Rudolf Cisar landete im Gefängnis. Er konnte eine Geldstrafe wegen sogenannter "Erschleichung von Leistungen" nicht bezahlen. Zuvor war er mehrfach schwarzgefahren.
Früherer Obdachloser: Schwarzfahren wegen Geldmangels
Der 52-Jährige hatte einst einen Job und eine Wohnung. Doch dann wurde ihm die Unterkunft wegen Eigenbedarf gekündigt und er verlor seinen Job. Cisar stürzte ab. Ganz nach unten. Er lebte ohne festen Wohnsitz auf der Straße und von der Hand in den Mund. "Auf der Straße ist das Leben halt etwas teurer, als wenn ich eine Wohnung habe und mir ein paar Nudeln für ein paar Cent kochen kann."
Wenn er zum Jobcenter, zum Arzt oder zu einem neuen Schlafplatz musste, fuhr er mit öffentlichen Verkehrsmitteln - schwarz. Weil ihm für die Fahrkarte das Geld fehlte, sagt er. "Man ist mit keinem guten Gewissen durch die Gegend gefahren. Aber es blieb mir ja gar nichts anderes übrig." Mehrfach wurde er erwischt. Dass ihm eine Geldstrafe und irgendwann sogar Gefängnis drohte, wusste er nicht. Entsprechende Schreiben erreichten ihn nicht. Er hatte ja keine feste Adresse, an die diese Briefe hätten geschickt werden können.
Vom Wohnheim nach Stammheim ins Gefängnis
Doch dann kam die große Keule. Als Rudolf Cisar über die Evangelische Gesellschaft (eva) in einem Stuttgarter Wohnheim wieder ein Zimmer bekommen hatte, hatte er auch wieder eine offizielle Adresse. Dort stand eines morgens um sechs Uhr plötzlich die Polizei vor der Tür. Diese präsentierte ihm einen Gerichtsbeschluss: entweder er zahlt sofort 860 Euro (Strafe fürs Schwarzfahren, Mahngebühren und Gerichtskosten) oder er muss mitkommen. Kein guter Start in diesen Tag: "Weil ich das nicht auf einen Schlag zahlen konnte, hat's geheißen: Bitte kommen Sie mal mit. Das war dann der nächste Weg nach Stammheim", sagt Cisar rückblickend. Die Strafe abzuarbeiten oder Ratenzahlung - das ging nicht mehr. Das Gerichtsurteil war ja schon da.
Vier-Mann-Zelle mit drei Fremden
Im Gefängnis in Stammheim kam er zu drei weiteren Männern in eine Zelle. Keine einfache Situation. Denn es waren Leute, die schon länger saßen. "Die hatten schon einen leichten Koller. Die fangen dann abends an zu schreien und so Geschichten - schon schwierig", sagt Cisar. Nach rund vier Wochen konnte der gelernte Industrieelektroniker arbeiten - an einer Drehmaschine. Glück für ihn: ein etwas anspruchsvollerer Job, die Zeit geht vorbei.
Bevor er in Stammheim landete, war dem 52-Jährigen nicht bewusst, dass Schwarzfahren eine Straftat ist. Dafür ins Gefängnis? "Auf den ersten Blick kam mir das auch etwas überzogen vor", meint Cisal. Er fragte nach, was so ein Inhaftierter am Tag kostet. Um die 140 Euro wurde ihm gesagt.
Nach dem Gefängnis war vor der erneuten Obdachlosigkeit
Nach 86 Tagen wurde Cisar aus dem Gefängnis entlassen. Und dann ging alles von vorne los. Sein bisheriges Zimmer war weg. "Man ist alleine gelassen. Man wird auf gut Deutsch vor die Tür gesetzt. Und jetzt guck! Gehen Sie zum Jobcenter, beantragen Sie alles wieder neu. Man bekommt das Geld für die Fahrkarte, dass man da hinfahren kann und das war's." Er war wieder obdachlos.
Über eine Notübernachtung kam er ins Carlo-Steeb-Haus der Caritas. Dieses bietet wohnungslosen Männern in rund 170 voll möblierten Zimmern ein Zuhause. Dort hat Cisar jetzt ein Zimmer und einen sinnvollen Tagesablauf in der Werkstatt durch das Restaurieren von Möbeln, durch Gartenarbeit und nebenher macht er Kunstwerke. Ab und zu sei schon die Angst da, das Zimmer wieder zu verlieren. Rudolf Cisar hat keine Lust, "da wieder reinzurutschen in die Szene, die einen wieder runterzieht".
Caritas fordert andere Gesetzgebung
Im Carlo-Steeb-Haus der Caritas sieht man Veränderungsbedarf bei der Gesetzgebung zum Thema Schwarzfahren. Da gebe es eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Delikten. Die Strafe abarbeiten oder in Raten zu zahlen, sei eine gute Möglichkeit. Aber die komplette Summe auf einmal zu zahlen, meist sei das für die Klienten gar nicht möglich, weil sie zu wenig Geld hätten.
Annette Böhme, Leiterin des Carlo-Steeb-Hauses der Caritas fordert, dass wer zum Beispiel nur knapp 100 Euro Taschengeld im Monat habe, sollte eine kostenlose Fahrkarte bekommen. "Damit wäre schon viel gelöst. Dann würden die Klienten gar nicht in solche Schwierigkeiten kommen. Und damit wäre beiden sehr geholfen."