Wer UNESCO-Literaturstadt werden will, muss eine lebendige Literaturszene haben und sich dafür einsetzen, sie zu erhalten und zu fördern. Heidelberg sei das in den letzten zehn Jahren gelungen, so der Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission, Roman Luckscheiter, in seiner Begrüßungsrede bei der Jubiläumsveranstaltung im Heidelberger Karlstorbahnhof. Gefeiert wurde das am Freitagabend. Neben einem Kulturprogramm unter anderem auch mit Video-Grußbotschaften aus aller Welt.
UNESCO-Programm will kulturelle Vielfalt erhalten
Die UNESCO – also die Kulturabteilung der Vereinten Nationen – hat vor zwanzig Jahren das sogenannte Creative-Cities-Programm aus der Taufe gehoben, um Städte weltweit dabei zu unterstützen, ihr lokales kulturelles Erbe zu erhalten und gleichzeitig in einen internationalen Austausch mit anderen Städten zu treten. Es gibt verschiedene Kreativ-Sparten und eine davon ist die Literatur. Stand jetzt gibt es mehr als 50 "UNESCO Cities of Literature". Wer aufgenommen werden will, muss sich darum bewerben und beweisen, dass Literatur dort eine große Rolle spielt. Im Fall Heidelbergs war nach eigenen Angaben also nicht die lange literarische Tradition ausschlaggebend, sondern die aktuelle Situation: Rund 2.500 Literaturschaffende zählt man hier: Autorinnen und Übersetzer, Illustratorinnen und Buchhändler, Verlagsmitarbeitende und viele mehr.
Das Ziel: Lokale und internationale Vernetzung
Eines der wesentlichen Ziele des UNESCO-Programms ist die Vernetzung. Auf internationaler Ebene geschieht das durch Austausch- und Gastresidenzprogramme. Rund 30 Heidelberger Autorinnen und Autoren waren in den vergangenen Jahren in anderen "UNESCO Cities of Literature" zu Gast. Und umgekehrt habe man etwa genauso viele in die Rhein-Neckar-Region einladen können, so die Heidelberger Kulturbürgermeisterin Martina Pfister (Grüne) bei der Jubiläumsfeier. Zum Beispiel zum "Writer in Residence"-Programm in Dilsberg (Rhein-Neckar-Kreis).
Umgekehrt hatte beispielsweise die Heidelberger Autorin Anne Richter vor ein paar Jahren die Gelegenheit, an einem deutsch-tschechischen Lyrik-Übersetzungsprojekt in Prag teilzunehmen. Und erst vor Kurzem war sie Gast in der estnischen Stadt Tartu. Von dem kreativen und menschlichen Austausch habe sie sehr profitiert, meint sie.
Um internationale Austauschprojekte zu generieren, müsse man aber zunächst die lokale Literaturszene gut kennen, so die Leiterin des Heidelberger Kulturamts, Andrea Edel. Deshalb leiste man hier seit zehn Jahren unermüdlich Vernetzungsarbeit.
Heidelberger Literaturszene bewertet den UNESCO-Titel positiv
Diejenigen, die in der Literaturbranche arbeiten, äußern sich positiv über den UNESCO-Titel. Auf sie wirke er wie eine Aufforderung zum Handeln, meint etwa die Heidelberger Theaterautorin Ingeborg von Zadow.
Tatsächlich ist in den letzten zehn Jahren dadurch viel Neues entstanden. Neben dem traditionellen Literaturfestival mit großen Namen, das seit 30 Jahren existiert, gibt es nun etwa auch noch den Heidelberger Literaturherbst mit lokalen Akteuren und einem sehr vielseitigen Programm. Es gibt mehr Zusammenarbeit zwischen den Autorinnen und Autoren, Poesie-Aktionen in der Straßenbahn, einen Schreibwettbewerb für Bürgerinnen und Bürger und vieles mehr. So zum Beispiel auch das Programm Worte im Widerstand, mit dem Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus den ukrainischen UNESCO-Literaturstädten Lviv und Odessa nach Kriegsbeginn ein Forum bekamen.
Vielen sagt der UNESCO-Titel wenig - trotzdem ist er ein Erfolg
Hört man sich bei Heidelbergerinnen und Heidelbergern um, können viele mit dem Titel "UNESCO City of Literature" wenig anfangen. Allerdings ist das in keiner Weise ehrenrührig. Denn man muss nichts von dem UNESCO-Label gehört haben, um zu spüren, dass sich etwas getan hat in der Stadt. Die Literaturveranstaltungen sind mehr und vielfältiger geworden und erobern auch ungewöhnliche Orte. Und es gibt Kooperationen mit anderen UNESCO-Kreativsparten, zum Beispiel im Hip-Hop-Bereich. Der Gewinn für die Stadt sei, dass die Aufmerksamkeit füreinander gestiegen ist, so der Heidelberger Hip-Hop-Künstler Toni Landomini.
Nach einer Evaluierung der UNESCO zählt Heidelberg übrigens zu den drei aktivisten Mitgliedern im Literaturstadt-Netzwerk.