Hector-Institut für Künstliche Intelligenz in der Psychiatrie

Mannheim: Wie KI bei psychischen Erkrankungen helfen kann

Stand
Interview
Wolfgang Kessel

Kann Künstliche Intelligenz (KI) helfen, psychische Erkrankungen zu behandeln oder zu verhindern? Damit beschäftigen sich künftig Forscher in Mannheim in einem neuen Institut.

Am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim (ZI) ist am Freitag offiziell das Hector-Institut für Künstliche Intelligenz in der Psychiatrie eröffnet worden. Die Hector-Stiftung fördert das Institut mit rund 11,5 Millionen Euro.

Ziel des neuen Instituts: Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und speziell entwickelten Algorithmen die Ursachen psychischer Erkrankungen aufzudecken. Im Fokus stehen dabei laut ZI biologische und Umwelt-Faktoren, die Einfluss auf das Erkrankungsrisiko im Laufe des individuellen Lebens haben, sowie die zugrunde liegenden Mechanismen.

Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg, ZI-Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor der ZI-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im SWR-Interview.

SWR: Herr Meyer-Lindenberg, wie kann Künstliche Intelligenz die Ursachen psychischer Erkrankungen aufdecken?

Meyer-Lindenberg: Da gibt es viele Möglichkeiten. Eines unserer Hauptthemen ist, dass psychische Erkrankungen recht komplex sind. Da gibt es individuelle Risikofaktoren, aber auch individuelle Schutzfaktoren. Um die zu verstehen, muss man Informationen aus verschiedenen Bereichen zusammenziehen - aus der Klinik, aus dem, was Patienten uns sagen, aber beispielsweise auch aus der Bildgebung. Das sind dann biologische, aber auch genetische Daten und Informationen. Künstliche Intelligenz ist besonders gut darin, in solchen großen Datenmengen, Muster zu erkennen. Diese Muster wollen wir dann auf die Ursachen für psychische Erkrankungen beziehen. Ziel ist es, für die Patienten eine jeweils passende Therapie aus diesen Daten herzuleiten.

SWR: In welcher sicht- oder greifbaren Form kommt Künstliche Intelligenz im ZI vor?

Meyer-Lindenberg: Beispielsweise haben wir eine Reihe von Forschungsprojekten, in denen Therapien über die KI, insbesondere für Psychotherapien, auf das Smartphone von Patienten gebracht werden. Da hat man tatsächlich die Künstliche Intelligenz direkt in der Hand. Manchmal geht das aber auch indirekt. Etwa, wenn Informationen, die vom Patienten oder von den Forschern kommen, von der Künstlichen Intelligenz berechnet werden, auf einem großen Rechnerverbund. Das ist eine speziell darauf ausgerichtete IT-Infrastruktur.

SWR: Es gab ja bereits Forschungsprojekte rund um künstliche Intelligenz in der Psychiatrie, auch am ZI. Was haben die Forscher denn da schon rausgefunden?

Meyer-Lindenberg: Wir haben ein Projekt namens "Relator". Da wird künstliche Intelligenz dazu verwendet, um mit Patienten sprechen zu können, deren Sprache der Therapeut nicht spricht. Das haben wir ursprünglich mit Geflüchteten aus dem arabischen Raum gemacht und übertragen das jetzt auf ukrainische Geflüchtete. Da ist die künstliche Intelligenz dann so etwas wie eine Übersetzungshilfe. Anderes Beispiel: Das Projekt "Commitment". Da geht es darum, zu verstehen, warum Menschen mit psychischen Erkrankungen häufig auch an körperlichen Erkrankungen wie Diabetes, Übergewicht oder Bluthochdruck leiden. Es geht darum, die dafür notwendigen biologischen Informationen zu entschlüsseln.

SWR: Kann KI auch vorbeugend eingesetzt werden, um eine psychische Erkrankung zu vermeiden?

Meyer-Lindenberg: Das hoffen wir. Gerade das Verständnis individueller Risikofaktoren bietet natürlich Ansatzpunkte auch für vorbeugende Behandlungen. Beispielsweise machen wir Projekte mit Jugendlichen, die besonders belastet sind und überprüfen dort präventive psychotherapeutische Ansätze, die wir dann über ein Smartphone den Patienten zielgenau zur Verfügung stellen.

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SWR: Welchen Vorteil bringt das neue Hector-Institut für Künstliche Intelligenz in der Psychiatrie am ZI in Mannheim?

Meyer-Lindenberg: Das Hector-Institut ist eine enorm großzügige Stiftung des Ehepaars Hector über ihre Stiftung. Dadurch haben wir die Möglichkeit, eine Professur und zwei Junior-Gruppen in diesem Bereich einzurichten und diese Kollegen dann auf einer wirklich hervorragenden IT-Infrastruktur arbeiten zu lassen. An dem neuen Institut wird ganz viel zusammengezogen, für das wir bislang im Prinzip gute Ideen hatten, aber nicht die notwendigen Ressourcen. Es wird uns jetzt ermöglicht, hier auch die besten Köpfe in dem Bereich zu rekrutieren.

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