Moni und Bernadette drängeln sich am Fressgitter und können es kaum erwarten, bis Torsten Kaiser das Futter aus dem Eimer vor ihnen ausleert. Moni und Bernadette sind schottische Hochlandrinder, beide hoch trächtig, bald gibt es Nachwuchs auf dem Hof der Familie Kaiser im Limbacher Ortsteil Balsbach (Neckar-Odenwald-Kreis).
16 Tiere hält Kaiser, eine bunt gemischte Herde aus verschiedenen Rassen. Ganzjährig können die Tiere zwischen offener Weide und Stall wählen, immer ist der Deckbulle dabei. Hochwertiges Fleisch aus guter Aufzucht will Torsten Kaiser erzeugen, den Tieren soll es bei ihm so gut wie möglich gehen.
Schon seit Jahren vermarktet Kaiser sein Rindfleisch direkt. Geschlachtet wurde und wird beim Metzger ein Dorf weiter. Bisher hieß das: Die Tiere werden auf einen Hänger verladen, dann werden sie zum Metzger gefahren, dort wieder ausgeladen, getötet und zerlegt.
Eine Prozedur, die den Tieren viel Stress bereitete – und nicht nur ihnen: Besonders die Hochlandrinder mit ihren ausladenden Hörnern können in der Not zur echten Gefahr auch für Kaiser und seine Helfer werden. Der Transport sei immer stressig gewesen, sagt Kaiser, "und das schadet auch der Fleischqualität".
Eine Initiative der Bio-Musterregion Neckar-Odenwald
Dank einer Initiative der Bio-Muster-Region Neckar-Odenwald ist das jetzt Vergangenheit. Neuerdings werden die Rinder direkt auf dem Hof getötet, wo sie sich wohlfühlen, wo sie aufgewachsen sind, ohne Transport. Beim Fressen im Stall oder auf der Weide werden sie betäubt, dann getötet, "der ganze Stress beim Transport und im Schlachthaus fällt weg", sagt auch Ruth Weniger von der Bio-Musterregion Neckar-Odenwald.
Ruth Weniger hatte die Idee, ein "Schlachtmobil" anzuschaffen, mit dem das tote Tier zum Schlachten transportiert wird. Dieser spezielle Anhänger wurde vom Land im Rahmen eines Tierwohl-Programms gefördert, sieben Viehhalter aus dem Neckar-Odenwald-Kreis gründeten eine GbR.
Auch Bernhard Knörzer macht mit: der Bürgermeister aus Neunkirchen (Neckar-Odenwald-Kreis) hält privat eine Herde Angus-Rinder, die immer draußen oder im Offenstall ist, bis es ans Schlachten geht. "Die letzten zwei Stunden ihres Lebens haben die Tiere bisher enormen Stress gehabt, das können wir mit unserer Initiative und dem Schlachtmobil jetzt vermeiden", ist er sicher. "So kann ich das Fleisch meiner Tiere mit gutem Gewissen essen und vermarkten. Lieber weniger Fleisch, aber dafür mit deutlich mehr Tierwohl und von besserer Qualität".
Nicht alle Schlachthöfe nehmen tote Tiere an
Große Schlachthöfe nehmen aber häufig keine bereits getöteten Tier an - sie stören den normalen Arbeitsablauf. Es musste also ein Schlachtbetrieb her, der sich auf die Idee von Ruth Weniger und den Rinderhaltern einließ. Der wurde im Nachbardorf Limbach-Krumbach gefunden, ohne ihn wäre die Idee mit dem Schlachtmobil nicht machbar gewesen. Jetzt also teilen sich die Rinderhalter das "Schlachtmobil" und koordinieren die Einsätze über eine WhatsApp-Gruppe.
"Das Interesse der Rinderhalter in der Region ist groß", sagt Ruth Weniger, "es können sich jederzeit weitere Landwirte beteiligen!". Gegebenenfalls könne auch ein weiteres Mobil angeschafft werden.