Manfred Ostermann steht vor einem langen, grauen Gebäude mit Holztor. Dies sei früher die Zentralbaracke in Bruttig gewesen, erklärt der ehemalige Ortsbürgermeister. Sie sei ein Teil des KZ-Außenlagers Cochem gewesen, in das 1944 ungefähr 1.500 Zwangsarbeiter aus dem KZ-Hauptlager Natzweiler (Elsass) gebracht worden seien. Laut Ostermann mussten die Gefangenen hier unter schlimmsten Bedingungen einen stillgelegten Eisenbahntunnel für die Rüstungsproduktion ausbauen: "Vernichtung durch Arbeit nannten die Nazis das."
Geocaching soll junge Menschen für Geschichte interessieren
Etwas versteckt findet sich an dem Gebäude heute ein Schild mit einem QR-Code. Wenn man diesen mit dem Handy scannt, öffnet sich eine Internetseite mit einem Infotext über die ehemalige Zentralbaracke. An insgesamt fünf Orten in Bruttig wurden solche Tafeln angebracht. Sie alle markieren Stationen einer Geocaching-Route "Gegen das Vergessen", die über die Geschichte des KZ-Außenlagers Cochem informiert.
Manfred Ostermann hat die GPS-geführte Spurensuche zusammen mit dem erfahrenen Geocacher Jens Dlugaiczyk entwickelt. Weil er schon seit vielen Jahren Geocaches im Landkreis Cochem-Zell erstellt, sei der Förderverein der Gedenkstätte KZ-Außenlager Cochem eines Tages an ihn herangetreten, erzählt Dlugaiczyk: "Ich habe mich darüber gefreut, weil man so Geschichte praktisch per GPS umsetzen kann." Er hofft, dass die Tour gerade bei jungen Menschen Interesse an dem Thema weckt.
Überlebende schilderten, was im KZ-Außenlager Cochem geschah
Auch Manfred Ostermann ist das ein wichtiges Anliegen. Er sagt, er wolle sein Wissen über das Lager in Bruttig an jüngere Generationen weitergeben. Mit seinen 78 Jahren hat er diese Zeit zwar nicht selbst miterlebt, aber sein ganzes Leben begleiten ihn schon die Erzählungen von Zeitzeugen, darunter auch Überlebende des Lagers.
Als er mit zwei ehemaligen Zwangsarbeitern aus Polen in Bruttig unterwegs war, erkannte Ostermann, welche Traumata die Zeit im KZ-Außenlager Cochem bei ihnen ausgelöst hatte: "Das war sehr ergreifend. Der eine Herr, der hat sich wieder gefühlt, als müsste er wieder in den Tunnel. Dann fing er an zu zittern und sein Kollege musste ihn beruhigen." Aus den Schilderungen der Überlebenden habe er viel über das, was im KZ-Außenlager Cochem geschehen sei, erfahren.
Damit ihre Schicksale nicht in Vergessenheit geraten, hat die Ortsgemeinde auf dem Friedhof einen Gedenkstein für die im Lager ermordeten Gefangenen errichten lassen. Dieser Ort ist die zweite Station auf der Geocaching-Route. Die Teilnehmer erfahren, dass die sieben hier begrabenen Häftlinge nur ein Bruchteil derjenigen waren, die in den Teillagern in Bruttig und Treis ums Leben kamen.
Ostermann: Menschen sollen aus der Vergangenheit lernen
Weitere Stationen zeigen den Weg der Gefangenen vom Lager zum Tunnel und den Standort des Gasthauses, wo die Zwangsarbeiter zunächst provisorisch untergebracht wurden, bis sie die Baracken errichtet hatten. Die letzte Koordinate führt zum ehemaligen Eingang des Tunnels, außerhalb von Bruttig. Dort sind noch Überreste des Bauwerks zu sehen, in dem die Nationalsozialisten unter anderem Zündkerzen fertigen lassen wollten.
Zu jedem der besuchten Orte müssen die Geocacher eine Frage beantworten. Aus den Lösungen ergibt sich eine neue Koordinate, die das Ziel der Tour markiert. Dort können die Teilnehmer sich in das Logbuch eintragen und erhalten einen Stempel. Jens Dlugaiczyk sagt, letztlich würde mit diesem Geocache Geschichte spielerisch erlebbar.
Manfred Ostermann hofft, dass die Teilnehmer so etwas aus der Vergangenheit lernen können: "Wenn man die politische Entwicklung sieht, dass rechten Parolen einfach so gefolgt wird, da kann man nur mahnen: Seht mal, wo das hinführt! Das haben wir alles schon gehabt."