Der hellblaue Anzug von Günter Beck (Grüne), dem kommissarischen Oberbürgermeister von Mainz, ist ein Kontrast zum Grau der kahlen Betonwände im Ratssaal des Mainzer Rathauses am Jockel-Fuchs-Platz. Beck steht einen Moment versunken da, schaut dorthin, wo früher die Stühle der Stadtratsmitglieder standen. Jetzt sieht der Ratssaal aus wie ein leeres Schwimmbecken.
Günter Beck steht in dem arenaartigen Ratssaal und wirkt ein bisschen sentimental. Ein Stück Lebensgeschichte hat er hier erlebt: Vor fast vierzig Jahren ist er in den Stadtrat der Stadt Mainz gewählt worden.
Viele Schadstoffe im Ratssaal entdeckt
Jetzt liegen auf den Stufen des Plenarsaals dicke weiße Säcke mit schadstoffbelasteten Mineralfasern, auch Glaswolle genannt. Im Ratssaal wurde am meisten davon gefunden, erzählt Andreas Grund, Projektleiter der Rathaussanierung. "Nachdem dort die Verkleidung weg war, durfte man nur mit Atemmaske und Schutzanzug reingehen". Die Schadstoffe dieser gelben Dämmwolle, die in den siebziger und achtziger Jahren oft verbaut wurde, können über die Atemwege tief in die Lunge eindringen.
Eine Überraschung sei dieser Fund nicht gewesen. Zwei Jahre hätten er und sein Team überall im Gebäude Bohrungen vorgenommen, um die Bausubstanz zu untersuchen. Die gelbe Dämmwolle werde nun speziell entsorgt.
Blick ins Innere: So sieht es gerade im Mainzer Rathaus aus
Puzzle für den Denkmalschutz: 12.000 Einzelteile eingelagert
Bis auf die beiden türkisblauen Röhren im Foyer des Rathauses sieht nichts mehr so aus, wie es mal war. Kabelbündel schauen aus den nackten Wänden hervor, gelegentlich tropft es von oben. In den ehemaligen Verwaltungsetagen wurden teilweise schon alle Wände herausgenommen, die riesige Grundfläche des Gebäudes offenbart sich. Der dänische Architekt Arne Jacobsen hatte es in den Jahren 1970-74 entworfen und erbaut. Seit 2005 steht es unter Denkmalschutz.
Türen, Stühle, Wandpaneele - alles wird einzeln mit einem Code versehen, verpackt und in einer Halle in Bad Kreuznach eingelagert. Immer noch fahren zwei volle Lkw pro Tag dorthin, erzählt Andreas Grund. Rund denkmalgeschützte 12.000 Einzelteile müssen am Ende der Sanierung wie ein Puzzle wieder zusammengesetzt werden. Die Größe des Projekts sei beeindruckend.
Aber trotzdem seien die Sanierungsarbeiten sogar zwei Monate vor dem Zeitplan.
Mainzer Rathaus: 104 Millionen Euro Sanierungskosten
Auch finanziell bleibe alles wie geplant: Die 104 Millionen Euro, die veranschlagt wurden, könnten eingehalten werden, so Projektleiter Andreas Grund.
Das Konzept der Sanierung: alte Details erhalten und mit moderner Technik zusammenbringen. Im 5. Obergeschoss, wo sich das Großraumbüro der Stadtkasse und die Kantine befunden haben, sind ovale Oberlichter in die Decke gebaut. "Das ist Handwerkskunst und die versuchen wir, zu erhalten, weil wir die in moderner Form gar nicht mehr nachbauen könnten", sagt Grund.
Kilometerweise Datenleitungen werden eingebaut
Jetzt, da das Mainzer Rathaus am Jockel-Fuchs-Platz auf dem Stand eines Rohbaus ist, kämen als nächstes dieselben Schritte, wie bei einem Einfamilienhaus. Heizungsleitungen, Wasserleitungen, Lüftungsleitungen, Strom und kilometerweise Datenleitungen. "Hier ist demnächst alles digital", so Grund. Für diese Arbeiten werden gerade die Ausschreibungen vorbereitet und Firmen können sich dafür bewerben.
Auch eine Photovoltaikanlage soll aufs Dach. "Damit werden wir einen Großteil der Energiekosten sozusagen abpuffern. Das Gebäude laufe dann fast autark", erklärt der Projektleiter.
Aber bis das Mainzer Rathaus am Jockel-Fuchs-Platz fertig ist, werden noch vier Jahre vergehen.
Günter Beck: Sanierung wird klappen
"Schwer vorzustellen, wie das Rathaus dann mal aussehen wird", sagt Günter Beck, der geschäftsführende Oberbürgermeister von Mainz, während es neben ihm von der Decke tropft. Als Andenken an die Baustelle macht er mit seinem Handy ein Foto von den stuhllosen Reihen des Hörsaals unter dem Ratssaal.
Dass die Sanierung gut klappen wird, davon ist er jedoch überzeugt. Und zum Schluss sagt er noch, um dem Mammut-Projekt ein bisschen Leichtigkeit zu geben: "Das kriegen wir schon hin."