Das Nein des Bundeskartellamts zum Verbund der Unikliniken Mannheim und Heidelberg war ein herber Schlag für alle Beteiligten. Um den Klinik-Verbund doch noch möglich zu machen, müsste Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine Ministererlaubnis erteilen. Die Mannheimer SPD-Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori ist zuversichtlich. Hierüber und über andere Themen hat sie mit dem SWR gesprochen.
SWR Aktuell: Das Bundeskartellamt hat nein zum Klinikverbund gesagt, weil er eine marktbeherrschende Stellung hätte. Warum glauben Sie, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck das richten wird?
Isabel Cademartori: Also ich bin zumindest so weit guter Dinge, dass ich ihn auch persönlich angeschrieben habe und nochmal auf die Bedeutung dieses Klinikverbundes für die Region, aber auch für den Wirtschaftsstandort hingewiesen habe. Er selbst hat ja auch ein hohes Interesse daran, Medizintechnologie und Pharma-Cluster in Deutschland zu etablieren. Er hat auch viel dafür getan, dass wir jetzt zum Beispiel in Rheinland-Pfalz und hier in der Metropolregion einige große Investitionen hatten in diesem Bereich. Der Klinikverbund wäre eine sinnvolle Ergänzung. Es geht zum einen um eine gute Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung. Deswegen habe ich auch Karl Lauterbach in "cc" gesetzt in meinem Brief. Aber es geht auch um die wirtschaftliche Entwicklung. Und wenn Robert Habeck diesen Argumenten folgen kann, bin ich guter Dinge, dass er uns eine Erlaubnis gewähren wird.
SWR Aktuell: Kommen wir zu den Ereignissen auf dem Mannheimer Marktplatz Ende Mai - wir haben alle gemerkt, dass das was gemacht hat mit der Stadt. Die Stimmung ist danach eine andere gewesen. Welche gesellschaftlichen Folgen hatte der Tod von Rouven Laur? Und welche politischen Folgen?
Isabel Cademartori: Meinem Empfinden nach ist die Mannheimer Stadtgesellschaft nach wie vor sehr betroffen über das, was passiert ist, und zwar die gesamte Mannheimer Stadtgesellschaft, alle Menschen unterschiedlicher Religionen und Herkünfte. Sie sind geschockt und trauern mit der Familie von Rouven Laur. Was die politischen Folgen betrifft, muss man zwei Aspekte sehen. Zum einen natürlich wollen wir, dass es sicher ist in diesem Land. Und dass sich keine Straftäter, die sich hier nicht aufhalten dürften, sich doch hier aufhalten. Und da ist Innenministerin Faeser sehr intensiv dahinter, diese Abschiebungen auch in schwierige Länder wie Afghanistan zu ermöglichen.
Man darf aber hier natürlich auch nicht humanitäre Prinzipien grundsätzlich infrage stellen oder unsere Verpflichtungen aus dem Völkerrecht - wir müssen da sehr gut differenzieren. Ich denke, auch die Menschen hier in Mannheim verstehen das sehr gut. Viele haben Angehörige, die von Menschen mit Migrationshintergrund gepflegt werden. Viele haben Freunde ihrer Schulkinder, wo es auch schon Fälle gab, wo jemand abgeschoben werden sollte, und wo sich dann wirklich eine große Solidarität entwickelt hat und man die Abschiebung noch verhindern konnte. Insofern kommt es bei diesem Thema wirklich auch auf Augenmaß an.
SWR Aktuell: Es ist in der Region nicht immer so einfach mit der Verkehrspolitik. Es gibt viel abzustimmen mit Ludwigshafen, wo liegen denn Ihrer Meinung nach die Probleme für die Stadt Mannheim?
