Eine Rose liegt auf dem Grabstein des unbekannten Soldaten

SWR1 Sonntagmorgen

Volkstrauertag – intensives Gedenken in Zeiten von Krieg und neuem Elend

Stand
Autor/in
Michael Lehmann
Redakteur/in
Ulrich Pick

Besonders intensiv denken viele Menschen am Volkstrauertag an die Opfer der Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine.

Mitgefühl mit den Menschen in Israel, die um ihre Angehörigen trauern und bangen, mischt sich mit der Sorge, die Angriffe der israelischen Armee gegen terroristische Strukturen der Hamas könnten auch immer mehr zivile Opfer kosten. Dennoch ist für die Menschen bei uns die Trauer um ihre eigenen Angehörigen, die sie im Zweiten Weltkrieg verloren haben, besonders nahe - gerade am Volkstrauertag.

Kriegsgräberfürsorge ist auch in Russland weiter aktiv

Nach wie vor wichtig ist die Arbeit der Deutschen Kriegsgräberfürsorge. Dieser vor mehr als 100 Jahren gegründete Volksbund sorgt dafür, dass neu identifizierte Kriegstote im Ausland würdevoll bestattet werden. Die Kriegsgräberfürsorge kümmert sich um die Pflege vieler tausend Kriegsgräber im Ausland. Diane Tempel, die Pressesprecherin des Volksbunds der Deutschen Kriegsgräberfürsorge beschreibt im SWR-Gespräch die Arbeit ihrer Organisation in Russland und in der Ukraine.

Ihre Arbeit in Russland und in der Ukraine sei zwar etwas zurückgenommen worden, aber sie könne immer noch nahezu unbehelligt durchgeführt werden. Allein in diesen beiden Ländern werden nach Auskunft des Volksbundes weitere 12.000 bis 15.000 Tote jährlich neu aufgefunden.

Die Toten würdevoll bestatten zu können, ist eine wichtige Aufgabe für die Kriegsgräberfürsorge

Urenkel und Enkel, die weiterhin auf der Suche nach seit dem zweiten Weltkrieg vermissten Angehörigen sind, können auf die Weiterentwicklung moderner Technik hoffen. Georadar und Sondiernadeln sind zusammen mit Drohnenaufnahmen und alten Wehrmachtskarten wichtige Mittel bei der Suche nach Kriegsopfern.

Freiwilligen-Camps fördern Völkerverständigung 

Lenya Misselwitz, eine 18jährige Schülerin aus Speyer, hat sich in den letzten Jahren viermal auf sogenannten Workcamps der Deutschen Kriegsgräberfürsorge ehrenamtlich engagiert. In Gedenken an ihren Urgroßvater, der im Ersten Weltkrieg in Verdun gefallen war, pflegt sie mit anderen jungen Menschen während ihrer Freiwilligen-Einsätze nicht nur Kriegsgräber, sondern tauscht sich auch mit Menschen ganz unterschiedlicher Nationalitäten über die Folgen der Kriege und die Bedeutung von Frieden für die Menschheit aus.

Besonders beeindruckt hat die 18jährige aus der Südpfalz ein Arbeitseinsatz dieses Jahr in der Nähe von Warschau. Dort hat sie zusammen mit anderen Jugendlichen einen Soldatenfriedhof gepflegt, auf dem auch die Opfer einer Giftgasattacke begraben liegen. „Als wir uns eine Dokumentation über diese Attacke angeschaut haben, war es total still im Raum. Und wir sind uns dann in die Arme gefallen, weil wir darüber nachgedacht haben. Früher waren das Polen und Deutsche, die sich gegenüber standen und sich gegenseitig töten wollten. Und heute stehen wir hier, 100 Jahre danach und haben die Möglichkeit uns gemeinsam zu trösten."

Moderator Hans Michael Ehl

Moderator am Sonntagmorgen Hans Michael Ehl

Moderator am Sonntagmorgen

Der Standpunkt in unserer Sendung Zur Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Von Ulrich Pick

Auf der Synode der EKD, die diese Woche in Ulm stattfand, wurde eine neue repräsentative Studie zur Kirchenmitgliedschaft vorgestellt. Wir haben vorhin darüber gesprochen. Diese Untersuchung, die übrigens nur alle zehn Jahre stattfindet, hat diesmal für besonders einschneidende Ergebnisse ans Tageslicht gefördert. Mein Kollege Ulrich Pick spricht in seinem Standpunkt von einem Epochenwechsel, der sichtbar geworden ist.
Weniger Gott, mehr Wissenschaftsgläubigkeit
Die aktuelle Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung offenbart einen Epochenwechsel. Nur noch 13 Prozent der Bundesbürgerinnen und -bürger verstehen sich als „kirchlich-religiös“. 56 Prozent bezeichnen sich hingegen als „säkular“, von denen die meisten - dies steht auch in der Studie - ein streng naturalistisches, ja antispirituelles Weltbild vertreten.
Wer hieraus den Schluss zieht, dass der liebe Gott in Deutschland kaum noch eine große Rolle mehr spielt, liegt zwar in der Sache richtig. Man kann es aber auch präziser formulieren: Das Weltbild der Deutschen wird stärker als je zuvor durch Wissenschaftsgläubigkeit oder jedenfalls einen nüchternen Rationalismus bestimmt, und ihr Horizont richtet mehrheitlich auf das rein Weltliche.
Ob das ausreicht, dem Geheimnis des Lebens angemessen auf die Spur zu kommen, bleibt dahingestellt. Fragen, wie sie der Philosoph Ernst Bloch formulierte in seinem weltberühmten Werk „Das Prinzip Hoffnung“, spielen offensichtlich keine oder eine nur weit nachgeordnete Rolle: „Wer sind wir?“ „Wo kommen wir her?“ „Wohin gehen wir?“
Diesen Wandel zu mehr Religionsferne und weniger Metaphysik mag man gut finden oder bedauern. Doch ob man einem wie auch immer gearteten Gottesglauben mit Jenseitshoffnung anhängt oder den Blick strikt rational nur aufs Diesseits richtet, hat auch Konsequenzen:
Die eine betrifft die globale Kommunikation. Denn wir müssen uns im Klaren sein, dass es Kulturen auf dieser Erde gibt, für die ein Leben ohne Gott kaum vorstellbar ist. Der Abstand zwischen ihnen und uns dürfte somit größer und die Verständigung schwieriger werden.
Die andere Konsequenz betrifft die persönliche Haltung. Wer nämlich keine Jenseitshoffnung hat, für den enden Leben und Bewusstsein mit dem leiblichen Tod. Ob dieser Schritt problemlos oder schwierig ist, muss letztlich jeder selbst entscheiden und auch aushalten.

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Autor/in
Michael Lehmann
Redakteur/in
Ulrich Pick