Nach dem Anschlag Ende März auf eine Konzerthalle in Moskau hat sich die Sicherheitsfrage zur Fußball-Europameisterschaft in Deutschland und somit auch in Stuttgart als Host City nochmal verschärft.
Die Stadt und die Stuttgarter Polizei arbeiten schon seit Monaten an Sicherheitskonzepten für die Großveranstaltungen im Juni und Juli: die Fan-Zonen in der Innenstadt, das Public Viewing auf dem Schlossplatz und die fünf Spiele, die in Bad Cannstatt im Stadion ausgetragen werden - darunter Deutschland gegen Ungarn und eine Viertelfinalpartie.
Fan-Gewalt, Cyberangriffe, Demos: Damit rechnet die Polizei
Ein Großereignis wie die Europameisterschaft stellt die Sicherheitskräfte immer vor Herausforderungen. Darauf werde sich eigentlich schon seit der Bewerbung von Deutschland für die EM vorbereitet, sagt ein Sprecher der Stadt Stuttgart.
Konkret werden da laut Daniela Treude von der Stuttgarter Polizei zum Beispiel die allgemeine Fußballgewalt in den Blick genommen, aber auch die "abstrakte Gefahr terroristischer Anschläge". Mögliche Cyberangriffe spielen ebenso eine große Rolle. Außerdem könnte es zu Protesten oder Demonstrationen am Rande der EM kommen.
Risiko durch die Teams, die in Stuttgart spielen
Solche Überlegungen kommen gerade seit der Qualifikation der Ukraine mit ins Spiel: Die ukrainische Nationalmannschaft wird am 26. Juni in Stuttgart gegen Belgien spielen. Dafür wolle die Polizei besonders für eine "sichere Reisebewegung und einen sicheren Aufenthalt sorgen", sagt Polizeisprecherin Daniela Treude. Allerdings man habe auch die weiteren Spielpartien im Blick.
Außerdem könnten die Fans der Ungarn für Spannung sorgen, wenn deren Team am 19. Juni in Stuttgart gegen Deutschland antritt. Die Ultra-Fans der Ungarn sind schon bei der EM 2021 negativ aufgefallen und der ungarische Verband wurde von vom europäischen Fußballverband UEFA dafür abgestraft.
Aber laut einem Sprecher der Stadt Stuttgart gibt es grundsätzlich verschiedene Risikoanalysen für die verschiedenen Spielkombinationen, egal ob mit Spiel im Stadion oder nur beim Public Viewing. Dementsprechend werden die Sicherheitskonzepte abgestimmt.
Stuttgart baut seit Jahren Poller in der Innenstadt als Terrorabwehr
Um die Fans in der Innenstadt und am Stadion zu schützen, bereitet sich die Stadt schon seit Jahren vor. Seit den tödlichen Anschlägen mit Lastwagen in Berlin und Nizza (beides 2016) hat die Stadt ohnehin in ihre Terrorabwehr investiert. In der Stadt wurden um große Plätze feste und versenkbare Poller eingebaut.
"Man muss nicht mehr Angst haben oder vorsichtiger sein als sonst als Fan", versichert Bärbel Mohrmann, die schon seit Jahren für die Stadt arbeitet und früher Weindorf-Chefin war. Sie ist bei der EM im Sommer in Stuttgart "Leiterin des Protokolls". Sicherheitskonzepte und Risikoanalysen gehören bei Großveranstaltungen zum Business." Für das Weindorf in Stuttgart habe man sowas ja auch jedes Jahr. Die Polizei kenne sich mit Großveranstaltungen aus.
Auch im Gebiet um das Stadion wurde die Zahl der Poller erhöht. Außerdem wird es rund ums Stadion auch "stationäre Zufahrtssperren" geben, die Fahrzeuge abhalten sollen und auch schon bei Ligaspielen genutzt werden, heißt es von der Stuttgarter Polizei.
EM-Mitarbeiterin verlässt sich auf Sicherheitskräfte
Bärbel Mohrmann kümmert sich für die Stadt um viele Dinge rund um die VIPs bei der Europameisterschaft, also wichtige Gäste wie Politiker. In dem Bereich sei man immer der Gefahr ausgesetzt, egal wie die politische Sicherheitslage gerade ist. Sie sei dabei dieses Mal aber nicht mehr aufgeregt oder entspannt als sonst: "Ich verlasse mich auf unsere Sicherheitseinheiten."
