Das Thema ist populär - um nicht zu sagen populistisch. Und man fragt sich, ob es angesichts von Haushaltskrise, Bauernprotesten und ganz erheblichen Bildungslücken im Land keine anderen Probleme gibt als das Gendern. Kaum ist der Antrag für ein Volksbegehren aus formalen und rechtlichen Gründen vom Tisch, lädt die CDU-Fraktion in Baden-Württemberg den Initiator zu ihrer Fraktionssitzung ein. Es geht also um Gendersternchen statt beispielsweise um die Frage, wie der schleppende Sozialwohnungsbau wieder angekurbelt werden könnte. Prioritätensetzung der besonderen Art.
Letztlich will die CDU nach hessischem Vorbild Punkte sammeln. Dafür wechselt Innenminister Thomas Strobl auch schon mal die Rolle. Erst lehnt er den Antrag der Gender-Gegner ab, weil ihm rechtlich nichts anderes übrigbleibt. Greift dann aber Inhalte des Begehrens auf und kündigt ein Genderverbot in Landesbehörden an.
Hochgezogene Kulturdebatte lenkt von wichtigeren Dingen ab
Genderzeichen sollen aus dem Schriftverkehr von Ministerien und Regierungspräsidien verbannt werden. Keine große Änderung, weil es in Gesetzestexten schon so gehandhabt wird. Aber eine Schlagzeile, mit der man gleichzeitig die eher gender-freundlichen Grünen als Koalitionspartner vor sich hertreibt.
Und ganz nebenbei stiehlt Strobl dem die Schau, der die Idee zum gemeinsamen Auftritt mit dem Initiator des Volksbegehrens hatte: CDU-Fraktionschef Manuel Hagel, der auch Strobls Nachfolger als Parteichef ist.
Aber um was geht es hier eigentlich? Es gibt wichtigere Dinge als so eine Kulturdebatte hochzuziehen, da hat Winfried Kretschmann aus meiner Sicht recht. Ich selbst gendere nicht und halte auch nichts von entsprechenden Vorschriften - weder in die eine noch in die andere Richtung.
Und ich finde, wenn sich die CDU-Fraktion so vehement an der Gender-Debatte beteiligt, trägt sie mit zum Eindruck bei, dass die Politik offenbar keine anderen Themen hat. Oder gehört das jetzt schon zum Wahlkampf?