Sanierungsarbeiten laufen nach Plan

Nackter Beton und nasser Boden - Mainzer Rathaus ist entkernt

Stand
Autor/in
Gesa Walch
Bild von Gesa Walch, Studio Mainz

Seit mehr als zwei Jahren sind die Pforten des Mainzer Rathauses dicht - was sich im Inneren tut, ist für die Mainzer ein Geheimnis. Jetzt hat die Stadt einen Blick auf die Sanierungsarbeiten im Inneren zugelassen.

Der hellblaue Anzug von Günter Beck (Grüne), dem kommissarischen Oberbürgermeister von Mainz, ist ein Kontrast zum Grau der kahlen Betonwände im Ratssaal des Mainzer Rathauses am Jockel-Fuchs-Platz. Beck steht einen Moment versunken da, schaut dorthin, wo früher die Stühle der Stadtratsmitglieder standen. Jetzt sieht der Ratssaal aus wie ein leeres Schwimmbecken.

"Ob ich hier noch jemals eine Rede halten werde, wenn ich mir ansehe, wie lange das dauern wird, bis das wiederhergestellt ist."

Günter Beck steht in dem arenaartigen Ratssaal und wirkt ein bisschen sentimental. Ein Stück Lebensgeschichte hat er hier erlebt: Vor fast vierzig Jahren ist er in den Stadtrat der Stadt Mainz gewählt worden.

Der ursprüngliche Ratssaal ist auf der Baustelle im Mainzer Rathaus nur noch am runden Sockel zu erkennen.
Der ursprüngliche Ratssaal ist auf der Baustelle im Mainzer Rathaus nur noch am runden Sockel zu erkennen.

Viele Schadstoffe im Ratssaal entdeckt

Jetzt liegen auf den Stufen des Plenarsaals dicke weiße Säcke mit schadstoffbelasteten Mineralfasern, auch Glaswolle genannt. Im Ratssaal wurde am meisten davon gefunden, erzählt Andreas Grund, Projektleiter der Rathaussanierung. "Nachdem dort die Verkleidung weg war, durfte man nur mit Atemmaske und Schutzanzug reingehen". Die Schadstoffe dieser gelben Dämmwolle, die in den siebziger und achtziger Jahren oft verbaut wurde, können über die Atemwege tief in die Lunge eindringen.

Eine Überraschung sei dieser Fund nicht gewesen. Zwei Jahre hätten er und sein Team überall im Gebäude Bohrungen vorgenommen, um die Bausubstanz zu untersuchen. Die gelbe Dämmwolle werde nun speziell entsorgt.

Blick ins Innere: So sieht es gerade im Mainzer Rathaus aus

Auf der Baustelle kann man durch ein ehemaliges Büro im Mainzer Rathaus den Eisenturm erkennen
Auf der Baustelle kann man durch ein ehemaliges Büro im Mainzer Rathaus den Eisenturm erkennen. Bild in Detailansicht öffnen
Im gesamten Gebäude des Mainzer Rathauses sind die Deckenverkleidungen entfernt worden. Kabel und Rohre ragen heraus
Im gesamten Gebäude des Mainzer Rathauses sind die Deckenverkleidungen entfernt worden. Kabel und Rohre ragen heraus. Bild in Detailansicht öffnen
In der Kantine des Mainzer Rathauses erinnert nur noch eine Vitrine (braun im Hintergrund) daran, dass es hier mal Essen gab
In der Kantine des Mainzer Rathauses erinnert nur noch eine Vitrine (braun im Hintergrund) daran, dass es hier mal Essen gab. Bild in Detailansicht öffnen
Die Räume im Obergeschoss sind komplett entkernt. Die Deckenverkleidungen sind abmontiert, lediglich die Lichtschachte zu den Oberlichtern sind hängen geblieben.
Die Räume im Obergeschoss sind komplett entkernt. Die Deckenverkleidungen sind abmontiert, lediglich die Lichtschachte zu den Oberlichtern sind hängen geblieben. Bild in Detailansicht öffnen
Bürgermeister Günter Beck (rechte Seite, hellblauer Anzug) steht an der Stelle, wo im Hörsaal normalerweise ein rednerpult steht
Bürgermeister Günter Beck (rechte Seite, hellblauer Anzug) steht an der Stelle, wo im Hörsaal normalerweise ein Rednerpult steht. Bild in Detailansicht öffnen
Durch die mit Stoffbahnen verhangenen Fenster hinter dem Bauschutt, kann man teile der Aussenfassade und den Rhein erkennen
Durch die mit Stoffbahnen verhangenen Fenster hinter dem Bauschutt, kann man teile der Aussenfassade und den Rhein erkennen. Bild in Detailansicht öffnen
Das Mainzer Rathaus ist von außen mit bedruckten Stoffbahnen verhängt, um eine Sicht auf die Baustelle zu verbergen. Die Stoffbahnen sind mit der Original-Ansicht bedruckt.
Das Mainzer Rathaus ist von außen mit bedruckten Stoffbahnen verhängt, um eine Sicht auf die Baustelle zu verbergen. Die Stoffbahnen sind mit der Original-Ansicht bedruckt. Bild in Detailansicht öffnen

