Pestizide, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, werden von Menschen in ganz Europa über Trinkwasser und Nahrungsmittel aufgenommen.

Lockerungen bei Trinkwasser-Vorgaben im Elsass

Straßburger Wissenschaftler finden Pestizide in jeder dritten Haarprobe

Stand
Autor/in
Christine Veenstra

Straßburger Chemiker haben Haare aus ganz Europa auf Pestizide geprüft und verlangen, den Einsatz zurückzufahren. Im Elsass könnte die Belastung aber noch zunehmen.

Menschen aus 15 europäischen Ländern haben mitgemacht und Haarsträhnen zum "Pestizid-Check-up" nach Straßburg geschickt. Untersucht hat sie eine Firma für Umweltanalysen im Auftrag von "Good food, good farming", einem internationalen Netzwerks für nachhaltige Landwirtschaft. Mittlerweile haben die Beteiligten nun die Ergebnisse veröffentlicht: Fast ein Drittel der 300 Haarproben war mit mindestens einem von 30 getesteten Pestiziden belastet.

Auch Bio-Esser mit Pestizid belastet

Die Resultate der Studie sind nicht repräsentativ, lassen also keine Rückschlüsse auf eine größere Personengruppe zu. Für die getesteten Haarproben stellt der wissenschaftliche Leiter der Studie, der Straßburger Chemiker Vincent Peynet, aber fest, dass Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, stärker durch Pestizide belastet waren als ander Teilnehmer.

Im Vergleich zwischen Stadt- und Land-Bewohnern seien in den Haarproben der Städter seltener Pestizide gefunden worden. Außerdem waren Menschen weniger belastet, die angaben, nur Bio-Lebensmittel zu essen. Doch auch sie konnten den Pestiziden nicht ganz entkommen.

Vincent Peynet vom Straßburger Unternehmen Expozom
Vincent Peynet vom Straßburger Unternehmen Expozom

Auch über das Trinkwasser könnten die Menschen Pestizidrückstände aufnehmen, sagt Vincent Peynet und befeuert damit eine aktuelle Diskussion im Elsass.

In Soufflenheim, Brumath, Benfeld, Hoert und sechs weiteren Kommunen des nördlichen Elsass im Département Bas-Rhin sind nämlich Pestizidrückstände im Trinkwsaser entdeckt worden, die der Umweltschutzorganisation Alsace Nature Sorgen machen.

"Das Wasser entspricht nicht mehr den Vorgaben. Damit es weiter getrunken werden kann, brauchte man einen Erlass der Präfektur."

Gesundheitsbehörde stuft Risiko herab

Es geht um Abbauprodukte des Herbizids S-Metolachlor. Laut Reininger sind inzwischen zehn Ausnahmegenehmigungen erteilt worden, die den Gebrauch des belasteten Wassers weiterhin möglich machen. Die Präfekturen griffen damit einer Entscheidung der französischen Gesundheitsbehörde Anses vor, sagt Reininger.

"Die Anses hat bestimmte Abbauprodukte des Herbizids S-Metolachlor neu bewertet. Bisher galten die Substanzen in Frankreich als relevant, als mögliches Gesundheitsrisiko. Jetzt heißt es, sie sind nicht relevant, sie stellen kein Risiko dar und müssen deshalb auch die bisherigen Grenzwerte fürs Trinkwasser nicht einhalten.“

Daniel Reininger von Alsace Nature
Daniel Reininger von Alsace Nature

Gefahr fürs Grundwasser

Dass sich der Einsatz von S-Metolachlor inzwischen vielerorts im Elsass auf die Trinkwasserqualität niederschlägt, liegt am Maisanbau. Laut Konstantin Kuppe, Experte im Umweltbundesamt, ist der Wirkstoff für diese Kultur das am meisten eingesetzte Herbizid. Und ein Risiko für das Grundwasser.

"Die Abbauprozesse finden im Boden statt, aber wenn die Stoffe einmal ins Grundwasser gelangt sind, sind die sehr viel langlebiger", erklärt Kuppe.

Umweltbundesamt nimmt Stellung

Das Umweltbundesamt will das Mais-Herbizid am liebsten von den Äckern verbannen. Doch im Alleingang geht das nicht. Ein Verbot wäre nur möglich, wenn das Mittel in der EU keine neue Genehmigung bekäme. Aktuell wird die geprüft, und das Umweltbundesamt hat Stellung genommen. "Aus Sicht des Umweltbundesamtes wäre der Wirkstoff nicht mehr genehmigungsfähig wegen der Risiken für das Grundwasser", sagt Konstantin Kuppe.

Entscheidet die zuständige EU-Stelle anders, wird S-Metolachlor auch in Deutschland weiter eingesetzt. Das Umweltbundesamt wäre machtlos - so wie Verbraucherinnen und Verbraucher im Elsass. Statt einem Mikrogramm pro Liter müssen sie dann ein Vielfaches von möglicherweise gesundheitsgefährdenden Abbauprodukten des Wirkstoffs im Trinkwasser hinnehmen. "So kann es nicht weitergehen", kritisiert Daniel Reininger.

"Das Wasser gehört uns allen. Es ist unser Erbe, eine Sicherheit für unsere Enkel, die wir bestmöglich schützen müssen."

Alsace Nature hat inzwischen entschieden, das Vorgehen der Präfekturen vor Gericht anzufechten – zum Schutz von Europas größtem Grundwasserreservoir und zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher.  

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