Dagmar Schäfer haben vor allem die Ergebnisse aus verschiedenen Bildungsrankings aufgerüttelt. In der IQB-Studie kam heraus, dass jede fünfte Grundschülerin beziehungsweise jeder fünfte Grundschüler nach der vierten Klasse die Mindeststandards in Deutsch und Mathe nicht erfüllt. Ihrer Erfahrung nach hätten auch die Lehrer oft keine Freude mehr an ihrem Job, weil sie nicht allen Schülerinnen und Schülern gerecht werden könnten. Die Leistungsniveaus seien zu unterschiedlich, das Unterrichtskonzept mit 30 Schülerinnen und Schülern pro Klasse veraltet.
Dass das Kultusministerium grundsätzlich etwas in der Bildungspolitik verbessert, sieht sie nicht. Schäfer wirft dem Ministerium Aktionismus vor: "30 Jahre Tiefschlaf im Bildungssystem lassen sich eben nicht mit Schreibhelden, Leseprofis, Starken Kids oder sonstigen putzigen Aktionen ausgleichen."
Zwei Lehrer pro Grundschulklasse
Dagmar Schäfer will nun erreichen, dass jede Grundschulklasse bis 2033 mit zwei Lehrkräften versorgt wird, damit alle Schülerinnen und Schüler richtig betreut werden können. Mit einem Personalplan könne man das mit ausreichend Vorlauf vorbereiten, sagt sie. Außerdem seien die Klassen so auch besser gegen Unterrichtsausfall vorbereitet.
Multiprofessionelle Teams und Hilfskräfte an den Schulen sind für sie keine deutliche Verbesserung. Denn letztlich müsse die Lehrkraft sie anleiten und für alles geradestehen.
Kultusministerium: Das ist nicht umsetzbar
Das Kultusministerium hält die Forderung nach zwei Lehrkräften pro Grundschulklasse nicht für umsetzbar. "Das würde gut 20.000 zusätzliche Lehrkräfte erfordern", rechnet das Kultusministerium vor. Auch wenn das Land die Studienkapazitäten erhöht habe, könnten Grundschulen auch angesichts des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung nicht mit zwei Lehrkräften versorgt werden. Und das ist noch nicht alles: Die Forderung würde 1,4 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr kosten, schätzt das Ministerium. Mit diesen Kosten hat auch der Volksantrag kalkuliert.
Was tut die Landesregierung?
Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) betonte jüngst im Landtag, wie wichtig es sei, jetzt die Grundschulen zu stärken. Bisher sind vor allem verschiedene Projekte vorgesehen. Als Reaktion auf die IQB-Studie führt die Landesregierung ein wissenschaftlich erprobtes Lesetraining an den Grundschulen ein. Dabei soll unter anderem zwei Mal wöchentlich 20 Minuten laut gelesen werden.
Die Landesregierung probiert an den Grundschulen ab dem Schuljahr 2023/24 multiprofessionelle Teams an sechzehn Grundschulen aus. Eingesetzt werden unter anderem Logopädinnen und Logopäden, Physiotherapeutinnen und -therapeuten oder Medienpädagoginnen und -pädagogen.
In einem Modellversuch werden ab dem Schuljahr 2023/24 die Schulen über einen Sozialindex ausfindig gemacht, die mehr Förderung bekommen sollen. Getestet wird das im Einzugsbereich von acht staatlichen Schulämtern - und zwar in Biberach, Lörrach, Tübingen, Mannheim, Pforzheim, Stuttgart, Singen und Heilbronn.
Mehr Support für Inklusion geplant
Das Land setzt zudem 267 zusätzliche Pädagogische Assistentinnen und Assistenten ein, 100 davon für Inklusion. An Schulen ist ab dem Jahr 2023/24 ein Freiwilliges Pädagogisches Jahr möglich. 250 Plätze sind vorgesehen.
Das Kultusministerium will auch die Lernstände der Schülerinnen und Schüler in Deutsch und Mathe künftig besser erfassen - mit einem Webtool, das die Schulen selbstständig nutzen können, aber auch mit dem Diagnoseverfahren Lernstand 2 und weiteren Fragebögen.
Lehrkräfte werden seit dem Schuljahr 2022/23 mit dem Konzept "Starke Basis" unterstützt. Sie können dabei auf erprobte Projekte zurückgreifen, die sich in der Förderung von Schülerinnen und Schülern besonders wirksam erwiesen haben.
Unterschriftensammlung läuft
Der Volksantrag braucht knapp 39.000 Unterschriften, damit sich der Landtag mit der Forderung nach zwei Lehrerinnen und Lehrern pro Klasse befasst. Dagmar Schäfer hofft auf einem "Schub aus der Bevölkerung". Denn die Unterschriftensammlung ist aufwendig: Formulare mailen, drucken, ausfüllen, beglaubigen lassen. Besonders die Beglaubigung nimmt noch mal Zeit in Anspruch. Daher wagen die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksantrags auch noch keine Prognose, wie viele Unterschriften sie bisher haben. Das Zeitfenster für die Unterschriftensammlung zum Volksantrag "GUTE Schule JETZT" läuft noch bis zum 9. Januar 2024.