Personalleiterin Annamaria Dahlmann ist um ihre Aufgabe nicht zu beneiden: 75 neue Mitarbeiter für die Stellwerke der Deutschen Bahn in Rheinland-Pfalz will sie jedes Jahr einstellen - und das trotz Fachkräftemangels. Derzeit fehlten zwar keine Mitarbeiter, sagt sie. Alle Schichten könnten besetzt werden. Aber bald gingen Fahrdienstleiter in Rente.
Große Probleme im Stellwerk Ludwigshafen
Vor allem in den Stellwerken Ludwigshafen und Neustadt an der Weinstraße gab es zuletzt große Personalprobleme, was zu Zugausfällen führte. Denn wenn nicht genug Mitarbeiter da sind, um die Weichen und Signale zu steuern, muss der gesamte Streckenabschnitt stillgelegt werden.
Statt "Fahrdienstleiter" jetzt "Zugverkehrssteuerer"
Im Stellwerk am Koblenzer Hauptbahnhof konnte die Bahn in der Vergangenheit nach eigenen Angaben immer alle Personallücken stopfen. Auch weil die Mitarbeiter bereit waren, länger zu arbeiten, um kranke Kollegen zu ersetzen.
Auf einem großen Plakat, das außen am Stellwerk Koblenz hängt, wirbt die Bahn um neue Mitarbeiter. "Viele Leute wissen gar nicht, was ein Fahrdienstleiter überhaupt macht", erläutert Personalleiterin Dahlmann. "Wir haben den Beruf deshalb umbenannt: Er heißt jetzt Zugverkehrssteuerer."
Paul Henze (27) bedient seit 2017 im Schichtdienst die 310 Weichen und Signale im Stellwerk Koblenz. Er hat mit 17 eine dreijährige Ausbildung bei der Deutschen Bahn begonnen. "Mein Vater ist Fahrdienstleiter", erzählt er. "Deshalb habe ich mich für den Beruf interessiert."
Jetzt arbeitet er schon seit sieben Jahren im Stellwerk des Koblenzer Hauptbahnhofs. Pro Schicht steuern immer fünf Kollegen gemeinsam den Zugverkehr, denn am Koblenzer Hauptbahnhof ist viel los. Mehrere Hauptstrecken treffen aufeinander.
Gefährliche Situation durch Person im Gleis
Als Paul Henze berichtet, dass der Zugverkehrssteuerer eine große Verantwortung trägt, wird es plötzlich ernst: Gleisarbeiter schlagen Alarm. Sie haben beobachtet, dass eine Person mitten im dichten Zugverkehr auf den Schienen herumläuft. Paul Henze erteilt sofort einen "Nothaltauftrag" an alle Lokführer. Sämtliche Züge im Hauptbahnhof stoppen.
Fahrdienstleiter-Kollege Danny Kowalczuk alarmiert parallel die Notfall-Leitstelle der Deutschen Bahn, Bundespolizei und ein Krankenwagen eilen zum Gleis 1 des Koblenzer Hauptbahnhofs. Denn die offenbar unter Drogen stehende Person ist kollabiert, nachdem sie von den Gleisarbeitern von den Schienen gezogen worden ist.
Zugverkehrssteuerer haben große Verantwortung
Als nach zehn Minuten der Zugverkehr wieder anläuft, macht Zugverkehrssteuerer Paul Henze einen ruhigen Eindruck: "Solche Vorfälle haben wir durchschnittlich zwei- bis dreimal pro Woche." Es sei immer was los auf dem Stellwerk. Der Zusammenhalt im Team sei hervorragend und die große Verantwortung sehe er als Herausforderung. "Es macht Spass und ist genau das Richtige für mich."
Stellwerk-Besichtigungen für interessierte Bewerber
Personalleiterin Annamaria Dahlmann organisiert jede Woche Besichtigungstermine in rheinland-pfälzischen Stellwerken für Menschen, die sich für den Beruf des Zugverkehrssteuerers interessieren. "Wir stellen jedes Jahr 25 Azubis ein und 50 Quereinsteiger". Die Azubis lernen drei Jahre lang, so wie damals Paul Henze. Die Ausbildung für die Quereinsteiger dauert rund acht Monate.
Die Quereinsteiger verdienen zunächst rund 3.500 Euro im Monat, sagt die Personalleiterin. Das steigt später auf rund 4.000 Euro. Im Stellwerk am Koblenzer Hauptbahnhof gibt es drei Schichten: Von 6 bis 13 Uhr, von 13 bis 20 Uhr und von 20 bis 6 Uhr. Regelmäßig muss nachts und an Wochenenden gearbeitet werden, "aber dafür hat man ja über die Woche frei, wenn andere Arbeiten müssen. "Das passt", meint Zugverkehrssteuerer Henze.
Wer Strategiespiele beherrscht, ist fürs Stellwerk geeignet
Personalleiterin Dahlmann versucht, vor allem junge Leute anzusprechen, die gerne Strategiespiele am Computer spielen: "Die jungen Spieler können sich konzentrieren, haben den Überblick über eine bestimmte Situation, beobachten das Geschehen, können eingreifen und Entscheidungen treffen und kommunizieren viel und gern mit Anderen." Genau die richtigen Voraussetzungen für die Arbeit in einem Stellwerk.