50 Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz

Luft zum Atmen

Stand
Autor/in
Gina La Mela
Gina La Mela
Michael Kreil

Schmutzige Luft war in den 70ern eine Gefahr für Mensch und Natur. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz hat in 50 Jahren für bessere Luft gesorgt. Ein Rückblick.

Am 18. Januar 1974 verabschiedete der Bundestag das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Ziel war es, die Industrie in die Pflicht zu nehmen und die Bevölkerung vor schädlichen Umwelteinwirkungen wie Luftverunreinigung und Lärm zu schützen. Mit Erfolg: Der Ausstoß des Gases Schwefeldioxid, ein Beiprodukt von Verbrennungsvorgängen, hat heute einen Tiefstand erreicht. Im Vergleich zu den 70er Jahren sind die Emissionen um 97 % gesunken.

50 Jahre für bessere Luft

Rauchende Schornsteine standen nach dem Zweiten Weltkrieg symbolisch für Wohlstand. Doch schon lange warnten Wissenschaftler vor den gesundheitlichen und ökologischen Folgen der Luftverschmutzung: Übersterblichkeit, Atemwegserkrankungen insbesondere bei Kindern, durch "sauren Regen" starben Fische in Gewässern und Wälder lichteten sich bedrohlich. Nicht nur die Bundesrepublik war von diesen Folgen der Umweltverschmutzung betroffen - ähnliche Meldungen kamen aus allen Industrieländern der Welt. Klare wissenschaftliche Belege, Gesundheitsschäden und eine starke gesellschaftliche Umweltbewegung zwangen die Politik, neue Gesetze zu verabschieden. Das führte langsam dazu, dass die Luft sauberer wurde. Nach einem halben Jahrhundert ist der Schwefeldioxidgehalt heute in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf einem für Mensch und Umwelt ungefährlichen Niveau angekommen. Aber es dauerte lange, dieses Ziel zu erreichen. 

Das Bundes-Immissionsschutzgesetz regelte von 1974 an zunächst nur die grundsätzlichen Anforderungen. Erst die darauf aufbauenden Verordnungen (zusammengefasst Bundes-Immissionsschutzgesetz-Verordnung, kurz BImSchGV) bestimmten Details wie Emissionsgrenzwerte oder Anforderungen an Industrie-Anlagen. Erst mit der 13. Verordnung im Jahr 1983, fast zehn Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, wurden Schwefeldioxidgrenzwerte für Industrieabgase vorgeschrieben und damit Kohlekraftwerke zur Abgasreinigung gezwungen. Ende der 80er-Jahre begannen dann die Schwefeldioxidemissionen zu sinken, was zu einer spürbaren Verbesserung der Luftqualität führte. Auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz: An wichtigen Industriestandorten wie in Ludwigshafen, Eggenstein (bei Karlsruhe) oder Mannheim sank die Luftbelastung fast auf null.

BImSchG nur durch Umweltpolitik der EU wirksam

Die Verzögerung zwischen der Einführung von Verordnungen und den realen Effekten ist typisch für die Umweltpolitik, sagt Dr. Melanie Nagel von der Universität Heidelberg. "Es geht heute nicht mehr darum, ob wir Umweltpolitik machen oder nicht, sondern wie schnell wir sie umsetzen." Die Politikwissenschaftlerin forschte vier Jahre lang zur Luftreinhaltepolitik auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Das BImSchG hält sie jedoch für kein besonders effektives Instrument. "Es ist die Umweltpolitik der europäischen Union, die erfolgreich ist.", sagt sie. Das BImSchG setzt seit den 80er Jahren lediglich EU-Richtlinien in nationales Recht um. "In Deutschland gibt es einfach eine viel zu laxe Umsetzung.", sagt Nagel.

Für diese Inkonsequenz musste sich die Bundesrepublik bereits vor Gericht verantworten. 2021 urteilte der Europäische Gerichtshof, dass Deutschland systematisch gegen EU-Recht zur Luftreinhaltung verstoßen hat. In vielen Städten wurden die Grenzwerte für den Luftschadstoff Stickstoffoxid jahrelang überschritten. Stickstoffoxid entsteht wie Schwefeldioxid überwiegend bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Es trägt zur Feinstaubbelastung und zur Versauerung bei.

In Deutschland gibt es einfach eine viel zu laxe Umsetzung.

In den vergangenen 50 Jahren gab es zahlreiche weitere Verschärfungen, die vor allem auf EU-Ebene beschlossen wurden. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz war ein erster Schritt für die deutsche Umweltpolitik, der damals vor allem durch eine nie dagewesene Umweltschutzbewegung angetrieben wurde. Heute dient es als Instrument zur Umsetzung der EU-Umweltregulation. Und die zeigt Wirkung: Die Luftverschmutzung hat sich seit den 70ern deutlich gebessert. Völlig verschwunden ist sie allerdings nicht: "Ultrafeinstaub sieht man gar nicht. Der geht aber durch die Haut in den Körper. Das ist viel gefährlicher, aber auch komplexer.", sagt Dr. Melanie Nagel. Das langfristige Ziel der EU ist es, "Zero Emissions" zu erreichen, also die Schadstoff-Emissionen auf null zu bringen.

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