Puzzle für den Denkmalschutz: 12.000 Einzelteile eingelagert

Bis auf die beiden türkisblauen Röhren im Foyer des Rathauses sieht nichts mehr so aus, wie es mal war. Kabelbündel schauen aus den nackten Wänden hervor, gelegentlich tropft es von oben. In den ehemaligen Verwaltungsetagen wurden teilweise schon alle Wände herausgenommen, die riesige Grundfläche des Gebäudes offenbart sich. Der dänische Architekt Arne Jacobsen hatte es in den Jahren 1970-74 entworfen und erbaut. Seit 2005 steht es unter Denkmalschutz.

Türen, Stühle, Wandpaneele - alles wird einzeln mit einem Code versehen, verpackt und in einer Halle in Bad Kreuznach eingelagert. Immer noch fahren zwei volle Lkw pro Tag dorthin, erzählt Andreas Grund. Rund denkmalgeschützte 12.000 Einzelteile müssen am Ende der Sanierung wie ein Puzzle wieder zusammengesetzt werden. Die Größe des Projekts sei beeindruckend.

"Du arbeitest hier eine Woche drin und es geht gefühlt nur zehn Meter weiter".

Aber trotzdem seien die Sanierungsarbeiten sogar zwei Monate vor dem Zeitplan.

Mainzer Rathaus: 104 Millionen Euro Sanierungskosten

Auch finanziell bleibe alles wie geplant: Die 104 Millionen Euro, die veranschlagt wurden, könnten eingehalten werden, so Projektleiter Andreas Grund.

Das Konzept der Sanierung: alte Details erhalten und mit moderner Technik zusammenbringen. Im 5. Obergeschoss, wo sich das Großraumbüro der Stadtkasse und die Kantine befunden haben, sind ovale Oberlichter in die Decke gebaut. "Das ist Handwerkskunst und die versuchen wir, zu erhalten, weil wir die in moderner Form gar nicht mehr nachbauen könnten", sagt Grund.

Kilometerweise Datenleitungen werden eingebaut

Jetzt, da das Mainzer Rathaus am Jockel-Fuchs-Platz auf dem Stand eines Rohbaus ist, kämen als nächstes dieselben Schritte, wie bei einem Einfamilienhaus. Heizungsleitungen, Wasserleitungen, Lüftungsleitungen, Strom und kilometerweise Datenleitungen. "Hier ist demnächst alles digital", so Grund. Für diese Arbeiten werden gerade die Ausschreibungen vorbereitet und Firmen können sich dafür bewerben.

Auch eine Photovoltaikanlage soll aufs Dach. "Damit werden wir einen Großteil der Energiekosten sozusagen abpuffern. Das Gebäude laufe dann fast autark", erklärt der Projektleiter.

Aber bis das Mainzer Rathaus am Jockel-Fuchs-Platz fertig ist, werden noch vier Jahre vergehen.

Bürgermeister Günter Beck fotografiert den völlig entkernten Hörsaal im Mainzer Rathaus
Bürgermeister Günter Beck fotografiert den völlig entkernten Hörsaal im Mainzer Rathaus.

Günter Beck: Sanierung wird klappen

"Schwer vorzustellen, wie das Rathaus dann mal aussehen wird", sagt Günter Beck, der geschäftsführende Oberbürgermeister von Mainz, während es neben ihm von der Decke tropft. Als Andenken an die Baustelle macht er mit seinem Handy ein Foto von den stuhllosen Reihen des Hörsaals unter dem Ratssaal.

Dass die Sanierung gut klappen wird, davon ist er jedoch überzeugt. Und zum Schluss sagt er noch, um dem Mammut-Projekt ein bisschen Leichtigkeit zu geben: "Das kriegen wir schon hin."