Rund 70.000 Menschen in Baden-Württemberg leiden unter Folgeschäden einer Corona-Infektion, so die Schätzungen des Sozialministeriums Baden-Württemberg. Darunter sind viele Menschen, bei denen gesundheitliche Probleme wohl dauerhaft bleiben werden. Diese Menschen brauchen Hilfe, medizinische, aber auch finanzielle. Ein Schicksal teilt auch Nicole aus Schwäbisch Hall mit vielen anderen. Zwar möchte sie auf die Probleme aufmerksam machen, aber nicht mit ihrem vollen Namen genannt werden. Sie hatte früh in der Pandemie eine Infektion, dann kam Long Covid, berichtet sie im Gespräch mit dem SWR. Mittlerweile könne sie nicht mehr arbeiten.
Long Covid-Selbsthilfegruppen helfen bei Orientierung
Nicole ist in der Selbsthilfegruppe "Corona im Ländle", die hauptsächlich im Raum Heilbronn und Schwäbisch Hall aktiv ist. Dort hat sie von vielen anderen Schicksale gehört. Ein immer wiederkehrendes Problem sei die Bürokratie.
Gesundheit Post Covid – Was Patienten hilft
Tief einatmen, lange ausatmen – hilft, muss aber geübt werden. Das eine Medikament für alle wird es nicht geben. Um Therapien zu finden, müssen die Ursachen für Long Covid verstanden werden.
Long Covid: Ohne Bürokratie keine Hilfe
Ein häufiges Symptom bei Long Covid ist eine verringerte Konzentrationsfähigkeit. Betroffene berichten, dass sie schon nach kurzer Konzentration stark verausgabt seien. Anträge sind jedoch häufig kompliziert, zusätzliche Telefonate eine Belastung. Einen Rechtsstreit beginnen, das wäre ein Albtraum für Nicole. Sie hat sich bei der Arbeit infiziert. Bis der Antrag bei der Berufsgenossenschaft genehmigt wurde und sie ihr Geld bekommen hat, habe es über ein Jahr gedauert. In Selbsthilfegruppen würden andere von noch längeren Wartezeiten berichten.
Probleme bei der Bearbeitung von Post Covid-Fällen gebe es jedoch nicht, teilt die Unfallkasse Baden-Württemberg auf SWR-Anfrage mit. Im Jahr 2022 seien rund 9.000 Covid-Erkrankungen als Berufskrankheit anerkannt worden, das entspreche 88 Prozent aller Covid-Verdachtsanzeigen.
Nach Corona: Tausende erkrankt, wenige Reha-Anträge
Viele Coronainfektionen sind nicht oder nicht nachweisbar am Arbeitsplatz entstanden. Um dann nach einer Long Covid-Erkrankung wieder arbeitsfähig zu werden, gibt es Angebote der Deutschen Rentenversicherung.
Bei der Landesstelle Baden-Württemberg seien bislang jedoch verhältnismäßig wenige Anträge eingegangen. Zwischen November 2021 und November 2022 waren es rund 2.600 Anträge mit Coronabezug, heißt es. Im gleichen Zeitraum seien insgesamt rund 60.000 Anträge bearbeitet worden. Corona mache demnach nur einen geringen Anteil aus. Die gestellten Anträge mit Coronabezug würden jedoch zu einem sehr hohen Anteil bewilligt, sagte Kristina Schüle von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. Das zeige den großen Bedarf an Therapien.
Angebote für Long Covid-Erkrankte
Seit Beginn der Pandemie haben Unfallkasse, Krankenkasse und Rentenversicherung Angebote für Long Covid-Erkrankte aufgebaut. Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) ist an Forschungsprojekten beteiligt, mit dem Ziel die Versorgung von Betroffenen zu verbessern. Im Internet gibt es mittlerweile zahlreiche Informationsseiten, Hilfestellungen für Anträge und Kontaktmöglichkeiten.
Krankenkasse AOK: Hohe Long Covid-Fallzahlen
Deutlich höhere Fallzahlen verzeichnet die AOK Baden-Württemberg, dort wurden 2021 rund 30.000 Long Covid-Fälle registriert. Da die AOK fast 50 Prozent der Menschen im Land versichert, entspricht das auch den Schätzungen der landesweiten Fallzahlen. Die Mitarbeitenden seien geschult auch mit dem symptomatisch vielfältigen Long Covid umzugehen, heißt es von der Krankenkasse.
Bei der AOK Baden-Württemberg sei man mittlerweile gut für Long-Covid-Erkrankte aufgestellt, so Rene Schilling, Sprecher der AOK Heilbronn-Franken. Das Angebot sei angepasst und ausgebaut worden. Kontakt zu Selbsthilfegruppen gebe es mittlerweile auch, heißt es von der AOK. Die Bedürfnisse und Probleme seien bekannt, insbesondere das ihnen entgegengebrachte Misstrauen von manchen Ärzten, Long Covid-Betroffene würden sich viele Probleme nur einbilden.
Aber auch mit den geschaffenen Angeboten müssen sich Betroffene weiterhin um Anträge, Begründungen und Termine selbst kümmern. Daran wird sich nichts ändern und somit werden Menschen wie Nicole aus Schwäbisch Hall auch weiterhin manchmal an der Bürokratie verzweifeln.