Zahlreiche Kommunen sollen plötzlich für die Musikbeschallung von Volksfesten oder Weihnachtsmärkten riesige Summen an die GEMA zahlen. Weil viele sich das nicht leisten können, wollen sie künftig auf Musiker verzichten, so etwa der Dürkheimer Wurstmarkt.
Die Diskussionen über teils drastisch gestiegene GEMA-Gebühren für Volksfeste und Weihnachtsmärkte sind offenbar auch bei den Verantwortlichen angekommen. Sowohl die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) als auch der Deutsche Städtetag bestätigten dem SWR, dass es am Mittwoch ein Gespräch darüber gegeben habe.
Details sollten aber erst kommuniziert werden, wenn ewas Konkretes vorliege, erklärten beide Seiten unisono. Während sich der Städtetag sonst bedeckt hält, erklärte GEMA-Kommunikations-Chefin Ursula Goebel immerhin, im Ergebnis sei kein Konsens erzielt worden, "der pauschal auf alle Mitglieder des Deutschen Städtetags anwendbar wäre".
GEMA und Städtetag würden "den Lösungsvorschlag der GEMA" nun in den jeweiligen Fachgremien besprechen, so Goebel weiter.
Preisschock in Bad Dürkheim
Worum geht es genau? Die neue Tarifstruktur der GEMA hat unter anderem in Bad Dürkheim und Landau zu heftiger Kritik geführt. Die Stadt Bad Dürkheim habe für den vergangenen Wurstmarkt von der GEMA eine Rechnung über 55.000 Euro erhalten, erklärte Marcus Brill, der mit seinem Team den Wurstmarkt organisiert.
Bad Dürkheimer Wurstmarkt verzichtet auf Musik GEMA-Gebühren kosten die Veranstalter 55.000 Euro
Wer bei einer öffentlichen Veranstaltung Musik spielen möchte, muss dafür eine Gebühr an die GEMA zahlen. Diese Gebühr ist im Vergleich zu vorherigen Jahren drastisch angestiegen.
Eine so hohe Rechnung hat die GEMA laut Brill noch nie gestellt. Sie entspreche einem "Achtel unserer Platzgelder". Die Konsequenz: Die Stadt streicht beim diesjährigen Wurstmarkt das Musikfeuerwerk und die Auftritte der Mackenbacher - einer saarländischen Musiktruppe, die traditionelle Feierlieder in den Schubkarchständen spielt.
Die Stadt habe für Auftritte der Mackenbacher die Fläche der Schubkarchstände angegeben, sagte Brill dem SWR. Die GEMA argumentiere nun, "wir würden das ganze Festgelände bespielen. Das entspricht nicht der Tatsache und deshalb haben wir uns auch geweigert, die Rechnung dafür zu bezahlen".
Landau soll erheblich mehr an die GEMA zahlen
Die gleichen Probleme hat die Stadt Landau. Sie soll für den fünftägigen Maimarkt auf dem 18.000 Quadratmeter großen alten Messplatz mehr als 14.400 Euro an GEMA-Gebühren zahlen. 2019 waren das noch knapp 1.100 Euro.
Keine Einzelfälle: Laut Deutschem Städtetag klagen bundesweit zahlreiche Kommunen darüber, dass sie für die Beschallung von Sommerfesten oder Weihnachtsmärkten plötzlich Unsummen bezahlen sollen.
GEMA-Gebühren in Rheinhessen noch kein Thema
Für Veranstalter in Rheinhessen spielen die erhöhten GEMA-Gebühren bisher keine große Rolle. Die Stadt Mainz teilte auf SWR-Anfrage mit, für das größte Volksfest, die Johannisnacht, habe es in diesem Jahr keine relevanten Preissteigerungen gegeben. Stadtsprecherin Sarah Morawietz-Heil erklärte, auch für die kommende Johannisnacht 2024 blieben die GEMA-Kosten "nach aktuellem Stand" gleich. Gleiches gelte für die Veranstaltungsreihe "Mainz lebt auf seinen Plätzen." Es könnte teurer werden, wenn die Stadt Spiele der Fußball-EM übertragen wolle. "Soweit sind aber die Planungen nicht", so die Sprecherin. Auch für den Mainzer Carneval Verein (MCV) ist laut Präsident Hannsgeorg Schönig die GEMA "noch kein Thema".
