Tausende verärgerte Kunden haben sich in den vergangenen Jahren bei der Bundesnetzagentur über die Post beschwert. Allein 2023 waren es um die 40.000. Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher, denn nicht jeder, der sich ärgert, beschwert sich offiziell.
Wenn ein Brief eine Woche braucht - von Ludwigshafen nach Speyer
In Speyer bei Ehepaar Flügge läuft es mit der Post schon lange nicht mehr rund, Tiefpunkt war im vergangenen November. "Es kam durchaus vor, dass dann vier Tage lang keine Post kam", erzählt Winfried Flügge und gibt zu bedenken: "Es sind ja auch mal wichtige Sachen dabei."
Flügge nennt ein konkretes Beispiel: Seine Frau brauchte dringend ein Medikament, die Arztpraxis habe umgehend ein Rezept losgeschickt. Nach sechs Tagen sei das Rezept noch immer nicht bei ihnen gewesen. Als es nach einer Woche bei Familie Flügge ankam, bestätigte der Poststempel eine Zustellzeit von einer Woche. Sieben Tage für die Strecke Ludwigshafen - Speyer.
Bislang sollen Briefsendungen innerhalb von Deutschland allerdings per Gesetz innerhalb von ein bis zwei Werktagen beim Empfänger sein. Die Erfahrungen von Ehepaar Flügge und die massive Zunahme von Beschwerden zeigen aber, dass Anspruch und Wirklichkeit häufig auseinanderfallen.
Beschwerden in Rheinland-Pfalz
Die Zahl der Beschwerden bei der Bundesnetzagentur ist in den vergangenen Jahren immer weiter nach oben gegangen. Lagen sie deutschlandweit im Jahr 2014 bei 1.950, waren es es 2019 mehr als 18.000. Einen sprunghaften Anstieg gab es ab 2022: Mehr als 43.000 Beschwerden gingen ein und nach Angaben der Bundesnetzagentur werden die Zahlen für 2023 ähnlich hoch sein. Zwar umfassen die Beschwerden auch Mitbewerber der Post - aber nur in sehr geringem Umfang. Zugleich nahm die Anzahl der zu transportierenden Briefsendungen in Deutschland in den vergangenen Jahren ab.
Auch in Rheinland-Pfalz gab es immer mehr Beschwerden: angefangen bei 35 Beschwerden im Jahr 2014 über 661 im Jahr 2019 und dann auf mehr als 2.100 im Jahr 2022.
Das steht in der Postreform
Nun hat die Bundesregierung eine Postreform abgeliefert, die im Februar im Bundestag beraten wird. Die soll allerdings die Post nicht schneller machen, sondern langsamer. Vorgesehen ist eine Verlängerung der Zustellfristen auf drei bis vier Tage. Es sieht so aus, als würden die Gesetze den Realitäten angepasst.
Für die Kunden hätte die geplante Postreform nur Nachteile, findet Winfried Flügge. Nicht nur, dass man länger auf seine Briefe warten müsse, sondern man bekomme für das gleiche Porto dann eine schlechtere Leistung.
Daran stört sich auch die Gewerkschaft ver.di. Sie teilte mit: Die vorgesehene Verlängerung der Laufzeiten von Briefsendungen auf drei beziehungsweise vier Tage verschlechtere das Dienstleistungsangebot der Post deutlich.
Zusteller als Blitzableiter für unzufriedene Kunden
Dabei schlägt Zustellern und Zustellerinnen schon heute häufig der Unmut der Kunden entgegen. "Man selbst ist das Gesicht. Man kriegt erstmal auf den Deckel. Drecksladen oder irgendwie Scheißladen oder so was, immer teurer werden, aber der Service wird immer schlechter", erzählt Patrick Schmelzeisen, der früher als Zusteller gearbeitet hat.
Problematisch ist dabei: Die geforderte Priorisierung. Im ländlichen Raum müsse der Briefträger neben den Briefen auch schwere Pakete austragen. Wenn er seine Tour nicht schaffe, müsse er erst die Pakete austragen und die Briefe liegen lassen. Davon erfahre der Kunde allerdings nichts.
"Wenn man es mal auf gut deutsch sagt: Was bringt ein Brief finanziell, was bringt ein Paket finanziell. Ich glaube, da kann man sich eins und eins zusammenrechnen. Da weiß man dann, okay Pakete sind da schon priorisiert", sagt Schmelzeisen.
Arbeitsplatzabbau durch Postreform?
Mit dem neuen Gesetz soll die Post nicht nur mehr Zeit bis zur Zustellung haben, sondern auch Geld sparen. Durch die verlängerten Zustellzeiten könnten Nachtflüge eingespart werden.
Jürgen Knoll von ver.di ist skeptisch und befürchtet weitreichende negative Folgen: "Das ist reine Profitmaximierung. Wenn ich nur nach fünf Tagen zustellen muss oder der Brief erst nach drei Tagen bei ihnen sein muss, spare ich Personal."
Deshalb befürchtet der Bezirksgeschäftsführer von ver.di Ludwigshafen für die Kunden und Kundinnen einen Qualitätsverlust. Außerdem sieht er die Gefahr, eines massiven Abbaus von Arbeitsplätzen. "Wenn ich nur alle drei Tage zustelle, brauche ich weniger Leute." Für ihn geht die Postreform klar zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Beschäftigten.
Die Post verweigerte auf SWR-Anfrage ein Stellungnahme mit der Begründung: Solange das neue Gesetz nicht beschlossen sei, wolle man sich vor der Kamera nicht äußern.