Holzofen wird befeuert

Heizen in der Energiekrise

Holzheizungen und Feinstaub: Wärme mit Gesundheitsrisiken

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Autor/in
Martin Heer
Bild: SWR-Redakteur Martin Heer

In Baden-Württemberg sind Holzheizungen durch die Energiekrise heiß begehrt. Ein Gesundheitsrisiko, meint ein Karlsruher Forscher - denn diese stoßen jede Menge Feinstaub aus.

Züngelnde Flammen und knisternde Scheite - in zahlreichen Häusern in Baden-Württemberg werden mit Einbruch der Kälte wieder die Feuer entfacht. Brennholz und Ofenbauer sind dieses Jahr stark gefragt: Angesichts der Energiekrise sehen viele in den gemütlichen Holzöfen eine krisensichere Alternative zu Öl und Gas. Achim Dittler vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sieht darin vor allem ein Gesundheitsrisiko. "Holz verbrennt im Vergleich zur Gas- oder Ölheizung mit deutlich höherem Ausstoß an Feinstaub und Schadgasen", sagt der Aerosolforscher. Die Luftverschmutzung werde dabei in Baden-Württemberg nur unzureichend gemessen, bemängelt er.

Holzöfen verursachen mehr Feinstaub als der Straßenverkehr

Bei Feinstaubalarm Kaminfeuer aus, hieß es noch bis vor Kurzem in Stuttgart. Aus gutem Grund: Holzheizungen verursachen in Deutschland laut Umweltbundesamt mehr Feinstaub als der gesamte Straßenverkehr. Auch verglichen mit Gasheizungen liegt der Ausstoß um ein Vielfaches höher. Kleinste Rußpartikel können, wenn sie eingeatmet werden, auch in die Blutbahn gelangen und unter anderem das Schlaganfallrisiko erhöhen. In der EU starben 2019 nach einer Schätzung der Europäischen Umweltagentur durch Feinstaubbelastung über 300.000 Menschen vorzeitig.

Auch ältere Kamine können so umgerüstet werden, dass weniger Feinstaub in die Luft gelangt. Wie das geht, zeigt SWR Marktcheck:

Abgase werden häufig nicht richtig gefiltert

Besonders belastet wird die Luft, wenn alte Kamine betrieben werden, Holz falsch angefeuert oder ungeeignetes Brennmaterial verwendet wird, heißt es in einer 2019 veröffentlichten Stellungnahme der Leopoldina-Akademie im Auftrag der damaligen Bundesregierung, an der auch KIT-Forscher Dittler mitarbeitete. Zwar würden moderne Öfen mit Partikelabscheidung besser abschneiden, der Ausstoß kleinster Rußteilchen liege aber immer noch über dem eines Verbrennungsmotors.

Was dabei nicht herausgefiltert wird, sind giftige Abgase wie Stickstoffoxide oder Kohlenmonoxid. "Dafür bräuchte es Katalysatoren und wirksame Oberflächenfilter, analog zur Abgasreinigung, wie sie in Fahrzeugen seit Jahrzehnten Stand der Technik ist", sagt Dittler. Gelangt Kohlenmonoxid durch geöffnete Fenster oder Lüftungsanlagen in Innenräume, könne das beim Menschen Symptome einer leichten Rauchgasvergiftung auslösen.

Qualm steigt aus einem Kamin
Holzheizungen sind eine günstige Alternative zu Gas und Öl, produzieren aber reichlich Feinstaub und giftige Abgase.

Luftqualität entspricht Vorgaben, aber nicht der WHO-Empfehlung

Die Luftqualität in Baden-Württemberg hat sich 2021 laut einer vorläufigen Jahresauswertung der Landesanstalt für Umwelt deutlich gebessert. Die Belastung mit Stockstoffdioxid und Feinstaub sei demnach weiter zurückgegangen. Auch in Stuttgart wurden die Grenzwerte eingehalten, das teilweise Verbot von Kaminfeuern am 15. April 2022 ausgesetzt.

An 35 Messstationen misst die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) die Luftqualität dauerhaft. Die meisten davon liefern täglich Messdaten zur Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung, die online einsehbar sind. Bei besonders feinen, lungengängigen Feinstaubpartikeln (PM2,5) kommt es dabei auf den Jahresmittelwert an. Zwischen 2016 und 2021 wurde dabei an keiner dieser Stationen in Baden-Württemberg der in Deutschland gesetzlich vorgeschriebene Grenzwert überschritten. Allerdings liegt dieser deutlich über dem, der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen wird. Ausgenommen von der Messstation Schwarzwald-Süd haben alle diesen WHO-Richtwert überschritten, teils um das Doppelte.

"Der Jahresmittelwert ist ein völlig ungeeignetes Instrumentarium. Das ist, wie wenn Sie an 60 Tagen im Jahr betrunken Auto fahren aber dann sagen, im Jahresmittel bin ich nüchtern."

Dass beim lungengängigen Feinstaub nicht die Tageswerte sondern das Jahresmittel ausschlaggebend ist, kritisiert KIT-Forscher Dittler scharf. Diese Angabe sei ein "völlig ungeeignetes Instrumentarium", da in der Heizperiode deutlich höhere Werte gemessen werden als im restlichen Jahr. "Das ist, wie wenn Sie an 60 Tagen im Jahr betrunken Auto fahren aber dann sagen, im Jahresmittel bin ich nüchtern."

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Zahl der Holzheizungen steigt

Die Zahl der Holzheizungen hat in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. Rund 1,6 Millionen sogenannter Einzelraumfeuerstätten für feste Brennstoffe (dazu gehören Kamin- und Kachelöfen) zählte der Landesinnungsverband des Schornsteinfegerhandwerks (LIV) 2021 in Baden-Württemberg, Tendenz steigend. Dazu kommen 200.000 Heizkessel für feste Brennstoffe, zu denen unter anderem Pelletheizungen gehören. Im Verhältnis machten Holzheizungen bei Neubauten allerdings in den vergangenen Jahren einen geringen Anteil aus. 2021 lag er nach Zahlen des Statistischen Landesamts in Baden-Württemberg bei 5,2 Prozent und damit hinter Gasheizungen (17,7 Prozent) und Umweltthermie (61,9 Prozent).

Die Nachfrage scheint durch die Energiekrise zugenommen zu haben. Trotz gestiegener Preise für Brennholz bleibt Holz eine günstige Alternative zu Gas und Öl. Die Schornsteinfegerinnen und -feger haben dieses Jahr jedenfalls mehr zu tun, sagt LIV-Pressesprecher Volker Jobst. Es müssten nicht nur mehr Schornsteine geputzt werden, weil mehr mit Holz geheizt wird, auch Beratungen seien stärker gefragt. "Die Leute rufen uns an und wollen wissen: Wir haben doch noch einen Kamin im Haus, kann man an den einen Ofen anschließen? Oder: Wir haben keinen Kamin, was müssen wir tun, um eine Feuerstätte anzuschließen?" Gesetzliche Rahmenbedingungen und Umweltauflagen würden das Wachstum jedoch ein stückweit einbremsen, sagt er. Nicht jeder, der einen Kamin bauen wolle, könne das am Ende auch tun.

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