Im Rollstuhl ist Andreas Braun zu einer Schulbank gekommen, um zwei Schülern ein Problem der Trigonometrie zu erklären.

Nach Feuerwehr-Unfall nie aufgegeben

Rollstuhl? Kein Hindernis! Andreas Braun aus Neustetten beweist es

Stand
Autor/in
Peter Binder
Peter Binder ist Reporter für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

Als junger Mann hat er Brände gelöscht. Doch dann, bei einem Einsatz, stürzte er in die Tiefe. Feuerwehr-Kommandant konnte er danach nicht mehr werden. Aber sehr viel mehr: ein Vorbild für andere.

Als Andreas Braun ein junger Mann war, hatte er bei einem Feuerwehreinsatz einen folgenschweren Unfall. "Das ist also wahrscheinlich was Endgültiges", dachte er an jenem Tag vor knapp 20 Jahren, als er in der BG Unfallklinik in Tübingen von der Intensivstation auf die Station Q verlegt wurde. Q für Querschnittsgelähmte. Er hatte überlebt, das war erst einmal das Wichtigste. Aber an den Gedanken, künftig auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein, musste er sich erst noch gewöhnen.

Andreas Braun im Rollstuhl und ein Feuerwehrmann vor dem Feuerwehrhaus in Neustetten-Wolfenhausen
Seine Verbindung zur Feuerwehr ist durch den Unfall nur noch stärker geworden, sagt Andreas Braun. Schließlich haben ihm die Kameraden zurück ins Leben geholfen.

Über sieben Meter war er in die Tiefe gestürzt, bei einem Brand in seinem Heimatort Neustetten (Kreis Tübingen). Vermutlich beim Versuch, von der Feuerwehrleiter durch ein Fenster in das brennende Haus zu steigen. Genau kann er sich nicht erinnern.

Trotz Rollstuhl: Blick nach vorne statt Verzweiflung

Warum ich? Natürlich hat er sich damals diese Frage gestellt, er war gerade Anfang zwanzig. Lächelnd fügt er hinzu: Das hilft aber nichts. Er wollte nach vorne schauen, ins Leben zurückkehren. Dabei halfen ihm zum Beispiel sein Bruder und seine Kameraden von der Freiwilligen Feuerwehr.

Andreas Braun mit seiner Schwägerin Stefanie Braun und deren Kindern am Küchentisch. Er sitzt im Rollstuhl, weil er vor vielen Jahren einen Feuerwehr-Unfall hatte.
Familie ist Andreas Braun sehr wichtig. Seine Schwägerin kannte ihn schon vor dem Unfall, für seine Nichten und Neffen gehört der Rollstuhl schon immer zum Alltag.

Feuerwehr baut Wohnung von Andreas Braun rollstuhlgerecht um

Ein Jahr dauerte es, bis er nach dem Unfall zurück nach Hause konnte. Erst Krankenhaus in Tübingen, dann Reha in Bad Wildbad (Kreis Calw). Als er dann zurückkam, war sein elterliches Haus rollstuhlgerecht umgebaut. Nach Feierabend und an Wochenenden hatten die Feuerwehr-Kameraden abgerissen, gemauert, betoniert. Und ihm auch Dinge ermöglicht, die keine Versicherung bezahlt hätte. Zum Beispiel konnte er nun mit dem Auto in die ehemalige Scheune fahren und mit dem Rollstuhl direkt weiter in den Wohnbereich.

Musikinstrument für Rollstuhlfahrer: Mundstück tiefer

Auch im Musikverein, der ihm immer wichtig war, konnte er gleich wieder loslegen. Seine Tuba war bereits umgebaut. Da er sie nicht mehr mit den Knien anheben kann, um ans Mundstück zu kommen, hatte der Dirigent organisiert, dass sein Mundstück ein paar Zentimeter nach unten versetzt wurde. So kam es, dass er bei der ersten Probe nach seiner Rückkehr schon wieder mitspielen konnte.

Andreas Braun im Proberaum des Musikvereins mit seiner Tuba
Seine Tuba konnte Andreas Braun sofort wieder spielen, als er zurück in Neustetten-Wolfenhausen war. Der Dirigent des Musikvereins hatte sie für ihn umbauen lassen.

Sein Studium war durch den Unfall unterbrochen. Um es abzuschließen, brauchte er länger als andere, erzählt er. Aber er hat es geschafft, unterrichtet inzwischen Mathe und Geschichte an einem Rottenburger Gymnasium. Er kann gut erklären, sagen seine Schüler. Und, dass er eine Vorbildfunktion für sie habe, weil man an ihm sieht, was mit einer Behinderung alles möglich ist.

Andreas-Braun-Stiftung gegründet

Irgendwann ist Braun in den Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter Menschen (LSK) eingetreten. Dort hat er festgestellt, dass andere viel schlechter dran sind als er selbst. Dass man dann schaue, wie man denen helfen kann, sei doch ein natürlicher Trieb, sagt er. Inzwischen ist er nicht nur Vorstandsvorsitzender im Verband, er hat auch eine Stiftung gegründet. Sie hilft Menschen, die wegen einer Behinderung oder Krankheit in Not geraten sind.

Ohne den Unfall wäre Braun jetzt vermutlich Feuerwehr-Kommandant, meint er. Sein Vater war das auch schon. Aber im Rollstuhl geht das natürlich schlecht. Stattdessen ist er nun stellvertretender Bürgermeister in Neustetten, war Stimmenkönig bei der jüngsten Kommunalwahl. Da hat er den alten Kameraden beim Lagerfeuer ein Bier ausgegeben. Er sieht sich nach wie vor als Feuerwehrmann. "Die Feuerwehr kann ja nichts dafür", sagt er. Unfälle passieren.

Und die Kameraden, das seien ja schließlich die Menschen, die ihm geholfen haben, zurück ins Leben zu finden. Sie und seine Familie, die Leute aus dem Musikverein und viele Menschen in seinem Dorf.

Was heißt schon Behinderung?

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