Laut der Deutschen Wildtierstiftung sterben auf unseren Straßen etwa eine halbe Million Igel jährlich. Es gibt aber noch viele andere Gründe, warum bei uns der europäische Braunbrustigel immer seltener wird.
Das bekommen die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer des Vereins Igelfreunde Rhein-Pfalz in Bobenheim-Roxheim (Rhein-Pfalz-Kreis) jeden Tag zu spüren. Seit 2018 betreibt der Verein in einem privaten Wohnhaus seine Rettungsstation.
Verein Igelfreunde: "Wir werden völlig überrannt"
Björn Wolfmüller und sein Sohn Jan haben im Keller eines Wohnhauses eine richtige Notfallstation eingerichtet, fast wie eine Tierklinik. Hier kümmern sich die beiden im Schichtbetrieb um bis zu 20 kleine Patienten. Das heißt jeden Tag füttern, Medikamente verabreichen und wiegen. Täglich kommen etwa zehn Anfragen wegen neuer Notfälle dazu, so viele wie noch nie. Und das alles neben ihren eigentlichen Jobs: Björn Wolfmüller ist SAP-Berater, sein Sohn Jan studiert Wirtschaftsinformatik.
Es sei inzwischen eine fatale Situation, sagt Jan Wolfmüller. "Wir werden vollständig überrannt von Findern. In der Zeit, wo wir einen Notfall behandeln, gibt es schon wieder drei neue Mails, die Hilfe suchen."
Aktuell viele zu kleine Igelbabys in Rettungsstation
Angefangen hatte die Familie Wolfsmüller 2018 mit einem kleinen Babyigel, der hilflos im Garten der Großmutter saß. Inzwischen kümmert sich der Verein um jährlich rund 300 Igel aus der ganzen Pfalz und der Metropolregion. Und jährlich nehmen die Anfragen zu.
Neben verletzten Igeln, die beispielsweise in Kellerschächte gefallen sind oder Opfer von Mäharbeiten wurden, behandelt der Verein in diesem November vor allem Jungtiere. Die meisten bringen für diese Jahreszeit noch viel zu wenig Gewicht auf die Waage und haben kaum eine Chance den Winter zu überleben, sagt der Vereinsvorsitzende Björn Wolfmüller. Denn selbst, wenn die Igelmütter noch leben, ziehen sich nun in den Winterschlaf zurück.
Warum sollte man die Igel im Winter retten?
Dass viel Jungtiere noch so klein sind, ist eine Folge des Klimawandels, erklärt sein Sohn Jan Wolfmüller. Durch die Erwärmung würden die Mütter inzwischen zweimal jährlich Jungtiere bekommen, im Mai und nochmals im September oder Oktober.
Gleichzeitig werde das Nahrungsangebot für den Igel immer geringer - weil es immer weniger Insekten gebe, so der Wirtschaftsinformatik-Student. Deshalb müsse sich der Igel zunehmend von Schnecken und Würmern ernähren. Und die wiederum können Parasiten wie Lungenwürmer übertragen, die den Igel krank machen.
Vorbereitung für den Winterschlaf So helft ihr Igeln im Herbst und Winter
Vor allem im Herbst sind Igel sehr aktiv auf Futtersuche, denn jetzt zählt jedes Gramm für den Winterspeck. Wie können wir ihnen dabei helfen?
Appell: "Schafft mehr Lebensräume für den Igel!"
Die Igelretter aus Bobenheim-Roxheim appellieren deshalb an jeden Gartenbesitzer, aber auch an die Kommunen, wieder mehr Lebensräume für den geschützten Braunbrustigel zu schaffen.
Im Garten heißt das: Laubhaufen und Holzstapel als Rückzugsorte, statt englischem Rasen, lieber Wildblumen und hoch stehende Wiesen, damit sich dort auch Insekten wieder wohlfühlen. Und für die Kommunen bedeutet es: Mehr Naturschutzgebiete ausweisen und pflegen. Denn der Igel stehe stellvertretend für viele Tierarten, wie Singvögel, Eidechsen, Wildbienen und Käfer, mahnt Jan Wolfmüller.
Aufnahmestopp in der Pfälzer Notfallstation für Igel
Jan Wolfmüller und sein Vater Björn versorgen die Igel in ihrer Notfallstation ehrenamtlich, päppeln sie auf, wiegen sie täglich und geben ihnen Medikamente. Inzwischen werden sie von bis 30 Ehrenamtlichen unterstützt. Und dennoch ist die Station am Limit und kann aktuell keine Igel mehr aufnehmen.
Igelstation: Wer helfen will, sollte Igel aufnehmen
Wer einen kranken, verletzten Igel findet oder ein verlassenes Jungtier, kann sich per Mail an die Igelfreunde Rhein-Pfalz wenden. Dann versuchen die Experten dort die Finder zu beraten und den Igel im besten Fall auch in Augenschein zu nehmen.
Allerdings sind die Finder auch gefordert, sagt Jan Wolfmüller: Tierschutz bedeutet nicht nur einen Igel zu finden und irgendwo abzugeben. "Tierschutz bedeutet auch, gegebenenfalls mal einen Igel aufzunehmen und zu pflegen." Der Igel stehe jetzt seit wenigen Tagen auf der roten Liste. Das sei ein ganz kritischer Zeitpunkt, das sollte jedem klar sein, so Jan Wolfmüller und weiter: "Wenn wir nicht aufpassen ist der Igel weg, als eines der ältesten Säugetierarten."