Konzerne drängen in die Pflege

Pflegeexperten befürchten Qualitätseinbußen in Altenheimen

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In Frankreich sollen in Pflegeheimen des börsennotierten Betreibers Orpea katastrophale Zustände herrschen. Orpea führt auch in Rheinland-Pfalz Pflegeheime. Wie sieht es hier aus?

Pflegebedürftige Menschen, die wund liegen, zu wenig zu essen und zu trinken bekommen und schon nachmittags wieder ins Bett gelegt werden, weil es an Personal fehlt. In seinem Buch "Die Totengräber" hat der französische Journalist Victor Castanet 2022 unglaubliche Zustände in Altenheimen der Betreiberkette Orpea in Frankreich enthüllt und damit sogar die französische Regierung auf den Plan gerufen.

Die französischen Konzerne Orpea und Korian betreiben 38 Alten- und Pflegeheime in Rheinland-Pfalz.

Orpea betreibt auch mehr als 130 Pflegeheime in Deutschland und 20 davon in Rheinland-Pfalz. Das börsennotierte Unternehmen ist der viertgrößte Pflegeheimbetreiber in Deutschland. Konfrontiert mit den Vorwürfen aus Frankreich teilte Orpea Deutschland dem Politik-Magazin "Zur Sache Rheinland-Pfalz" schriftlich mit:

Orpea Deutschland verweist auf Qualitätsgarantien

"Die Kritik bezieht sich nie auf unsere Einrichtungen in Deutschland. Unsere Einrichtungen sind seit Jahren in der Region verwurzelt. Wir haben sichere Prozesse und Verfahren, die garantieren, dass wir unsere Qualitätsansprüche erfüllen. Deutschland und Frankreich lassen sich in der Altenpflege nicht vergleichen. In Deutschland gibt es eine Fülle von Behörden, die die Qualität in den Einrichtungen permanent erhebt und sofort einschreitet, wenn sie Mängel sieht."

Der rheinland-pfälzische Sozialministerium teilte auf Anfrage mit, sowohl gegen Heime von Orpea als auch gegen die des französischen Pflegekonzerns Korian gebe es in Rheinland-Pfalz Beschwerden. "Das Beschwerdeaufkommen bewegt sich von null über sehr gering bis häufig, auch die Intensität der Beschwerden deckt die gesamte Bandbreite ab."

Sozialminister kritisiert Pflege-Monopole

Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD) sagte im SWR-Gespräch, er sehe die zunehmende Marktmacht solcher Großkonzerne in der Pflegebranche grundsätzlich kritisch. "Ich habe deshalb den Bundesgesundheitsminister gebeten, mit mir in Dialog zu treten, was man juristisch tun kann, um diese Monopolstruktur, die sich womöglich entwickelt zu vermeiden“, so Schweitzer.

Manche aufgekauften Pflegeheime werden von Konzernen unter ihrem ursprünglichen Namen weitergeführt. Auf den ersten Blick ist dann gar nicht zu erkennen: Ist das ein kleines privat geführtes Pflegeheim oder Teil einer großen ausländischen Kette? Auch beim französischen Pflegekonzern Korian, dem Marktführer in Deutschland, ist das der Fall. Er betreibt 18 Pflegeheime in Rheinland-Pfalz und erklärte diese Strategie folgendermaßen:

"Viele unserer Häuser haben eine lange Historie an ihren Standorten, zum Teil mit sehr gut eingeführten Namen. Und da Pflege sehr lokal ist, hatten wir uns vor einigen Jahren entschlossen, die Namen vorerst zu behalten."

Ver.di kritisiert gewinnorientierte Pflegekonzepte

Gewinnorientierte Konzepte in der Pflegebranche seien immer problematisch, sagte Frank Hutmacher, Sprecher der Gewerkschaft ver.di Rheinland-Pfalz-Saarland, "das führt oft zu Einschnitten in der Pflegequalität, Versorgungsqualität oder zu höheren Kosten der Bewohner." Der Markt könne dieses Problem allein nicht regeln. Hutmacher fordert, es müsse zum einen mehr unangekündigte Kontrollen in den Pflegeheimen geben, die Politik müsse aber auch Mindeststandards festlegen. Wie viel Personal muss auf einer Pflegestation vertreten sein? Wie viel qualifizierte Fachkräfte müssen mindestens im Einsatz sein?

Pflege-Experte Heinz Rothgang: "Ohne private Pflegeeinrichtungen geht es nicht. Aber sie müssen zu Mindestanforderungen verpflichtet werden."
Gesundheitsökonom Prof. Dr. Heinz Rothgang, Universität Bremen

Eine Forschungsgruppe der Universität Bremen um Prof. Dr. Heinz Rothgang hat genau das untersucht und im Auftrag der Bundesregierung ein bundesweit einheitliches Personalbemessungsverfahren für die stationäre Langzeitpflege entwickelt. Es soll gesetzlich festgeschrieben werden, wie viel zusätzliches Personal die Pflegeversicherung den Pflegeeinrichtungen finanzieren muss.

Grundsätzlich sei es auch nichts Schlechtes, sagt Rothgang im Interview mit "Zur Sache Rheinland-Pfalz", wenn Pflegeheime Gewinne machten. Auch sie müssten schließlich Rücklagen für Digitalisierung, Instandsetzung und Innovationen haben.

Pflege-Experte fordert mehr Regulierung des Pflegemarktes

"Aber bitte in einem vernünftigen Rahmen", fordert er. "Und wenn dann Anleger damit geködert werden, dass man zweistellige Renditen verspricht, dann kann man nur sagen: Es ist sehr schwer nachvollziehbar, wo die den herkommen sollen. Es sei denn, man arbeitet mit zu wenig Personal." Das Geschäft mit der Pflege müsse einfach reguliert und Mindeststandards in den Einrichtungen verbindlich festgelegt werden.

Mainz

Mehr Geld, bessere Ausbildung, weniger Belastung Landespflegekammer fordert bessere Bedingungen für Pflegekräfte

Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz fordert bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen für Pflegefachkräfte. Wichtig sei auch, die Belastungen in der Pflege zu reduzieren.

Der Nachmittag SWR1 Rheinland-Pfalz

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SWR