Diesen Traum hegte Bonnie Tyler schon seit Kindheitstagen. Mit einer Haarbürste als Mikrofonersatz übte sie vor dem Spiegel Songs von Tina Turner oder Janis Joplin.
Im Rugby-Club fing alles an
Bis diese Vorstellungen Realität werden sollten, galt es noch einen langen Weg zurückzulegen. Gayner Hopkins, so ihr richtiger Name, war ein schüchternes Mädchen und in der Schule fiel sie nicht durch Glanzleistungen auf. Zunächst arbeitete sie als Verkäuferin in einem Supermarkt, bis ihre Tante sie bei einem Talentwettbewerb des örtlichen Rugby-Clubs anmeldete.
Dort sang sie "Those were the days" von ihrer Landsmännin Mary Hopkin und den Ray Charles-Hit "I can’t stop loving you" und wurde prompt Zweite. Dieser Erfolg gab ihr Selbstvertrauen: Sie schloss sich der Band "Bobby Wayne & The Dixies" als Backgroundsängerin an, bevor sie ihre eigene Gruppe "Imagination" gründete und durch örtliche Pubs tingelte.
Bonnie Tyler wird entdeckt
Der Zufall wollte es, dass der Talentsucher Roger Bell 1974 auf sie aufmerksam wurde. Eigentlich war er nach Südwales gekommen, um eine Band zu sehen, die im Club eine Etage höher spielte. Er verwechselte jedoch das Stockwerk und hörte stattdessen Bonnie Tyler "Nutbush City Limits" singen. Wenig später erhielt sie eine Einladung nach London ins Plattenstudio und ihre erste Single "My! My! Honeycomb" entstand - ein Flop.
Bonnie Tylers Durchbruch
Erfolg stellte sich mit ihrer zweiten Single ein: "Lost in France" erreichte 1976 die Top Ten in Großbritannien. Das Lied konnte sich bei uns 33 Wochen lang in den Hitparaden behaupten. Auch ihr Team war eine runde Sache: Mit Ronnie Scott und Steve Wolfe hatte sie ein Gespann um sich, das nicht nur für das Songwriting verantwortlich zeichnete, sondern auch gleichzeitig ihre Produzenten und Manager in Personalunion waren.
Die Freude über diese ersten Erfolge wurde jedoch bald getrübt, denn es stellten sich Probleme mit ihrer Stimme ein. Auf ihren Stimmbändern hatten sich Knötchen gebildet, die operativ entfernt werden mussten. Nach dem Eingriff klang sie noch rauer als zuvor, was sich aber nicht zum Nachteil entwickeln sollte. In dieser neuen Tonlage gelang ihr 1977 mit "It’s a heartache" der endgültige Aufstieg in die erste Liga. Die Platte lief rund um den Globus höchst erfolgreich und der Begriff eines "weiblichen Rod Stewart" machte die Runde.
"Goodbye to the islands" war das letzte Album, welches sie 1981 unter den Fittichen ihres Teams veröffentlichte. Es war fast schon ein prophetischer Titel, denn ihre Vorstellungen deckten sich nicht mehr mit dem, was Ronnie Scott und Steve Wolfe planten. Es folgte die Trennung.
Neuer Plattenvertrag und weltweiter Erfolg
Sie schloss einen Plattenvertrag bei einer neuen Firma ab und begann, mit dem amerikanischen Musikproduzenten und Komponisten Jim Steinman zusammenzuarbeiten. Er war für sie der Mann der Wahl, nachdem er ihr Lieblingsalbum "Bat out of hell" von Meat Loaf produziert hatte - ein Jahrhundertwerk.
Ihre Neuausrichtung erwies sich als Volltreffer. Gleich die erste Veröffentlichung "Faster than the speed of the night", gespickt mit zahlreichen Cover-Versionen großer Rock-Hits und dem Power-Song "Total eclipse of the heart", brach Rekorde.
In Amerika schubste sie mit der Produktion sogar Michael Jackson vom Hitparaden-Thron. Zudem brachte ihr das Album eine Grammy-Nominierung ein.
Bonnie Tylers 80er-Look wird geboren
Die Arbeit mit Jim Steinman entwickelte sich zu einem Höhepunkt in ihrer Karriere. Sie bildeten ein Dream Team, alles passte haargenau. So stammt auch die Hymne "Holding out for a hero" aus dem Soundtrack des Films "Footloose" von ihm. Mit den rockigen Titeln war ein kompletter Imagewechsel verbunden. Es entstand das Erscheinungsbild, welches sich in die Erinnerung vieler gebrannt hat: Leder-Outfit, Schulterpolster, Struwwelfrisur und auffällige Ohrringe.
Unter der Regie von Desmond Child entstand 1988 das Album "Hide your heart". Hier sang Bonnie Tyler eine Reihe von Titeln, die allerdings erst später in anderen Versionen weltberühmt wurden: Mit "Save up all your tears" hatten Robin Beck und Cher einen Hit, "The best" geriet mit Tina Turner zum Klassiker und "Don’t turn around" ist mit der britischen Reggae-Band "Aswad" und später mit der schwedischen Pop-Gruppe "Ace of Base" in die Musikgeschichte eingegangen.
Bonnie Tyler und Dieter Bohlen
Nach einer kurzen Auszeit, in der sie sich ein im Jahr 1850 erbautes Haus in Wales gekauft und renoviert hatte, begann Bonnie Tyler Anfang der 1990er Jahre damit, ihre Aktivitäten verstärkt auf Europa auszurichten. Dieter Bohlen verhalf ihr mit maßgeschneiderten Liedern zu neuen Erfolgen: "Bitterblue" konnte es in einigen europäischen Ländern mit dem Erfolg ihres karriereprägenden Albums "Faster than the speed of night" aufnehmen und erhielt beispielsweise in Norwegen dafür 4-fach Platin.
Im Anschluss daran ging sie viele Jahre lang als Live-Künstlerin auf Tournee. Sie arbeitete weltweit mit hochkarätigen Produzenten wie Humberto Gatica, David Foster oder Mike Batt zusammen und machte Aufnahmen mit dem "Philharmonischen Orchester Prag". 2013 nahm sie für Großbritannien am Eurovision Song Contest teil, konnte mit ihrem Beitrag "Believe in me" allerdings nicht punkten und landete abgeschlagen auf dem 19. Platz. Dennoch denkt sie gerne an dieses Erlebnis zurück.
Bonnie Tylers Privatleben
Zusammen mit ihrem Mann Robert Sullivan, den sie 1973 heiratete, lebt Bonnie Tyler heute abwechselnd in ihrer Heimat Wales oder in ihrem Haus an der Algarve. Dort genießt sie die pandemiebedingte freie Zeit, gesteht aber, dass ihr ihre Band, die Bühne und all die Fans fehlen.
Die mit Edelmetall-Auszeichnungen und anderen Preisen - darunter ein "Echo" und dreimal die "Goldene Europa" - hoch dekorierte Rocklady und Trägerin der Ehrendoktorwürde der Swansea Universität steht ihrem runden Geburtstag gelassen gegenüber. Es ist eine Zahl, nicht mehr. Viel wichtiger ist es ihr, bald wieder auf Tournee gehen zu können. Die Planungen hierfür sind in vollem Gange und 2022 wird sie auch in Deutschland viele Konzerte geben. So ist das Motto ihrer aktuellen CD "The best is yet to come" mehr als ein Titel - es kann als Versprechen aufgefasst werden.