vorgesorgt hat.
Die Bundesregierung wird nach Angaben von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vermutlich noch im Juli ein Konzept zur Vorbereitung auf den Corona-Herbst vorlegen. Verschiedene Bundesländer - auch Rheinland-Pfalz - hatten die Bundesregierung gedrängt, Voraussetzung für schärfere Corona-Schutzmaßnahmen zu schaffen.
Rettungsdienste können aufrechterhalten werden
Die angespannte Situation in den Krankenhäusern und anderen Bereichen des rheinland-pfälzischen Gesundheitssystems wirkt sich auch auf den Rettungsdienst im Land aus. "Dies kann beispielsweise bei einem möglichen Aufnahmestopp zu längeren Transportstrecken und -zeiten im Rettungsdienst führen, was diesen zusätzlich belastet", schreibt das Innenministerium auf SWR-Anfrage.
Derzeit seien sechs Prozent der Rettungsdienste von Corona-Erkrankungen betroffen. Die Zahlen werden laut Ministerium aktuell wöchentlich über eine Online-Plattform erhoben. Seit Anfang Juni sei wieder ein leichter Anstieg der Infektionsrate festzustellen.
Auch im Rettungsdienst werden Ausfälle derzeit im Team aufgefangen. Der Rettungsdienst und die Notfallrettung könnten so bis heute aufrechterhalten werden, erklärt eine Sprecherin des DRK-Landesverbands. Es fehle aber insgesamt Personal. Sollte es größere Corona-Ausbrüche im Bereich der Rettungsdienste geben, stehen laut Innenministerium bereits für die erste Corona-Welle ausgearbeitete Maßnahmen zur Verfügung. So könne etwa in festgelegten Teams gearbeitet werden, die sich untereinander gar nicht begegnen würden.
Lage bei der Polizei in RLP entspannt
Ähnlich vorbereitet ist auch die Polizei in Rheinland-Pfalz. Hier ist die Lage in der Corona-Sommerwelle aber aktuell entspannt. Laut Innenministerium gab es hier in der Pandemie "durch das konsequente Tragen der Maske und durch das verantwortungsbewusste Handeln der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" bislang keine größeren Personalausfälle durch Corona-Infektionen. Die Ausfallquote liege derzeit deutlich unter 10 Prozent (Stand: 30.6.2022). Die Polizei sei somit voll funktionsfähig.
Das bestätigt auch Patrick Müller vom Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft. Die Tendenz der Krankheitsfälle sei zwar leicht steigend, die Zahlen aber insgesamt "absolut im grünen Bereich". Punktuell gebe es Personalausfälle. Um diese aufzufangen, mussten beispielsweise Dienste in der Polizeidirektion Bad Kreuznach zeitweise umgestellt und Schichten von 8 auf 12 Stunden verlängert werden. Aber: "Es ist kein flächendeckendes Problem", so Müller.
Die rheinland-pfälzische Polizei arbeitet mit einem Warnstufen-System. "Landesweit waren wir in der Pandemie noch nie bei Warnstufe 2", sagt Müller. Das entspräche einer Ausfallquote von 20 Prozent. Aber auch für einen solchen Fall ist die Polizei gerüstet. Für größere Corona-Ausbrüche gebe es etwa eine strikte Trennung verschiedener Gruppen und Teams oder Homeoffice-Regelungen, um die Handlungsfähigkeit der Polizei zu sichern. Auch die Bereitschaftspolizei kann zur Unterstützung herangezogen werden.
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Feuerwehr in RLP einsatzbereit
Auch die Feuerwehr in Rheinland-Pfalz ist vollständig einsatzbereit. Das Innenministerium sieht nach wie vor keine drohende Gefährdung durch die aktuell steigenden Corona-Neuinfektionen.
