Wer sich unter einer Zeitkapsel ein glamouröses Objekt mit einer ganz besonderen, vielleicht gar magischen Aura vorgestellt hat, der wird bei der feierlichen Öffnung in Mainz-Finthen enttäuscht. Was die Mainzer Baudezernentin Marianne Grosse da aus dem Grundstein fischt, hat einen eher rudimentären Charme: Es handelt sich um ein Stück Abflussrohr mit Plastikdeckel.
Grundstein bei Abriss der Grundschule in Mainz-Finthen entdeckt
"Ehrlich gesagt hatte ich eine Edelstahlkapsel erwartet", sagt Ingo Schlösser vom Heimat- und Geschichtsverein Finthen und lacht. "Dass es so profan ist, hätte ich nicht gedacht." Schlösser war derjenige, der den Hinweis gab, dass da etwas Interessantes sein könnte im Grundstein der Peter-Härtling-Schule: Eine Zeitkapsel, die vor fast 60 Jahren beim Bau der Grundschule eingelassen worden war.
Das in die Jahre gekommene Schulgebäude wird derzeit abgerissen, die Grundschule soll am selben Standort neu gebaut werden. Bei dem Abriss war dann auch der Grundstein entdeckt worden.
Inhalt der Zeitkapsel steckt fest
Die Zeitkapsel zu öffnen, ist nun der Job von Baudezernentin Grosse (SPD). Zumindest der Deckel ist schnell vom Rohr gelöst. Zum Vorschein kommt der Hals einer Weinflasche, drum herum ist eine gerollte Zeitung zu erkennen.
Um den Inhalt herauszubekommen, muss sich Grosse die Hände schmutzig machen, der Gruß aus der Vergangenheit ist eine schmierige Angelegenheit. Und schnell zeigt sich: Er steckt fest. Nachdem vier Leute und eine Art Hammer daran gescheitert sind, den Inhalt aus der Kapsel zu befreien, gibt Grosse auf: "Wir werden das fachmännisch öffnen lassen."
Zeitkapsel enthält 60 Jahre alte Weinflasche
Gut, dass Ingo Schlösser aus alten Aufzeichnungen ohnehin weiß, was im Jahr 1964 in die Kapsel gesteckt wurde: Neben der Flasche Wein und der Zeitung ein paar Münzen und eine Luftaufnahme des Mainzer Stadtteils Finthen.
Und trotz der nur mäßig geglückten Kapsel-Öffnung ist es für Baudezernentin Grosse ein besonderer Moment: "Es ist schon ein ganz tolles historisches Gefühl, so eine Zeitkapsel zu entnehmen und zu öffnen." Ob sie von dem Wein noch probieren würde? "Ja, ein bisschen todesmutig bin ich schon", sagt die Politikerin.
Heimat- und Geschichtsverein Finthen kümmert sich um Öffnung
Sie übergibt die Zeitkapsel schließlich dem Heimat- und Geschichtsverein, der sich um die endgültige Befreiung der Weinflasche und der anderen Zeitzeugnisse kümmern wird.
Für den Neubau der Peter-Härtling-Schule ist geplant, wieder eine Zeitkapsel im Grundstein zu versenken. Was genau hineinkommt, werde noch entschieden, sagt Schulleiterin Agnes Busch. Ideen hat sie aber schon: "Spielsachen, Gemälde oder andere Dinge, die zur jetzigen Zeit typisch für eine Grundschule sind. Aber natürlich auch Dinge, die zum Ort Finthen dazugehören – und vielleicht eine neue Flasche Wein."
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