Mohrmann: Größere Gruppen sind immer ein gewisses Risiko
Beim Public Viewing auf dem Schlossplatz werden laut Polizei wohl an die 30.000 Menschen Platz haben. Außerdem bieten die Fan-Zonen auf dem Schillerplatz, Marktplatz und Karlsplatz ebenfalls Aktivitäten an. Ob hier Gefahr lauert? Dazu sagt Bärbel Mohrmann: "Wenn man größere Gruppen aufsucht, dann gibt es immer ein gewisses Risiko. Sonst muss man da zuhause bleiben."
Mohrmann verweist auf eine "gute und erfahrene Polizei" in Stuttgart. "Es gibt Sicherheitskonzepte, die schon bestehen und angepasst werden." Zudem wisse man ja eigentlich, dass man zu so einer Veranstaltung kein Taschenmesser mitnimmt, keinen großen Rucksack und alles Unnötige zuhause lässt, so Mohrmann. "Das kennt man vom Flughafen und von Konzerten und sollte es so dann auch machen."
So will die Polizei die Fans und Mannschaften in Stuttgart schützen
Um die Fan-Zonen, das Stadion und die Wege dorthin so sicher wie möglich zu machen, wird die Polizei zum Beispiel die bereits angebrachten städtischen Sicherheitskameras nutzen. Es gibt ein Flugverbot über der Stadt. Das wird die Polizei mit Drohnen auch kontrollieren und dabei selbst den Luftraum überwachen und schützen, versichert die Polizei Stuttgart auf SWR-Anfrage.
Außerdem wird laut Polizei-Sprecherin Daniela Treude ein Innovationsprojekt verwendet, um die Sicherheit bei der EM weiter zu erhöhen. Dieses heißt "Escape Pro" und kann Menschenströme simulieren. Dadurch können Wege für mögliche Evakuierungen noch besser erkannt werden. Die Polizei kann so mögliche Engstellen voraussehen und dementsprechend planen - egal ob für einen Zwischenfall verursacht von Menschen oder für ein Unwetter.
Innenminister Strobl sieht keinen Grund zur Panik
Nach dem Anschlag in Moskau hatte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärt, dass er mit Blick auf die Europameisterschaft keinen Grund zur Panik sehe: "Selbstverständlich kann man Veranstaltungen besuchen."
Eine hohe abstrakte Gefährdungslage durch Terror sei grundsätzlich da, ergänzte der Minister: "Leider fehlt mir nicht die Fantasie, dass sich islamistische Terrororganisation auch bei uns aussuchen." Die Beamten hätten das aber im Blick. Generell sei erhöhte Wachsamkeit angesagt.
Die Sicherheitslage wird ständig neu bewertet und in der Planung nachjustiert, versichert Strobl. Bisher liegen aber keine konkreten Hinweise auf Gefährdungen in Baden-Württemberg vor. Stand März gebe es also keinen Grund, als Zuschauer nicht ins Stadion zu gehen.
Mahnende Worte nach Anschlag nahe Moskau "Islamistische Gefährder": BW-Innenminister warnt nach Terror-Angriff vor Nachahmern
Die Zahl "islamistischer Gefährder" in Baden-Württemberg soll laut BW-Innenminister Strobl im mittleren zweistelligen Bereich liegen. Wenn auch abstrakt - die Gefährdungslage sei nach wie vor hoch.
Polizei und Sicherheitskräfte üben zusammen Ernstfall
Die Polizei hat laut Innenminister Strobl auch schon in mehreren großangelegten Übungen komplexe Szenarien im Stadion durchgespielt und gemeinsam den Ernstfall trainiert. Auch in Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg) wurde vor Ostern für den Katastrophenfall bei der EM geübt. An dem Einsatz waren rund 150 Teilnehmende mit 40 Einsatzfahrzeugen beteiligt. Die Übung soll für einen möglichen Ernstfall während der EM-Spiele vorbereitet und verlief laut Polizei sehr positiv.