Klagen über mehr Gewalt, gestiegenes Aggressionspotenzial und Drogenkonsum: Seitdem die Stadt Stuttgart ein bestimmtes Haus in der Leonhardstraße gekauft hat, sei die Situation im Viertel immer schlimmer geworden, sagen Anwohnerinnen, Anwohner und Gewerbetreibende.
Bar-Betreiber: "Fühle mich immer weniger wohl"
Patrick Witz betreibt die "FouFou"-Bar im Leonhardsviertel. Den Kiez kennt er seit Jahren. Aber wohl fühlt er sich immer weniger. "Das Viertel war schon immer für Prostitution und Drogen bekannt, aber in den vergangenen Monaten bekommen wir immer mehr echte Probleme", sagt Witz. "Tags laufen inzwischen komische Gestalten durch die Gegend, und abends nehmen die Begegnungen mit Junkies zu. Und die Menschen werden immer gewaltbereiter."
Eins der Hauptprobleme entsteht laut Witz in einem der Häuser in der Leonhardstraße. Bei Anwohnern gilt es als "Junkie-Haus", in dem nicht nur Drogen konsumiert, sondern auch verkauft werden sollen. Das Haus sei jahrelang in Privatbesitz gewesen, inzwischen gehöre es der Stadt Stuttgart. "Der alte Besitzer kam aus dem Rotlichtmilieu und hatte hier Gaststätten. Der hat dafür gesorgt, dass sich die Junkies einigermaßen anständig verhalten", erzählt Witz. Jetzt tue das niemand mehr.
Menschen im Leonhardsviertel gehen Probleme selbst an
"Das Viertel war schon immer bunt, und das wollen wir so auch. Aber inzwischen müssen wir immer öfter die Polizei rufen", sagt Witz. Auf den Straßen und in einigen Häusern komme es immer wieder zu Gewalt. Junkies konsumierten laut Augenzeugen unterschiedliche Drogen in der Öffentlichkeit. Auch Passantinnen und Passanten würden mitten am Tag angegriffen.
Menschen im Kiez versuchen, die Probleme selbst in die Hand zu nehmen. Vor wenigen Wochen lud Bordell-Betreiber John Heer Anwohnerinnen, Anwohner und Gewerbetreibende aus dem Leonhardsviertel zu einem Bürgerdialog unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Auch die Polizei nahm an dem Treffen teil, und Vertreter der Stadt wurden eingeladen.
Polizei Stuttgart erhöht Präsenz im Leonhardsviertel
Auf SWR-Anfrage teilte die Polizei mit, dass die Probleme im Leonhardsviertel bekannt seien. Insbesondere seit des Bürgerdialogs sei die Polizei mit mehr Einsatzkräften vor Ort. Das berichten auch Menschen in der Leonhardstraße. Seither seien die Drogenabhängigen von den Straßen verschwunden.
Stadt Stuttgart: "Uns liegen keine Informationen vor"
Auch die Stadt Stuttgart antwortete auf SWR-Anfrage nur schriftlich. Der Stadt lägen keine Informationen vor, die die Schilderungen der Anwohner unterstreichen. Auch das Haus, in dem die Anwohnerinnen und Anwohner Drogenhandel vermuten, sei der Stadt nur als Pensionsbetrieb bekannt.
An dem Bürgerdialog habe man nicht teilgenommen. Die Entwicklung des Gebiets werde im Bezirksrat, im Unterausschuss Leonhardsviertel und den entscheidenden Gremien der Stadt verhandelt.
Unverständnis bei Anwohnerinnen und Anwohnern
Aus dem Dachgeschoss des Hauses, das im Zentrum des Streits im Viertel steht, würden aber immer noch Drogen verkauft, sagen Anwohnerinnen und Anwohner. Auch wenn sich die Situation im Leonhardsviertel verbessert habe, von der Stadt fühlen sich einige im Stich gelassen. "Es fehlt eine betreuende Instanz", sagt auch Patrick Witz. "Das Ordnungsamt und die Stadt interessieren sich nicht für das Viertel. Darunter leiden alle, die sich hier aufhalten."
Sowohl am Tag als auch in der Nacht stünden immer wieder Menschen vor dem "Junkie-Haus". Dem SWR liegen mehrere Videoaufnahmen vor. Sie zeigen, wie Menschen vor dem Haus stehen und Namen rufen. Kurz darauf öffnet sich im Dachgeschoss ein Fenster. Nach einem kurzen Blick wirft ein Mann etwas aus dem Fenster. Anwohner vermuten: So werden hier Drogen gehandelt.