Was tun, wenn das Geld nicht kommt?

Wieso Studierende aus Tübingen monatelang auf BAföG-Zahlungen warten müssen

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Leon Spachmann
Leon Spachmann ist Reporter beim SWR im Studio Tübingen für Social Media, Online und Hörfunk.

Vielen Studierenden geht gerade das Geld aus. Denn die Bearbeitung der BAföG-Anträge dauert länger als gewöhnlich. Das Amt ist überfordert - es hakt auch bei der Digitalisierung.

Viele Studierende waren schon immer knapp bei Kasse. Ein WG-Zimmer kostet nicht wenig, das Geld aus Studentenjobs reicht oft nicht, dazu kommen hohe Energiepreise und Inflation. 2021 waren rund 38 Prozent der Studierenden armutsgefährdet. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Wenn dann noch das BAföG ausbleibt, kann es schon mal richtig eng werden. Subarna (25) und Isabelle (24) haben beide ihren BAföG-Antrag im August gestellt. Seitdem warten sie. Die Bearbeitung zieht sich über Monate hin.

Kommunikation mit dem BAföG-Amt schwierig

Um Anträge schneller bearbeiten zu können, hat das Studierendenwerk die telefonischen Sprechzeiten eingeschränkt. Es bittet darum, nicht anzurufen, um die Bearbeitungszeit nicht noch zu verlängern. Vor zwei Wochen rief die Tübinger Studentin Subarna das BAföG-Amt dennoch an und fragte nach dem Status ihres Antrages. "Die Sachbearbeiterin meinte, der Antrag sei nicht eingegangen", erzählt sie. Abgeschickt habe sie ihn aber. Sie erkennt darin ein Muster. Freunde von ihr hätten von ähnlichen Fällen berichtet. Erst als sie darauf hinwies, dass sie den Antrag per Einschreiben abgeschickt hatte, sei er dann doch da gewesen, so die Studentin.

Als ich meinte, dass ich den Antrag per Einschreiben geschickt habe, war er dann plötzlich da. Man muss Druck machen.

Julia Erdei vom Studierendenrat hat ebenfalls von solchen Fällen gehört. "Studierende kommen immer wieder zu uns und erzählen, dass die Unterlagen bereits eingereicht wurden und nicht ankamen. Wir wissen nicht genau, was da passiert". Laut Studierendenwerk geht hin und wieder Post bei der Zustellung verloren. Es handele sich aber um Einzelfälle.

Man sieht eine Frau, die in die Kamera schaut und lächelt. Sie heißt Julia Erdei und ist Referentin für Soziales und Gleichstellung beim Studierendenrat Tübingen.
Julia Erdei ist Referentin für Soziales und Gleichstellung beim Studierendenrat Tübingen.

Sachbearbeiterin beim BAföG-Amt nicht erreichbar

Auch die Reutlinger Studentin Isabelle wusste lange Zeit nicht, ob ihr Antrag überhaupt beim BAföG-Amt angekommen war. Am Telefon wurde ihr mitgeteilt, dass ihre Sacharbeiterin Anfang des Jahres gekündigt habe. Die Stelle konnte zunächst nicht neu besetzt werden. Durch Zufall erfuhr die Studentin vor kurzem, dass jetzt eine neue Sachbearbeiterin eingestellt wurde. Dann sei auch ein Brief gekommen, indem sie aufgefordert wurde, Unterlagen nachzureichen. Aber wenigstens kümmere sich jetzt jemand um den Antrag, so die Studentin.

"Ich würde mir wünschen, dass man den Leuten, die sowieso schon BAföG bekommen, das Geld erstmal weiterzahlt. Die Differenz könnte man danach begleichen."

BAföG-Amt in Reutlingen überlastet

Das Studierendenwerk, das für alle BAföG-Anträge aus Tübingen, Reutlingen und der Region zuständig ist, sagte auf Anfrage des SWR, dass es aktuell überlastet sei. Letztes Jahr haben sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um rund 8.000 Anträge gekümmert. Gerade dauere die Bearbeitung deutlich länger als üblich. Dafür gebe es mehrere Gründe:

  • Anträge gehen gleichzeitig ein: Laut dem Amt gehen die meisten Anträge sehr konzentriert ab Anfang August für das Wintersemester ein. Das führe zu einem Rückstau.
  • Personalmangel: Gerade habe das Amt große Schwierigkeiten, offene Stellen zeitnah zu besetzen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten sich außerdem noch um andere Aufgaben kümmern, zum Beispiel um den Heizkostenzuschuss.
  • Unvollständige Anträge: "Leider ist immer noch der weitaus größte Teil der eingehenden Anträge unvollständig", schreibt das Studierendenwerk auf Anfrage des SWR. Die Formulare sollten aufmerksam gelesen und Nachweise beigefügt werden. Studierende kritisieren jedoch, dass das Ausfüllen des Antrags extrem kompliziert sei.

Anträge werden immer noch ausgedruckt

Seit 2021 können Studierende deutschlandweit das BAföG über die Plattform "BAföG-Digital" online beantragen. Die Antragsstellung wurde also digitalisiert - die danach folgenden Prozesse aber nicht. "Unsere Mitarbeiter müssen die online eingereichten BAföG-Anträge daher ausdrucken", schreibt das Studierendenwerk Tübingen. Eine elektronische Akte gebe es noch nicht. Das Problem ist nicht neu, wie eine Recherche des ARD-ZDF-Jugendangebots Funk aus dem Jahr 2022 zeigt.

Den Ländern ist bewusst, dass der momentane Zustand auf Dauer nicht tragbar ist. Es wurden bereits Pilotverfahren zur Einführung einer E-Akte gestartet.

Darlehen für Tübinger Studenten

Julia Erdei vom Studierendenrat sind die Probleme bei den BAföG-Auszahlungen bekannt. Sie rät den Studierenden, sich an den "Arbeitskreis Soziales" zu wenden. Außerdem gebe es vom Studierendenrat ein Notlagenstipendium für Studis in finanziellen Notsituationen. Ob das aber bei ausbleibenden BAföG-Zahlungen bewilligt werde, sei nicht sicher. Es könnte zu Doppelzahlungen kommen. Eine andere Möglichkeit, um kurzfristig an Geld zu kommen, ist laut Erdei ein Darlehen des Studierendenwerks: Wer in finanzielle Notlage gerät, kann dort bis zu 1.200 Euro zur Überbrückung bekommen.

Studentin Subarna, die im August BAföG beantragt hat, hat beim Amt nachgefragt, was sie denn machen soll, solange das Geld nicht kommt. Ihre Sachbearbeiterin empfohl ihr einen Kredit zu beantragen. Der Studierendenrat sieht das kritisch. Durch die extremen Zinsen sei das keine wirkliche Alternative, sagt Pressesprecher Elias Šandor. Der Dachverband der Deutschen Studierendenwerke nennt die Erhöhung des Zinssatzes sogar einen "handfesten sozialpolitischen Skandal".

Bund plant BAföG-Kürzungen

Der Studierendenrat kritisiert auch, dass bald beim BAföG eingespart werden soll. Knapp 1,4 Milliarden Euro plant der Bund in seinem Haushaltsentwurf für 2024, um Studierende zu unterstützen - 2023 waren es noch knapp 1,8 Milliarden.

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