"Man kann einigermaßen beruhigt sein, weil im Moment durch unsere bisherige Erfahrung keine großen Ausfälle drohen", sagt auch Frank Hachemer, Präsident des Landesfeuerwehrverbandes. Es gebe immer mal wieder Corona-Fälle, diese Wellen ebbten aber auch schnell wieder ab. Die Feuerwehr sei nach wie vor sehr zurückhaltend und diszipliniert - und habe viele Maßnahmen aufrechterhalten - wie Testungen oder das Tragen von Masken in den Fahrzeugen. Einzelne Personalausfälle könnten durch Vertretungen gut ausgeglichen werden.
Auch der Vorsitzende des Landesverbandes der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft, Peter Welling, lobt das große Verantwortungsbewusstsein unter den Feuerwehrleuten. Die Kolleginnen und Kollegen seien dazu angehalten, sich auch in ihrer Freizeit zurückzunehmen, eine freiwillige Maßnahme zwar, aber das klappe sehr gut. "Wir übertreiben es nicht, über allem schwebt die Verantwortung."
Vereinzelte Fahrtausfälle im Nahverkehr
Im Nahverkehr in Rheinland-Pfalz fallen wegen Corona und teilweise allgemein erhöhtem Krankenstand derzeit vereinzelt Fahrten von Bussen und Bahnen aus. Das melden zum Beispiel die Stadtwerke Trier oder die Deutsche Bahn auf Anfrage. "Aus diesem Grund gibt es einzelne, weniger gefragte Verbindungen bis Mitte Juli nicht", heißt es etwa aus Trier. Auch ein Problem: fehlende Fachkräfte. Wegen eines bundesweiten Fahrermangels sei es schwierig, Personalengpässe abzufangen. Und auch die Bahn muss ihr Zug-Angebot punktuell einschränken oder Ersatzverkehr mit Bussen organisieren, weil Fahrpersonal krankheitsbedingt ausfällt.
Doch das ist nicht überall so. In Koblenz und Kaiserslautern etwa kommt es aktuell nicht zu Fahrtausfällen. In Kaiserslautern sei die Personalsituation im Fahrdienst aber angespannt, schreiben die für den Verkehrsbetrieb verantwortlichen Stadtwerke. "Bisher ist es uns gelungen, den Personalmangel mit Überstunden, Teilzeitbeschäftigten und Innendienstmitarbeitern aufzufangen. Wir sind damit allerdings derzeit an den Kapazitätsgrenzen", so die Einschätzung.
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Energie- und Wasserversorgung ist weiter gesichert
Die Versorgung mit Wasser und Energie ist in Rheinland-Pfalz gesichert, es sind keine Einschränkungen zu erwarten, versichert Horst Meierhofer, Geschäftsführer des Landesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft Hessen/Rheinland-Pfalz. Es gebe zwar wieder etwas mehr Corona-Erkrankungen und einzelne Ausfälle: "Je kleiner der Wasserversorger, desto schneller kann der an seine Grenzen stoßen." Aber: "Bislang geht das alles gut".
Einen Grund dafür sieht Meierhofer in der verkürzten Quarantänezeit und den oftmals weniger schweren Krankheitsverläufen, sodass Mitarbeitende schneller wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren könnten. Außerdem gingen die Unternehmen auch weiterhin sehr sensibel mit der Lage um, achteten auf Abstand oder das Tragen einer Maske. In bestimmten Leitwarten arbeiteten feste Teams zusammen, die sich untereinander gar nicht begegnen würden.
Notfallpläne schon vor der Pandemie
Auch für Unternehmen in der Wasser- und Energieversorgung liegen Notfallpläne für den Ernstfall bereit - auch unabhängig von der Corona-Pandemie.
Im schlimmsten Fall könne man beispielsweise positiv getestete Mitarbeitende in wichtigen Leitwarten einzeln einsetzen, wenn es der Gesundheitszustand der Person zulasse. Gesunde Mitarbeitende könnten vorübergehend in Leitwarten kaserniert werden - also dort übernachten - "damit solche entscheidenden Schnittstellen immer einsatzbereit bleiben." Diese Pläne seien auch schon durchgespielt worden, aber in der Corona-Pandemie bislang noch nicht eingesetzt werden müssen.