Eine Frau nimmt an einer Demonstration anlässlich des Internationaler Tags gegen Gewalt an Frauen teil.

SWR1 Sonntagmorgen

Vielfach missachtet - 75 Jahre Erklärung der Menschenrechte

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Utku Pazarkaya
Porträt Utku Pazarkaya

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte entstand als Reaktion auf den Horror des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts. Heute herrschen so viele Konflikte wie nie seit 1945.

Es ist ein großes Versprechen, das sich die Welt gegeben hat: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren", heißt es in Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Und: "Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen."

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Die aktuelle Lage sieht düster aus

"Insgesamt erlebt Amnesty International das Menschen vermehrt in Staaten leben, in denen sie Gewalt und Unterdrückung erleben und die Kriege, die wir sehen, sind sozusagen die Spitze des Eisbergs", erklärt Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland im SWR-Interview. "Gerade beim russischen Angriffskrieg auf die Ukraine erleben wir vielfach Kriegsverbrechen."

Menschenrechtsverletzungen sind ein globales Problem

"Insgesamt ist die Weltlage sehr schwierig", sagt Duchrow. Amnesty habe 156 Staaten dokumentiert. In 85 der 156 Staaten seien 2022 bei Versammlungen Protestierende von besonderer Gewalt betroffen gewesen. "In 35 Staaten haben wir die Nutzung von tödlichen Waffen in Versammlungen erlebt. Deswegen kann man schon sagen, es ist ein globales Problem." Gleichzeitig habe Amnesty ein besonderes Augenmerk auf die schweren Menschenrechtsverletzungen beispielsweise in Äthiopien und im Sudan.

Grundgesetz der Menschheit

Nach den beispiellosen Schrecken und Massenmorden des Zweiten Weltkriegs sollte eine Art Grundgesetz der Menschen etabliert werden – unveräußerliche Rechte für alle Menschen, überall auf der Welt. Als die UN-Vollversammlung am 10. Dezember 1948 in Paris die Menschenrechtserklärung verabschiedete, gab es keine Gegenstimmen – aber acht Länder enthielten sich – darunter Südafrika, die Sowjetunion und Saudi-Arabien.

Menschenrechtscharta: Wegweiser für die Zukunft der Menschheit

An der Menschenrechtscharta hatten auch Überlebende des NS-Terrors mitgeschrieben wie der französische Diplomat Stéphane Hessel. Er nannte sie "einen Wegweiser für die Zukunft der Menschheit". Denn wenn diese 'allgemeine Erklärung' wirklich einmal von allen Mitgliedsstaaten ernst genommen würde, "dann würden wir eine wunderbare, schöne Welt vor uns haben." Und schon Stéphane Hessel, der 2013 gestorben ist, wusste: "So weit sind wir leider noch nicht."

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Rechtlich unverbindlich und ständig gebrochen

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist bis heute rechtlich unverbindlich. Ein unerfülltes Versprechen. Ein Versprechen, das ständig gebrochen wird. Volker Türk, der UN-Hochkommissar für Menschenrechte sagte zum 75. Jahrestag der Menschenrechtserklärung: "Wenn es jemals einen Zeitpunkt gab, die Hoffnung auf Menschenrechte für jeden Menschen wiederzubeleben, dann ist er jetzt."