Nur moderate GEMA-Erhöhungen in Bingen und Bad Kreuznach
Die Sprecherin der Tourismus und Kongress GmbH Bingen teilte mit, zum Winzerfest habe man in diesem Jahr eine "moderate geringe GEMA-Gebührenerhöhung“ zu verzeichnen. Für die kommenden Veranstaltungen und das Jahr 2024 werde man sich vertieft mit der Thematik auseinandersetzen müssen und sich mit anderen Gemeinden in Rheinland-Pfalz austauschen.
Der Schaustellerverband Bad Kreuznach sagte auf SWR-Anfrage, die GEMA-Gebühren seien nur moderat gestiegen. Die Schausteller kämen aktuell damit klar, man werde die Preisentwicklung aber interessiert beobachten und habe das Thema auf dem Schirm.
Auch kaum Auswirkungen in Norden von RLP
Auch die großen Feste und Märkte in Norden sind kaum von den erhöhten Gebühren betroffen. Nach SWR-Recherchen haben etwa beim Michelsmarkt in Andernach die Schausteller eigene GEMA-Verträge, die Stadt ist nicht involviert. Beim Zwiebelmarkt in Boppard wird keine Live-Musik gespielt, ebenso beim Lukasmarkt in Mayen.
Auch die Fastnachtsvereine der Region sehen aktuell keine Probleme mit der GEMA. Die Gülser Husaren sind nach eigenen Angaben nicht betroffen, weil sie bei Veranstaltungen eher kleinere Räume bespielen und die GEMA-Gebühren über den Eintritt regulieren. Auch bei Außenveranstaltungen halte sich die Geländegröße im Rahmen. Für das nächste Jahr stehe man aber noch am Anfang der Planungen.
Neue Tarifstruktur der GEMA
Der massive Anstieg der Gebührenforderungen resultiert aus einem neuen Berechnungsmodell der GEMA. Dabei wird nicht länger der "beschallte Raum" als Grundlage für die Berechnung der Lizenzhöhe genutzt - sondern die gesamte Veranstaltungsfläche.
Das Prinzip "Von Hauswand zu Hauswand, vom ersten Stand bis letztem Stand" gebe es schon länger, sei von der GEMA bisher aber nicht konsequent angewendet worden, sagte Jürgen Block, Geschäftsführer der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland, der "Welt".
Die GEMA selbst teilte mit, es gebe "einen bestimmten Tarif für Stadtfeste, der 2018 neu verhandelt, aber wegen Corona erst 2022 umfassend eingeführt worden sei. Bei der Berechnung der Lizenzhöhe wird die gesamte Veranstaltungsfläche zugrunde gelegt." Dieser Tarif folge einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2011. Damals hatte der BGH entschieden, "dass die GEMA die Vergütungen für Musikaufführungen bei Freiluftveranstaltungen wie Straßenfesten oder Weihnachtsmärkten nach der Größe der gesamten Veranstaltungsfläche bemessen darf".
Städtetag sieht "lebendige Innenstädte" in Gefahr
Beim Städtetag als kommunalen Spitzenverband ist man besorgt, nachdem mittlerweile viele Mitglieder über drastische GEMA-Erhöhungen für ihre regelmäßig stattfindenden Märkte klagen. "Kommunale Veranstaltungen und Weihnachtsmärkte sind unverzichtbar für lebendige Innenstädte", sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Tageszeitung "Die Welt". Und Märkte oder Feste als Möglichkeit, um wieder miteinander in Kontakt zu kommen, seien gerade nach der Pandemie besonders wichtig.
Der Städtetag dringe daher bei der Verwertungsgesellschaft auf Maßnahmen, die Planungs- und Kostensicherheit bieten. "Für uns ist klar: Bei den Tarifen, die jetzt viele Städte genannt bekommen, darf es nicht bleiben."