Isabel Cademartori: Die Probleme in der Stadt Mannheim sind die gleichen, die wir im ganzen Bundesgebiet haben, insbesondere da, wo natürlich die Infrastruktur sehr intensiv genutzt wird für wirtschaftliche Tätigkeit. Wir sind eine sehr aufstrebende, wachstumsstarke Wirtschaftsregion und exportorientiert. Aber das bedeutet eben auch, dass die Infrastruktur enorm belastet ist und viel zu wenig investiert wurde in den letzten 20, 30 Jahren. Die staatliche Investitionsquote insgesamt war über sehr lange Zeit viel zu niedrig. Und das ist der Grund, wieso wir jetzt merken, dass es überall bröckelt. Natürlich ist auch ein Großteil der deutschen Infrastruktur nach dem Zweiten Weltkrieg während des Wirtschaftswunders entstanden, den 60er und 70er-Jahren. Und es kommt jetzt alles gemeinsam in die Jahre.
SWR Aktuell: Und wer hat dann da geschlafen – die Stadt oder der Bund?
Isabel Cademartori: Also das kommt immer darauf an – sind das Bundesstraßen oder sind das kommunale Straßen? Aber im Grunde genommen ist das ein gemeinsamer Trend, dass die öffentlichen Haushalte einfach zu wenig in Instandhaltung investiert haben. Auch der Bund hat viel zu wenig in Instandhaltung investiert.
SWR Aktuell: Thema Wahlrechtsreform: Direktmandate sind künftig nicht mehr garantiert. Was halten Sie von der Reform?
Isabel Cademartori: Ich finde sie gut und sinnvoll. Wir haben vor der Wahl versprochen, ich habe auch ganz persönlich versprochen, einer Wahlrechtsreform zuzustimmen, die die Größe des Bundestags begrenzt. Und ich habe Wort gehalten, wir haben Wort gehalten. Jede Reform, die man macht, hat Vor- und Nachteile. Es gibt nicht die eierlegende Wollmilchsau, sonst hätten wir schon in der Vergangenheit eine Lösung gefunden. Und natürlich hat dieses System - jetzt zu sagen wir begrenzen die Anzahl - eben den Nachteil, dass manche Menschen Direktmandate erringen werden und trotzdem nicht gewählt sein werden.
Ich verstehe, dass das auch für Kritik sorgt, aber die Alternative ist, dass wir wieder so einen exponentiell wachsenden Bundestag hätten. Oder wenn wir zu einem Mehrheitswahlrecht gehen, wie in Großbritannien, dann kann im Grunde genommen nur eine oder eine andere Partei gewinnen. Die ganzen Stimmen, die die kleinen Parteien bekommen, die kein Direktmandat bekommen werden, wären dann sozusagen verlorene Stimmen - die würden gar nicht berücksichtigt im Wahlergebnis. Es hat also auch Nachteile, nur auf die Frage zu gucken, wer gewinnt einen Wahlkreis direkt oder nicht?
SWR Aktuell: Wie stehen Sie zum Thema Stationierung von US-Raketen in Deutschland?
Isabel Cademartori: Das ist Teil der Zeitenwende, auch eine Abkehr von vergangener Politik. Viele Abgeordnete waren engagiert dafür, dass wir weniger Waffen in Deutschland stationiert haben, auch keine Atomwaffen, weil wir durch Abrüstungsverträge international versuchen, darauf hinzuarbeiten. Jetzt sind wir in einer neuen Bedrohungssituation mit Russland. Und es gibt keine Anzeichen, dass Russland sich auf eine Abrüstungsdebatte einlässt. Im Gegenteil, es gibt gegenteilige Anzeichen. Und das ist eben eine direkte Reaktion darauf, um unsere Sicherheit zu garantieren. Auch für den Fall, dass in den USA die Wahlen so ausgehen, dass ein Donald Trump uns nicht mehr unsere Sicherheit garantieren kann oder nicht mehr sicher an unserer Seite stehen würde, wie das bislang bei den USA immer der Fall war.
SWR Aktuell: Und was denken Sie persönlich - unabhängig von Parteipolitik?
Isabel Cademartori: Naja, ich habe natürlich kein Vergnügen dabei, zu wissen, dass ganz in unserer Nähe wirklich schwere Waffen stationiert werden. Ich verlasse mich da aber auch auf die Einschätzung unseres Verteidigungsministers, der glaube ich einen sehr hervorragenden Job macht. Und wenn die Experten der Meinung sind, dass das sinnvoll und notwendig ist für unsere Sicherheit, dann unterstütze ich das natürlich.