Eine europäische, eine deutsche und eine türkische Fahne (l-r) wehen am Freitag (10.09.2010) vor der Merkez-Moschee in Duisburg vor dem Beginn des Freitagsgebets. Die Debatte um die geplante Koran-Verbrennung in Florida hat die Feiertagsruhe der Muslime zum Ende des Ramadans gestört

SWR1 Sonntagmorgen

Islamberater Hussein Hamdan – Vermittlung zwischen allen Stühlen?

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AUTOR/IN
Mark Kleber

Hussein Hamdan ist in Baden-Württemberg als Islamberater unterwegs. Er berät Kommunen bei Fragen des Zusammenlebens. Über seine Erfahrungen hat er nun ein Buch geschrieben.

Rund fünfeinhalb Millionen Muslime leben in Deutschland., davon 200.000 in Rheinland-Pfalz, in Baden-Württemberg sind es 800.000. Seit acht Jahren ist Hussein Hamdan als Islamberater unterwegs durch Baden-Württemberg, um gerade in Kommunen Fragen zu beantworten und zu vermitteln. "Wo […] Menschen zusammenleben, zueinander in Beziehung treten und sich den öffentlichen Raum teilen, entstehen naturgemäß Gemeinsamkeiten, Dynamiken und Konflikte", schreibt der 44-Jährige in seinem neu erschienenen Buch, in dem er über Erfahrungen, Herausforderungen und Orientierungen berichtet.

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Als Islamberater bei der katholischen Kirche – das löst Erstaunen aus

In seiner Arbeit geht es zum Beispiel um den Bau von Moscheen, der in Städten und Gemeinden immer wieder für Diskussionen sorgt, oder auch darum, dass Mitarbeitende in Kommunen besser verstehen, welche islamischen Verbände es gibt und was sie ausmacht. Angestellt ist Hussein Hamdan aber nicht bei einem solchen Verband, sondern bei der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Dass er als Muslim und Islamberater bei der katholischen Kirche arbeitet, löst bei Muslimen durchaus immer wieder Erstaunen aus, erzählt Hamdan im SWR1-Interview: "Dann werde ich schon auch mal darauf angesprochen, ob ich nicht katholisch geworden bin. Da gibt es schon vielleicht auch an der einen oder anderen Stelle ein bisschen Skepsis. Vereinzelt vernehme ich aber auch etwas Neid. Aber ich möchte schon sagen, überwiegend habe ich sehr positive Erfahrungen gemacht. Ob das jetzt auf der katholischen Seite, auf der muslimischen Seite ist oder auch insgesamt bei vielen anderen Einrichtungen und Gruppen."

2015 ist das Projekt der Islamberatung in Baden-Württemberg mit drei Partnern gestartet, der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der Robert-Bosch-Stiftung und der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl. Der offizielle Titel des Projektes: Muslime als Partner in Baden-Württemberg – Information, Beratung, Dialog. Gesellschaft gemeinsam gestalten. Das Ziel: Die Zusammenarbeit zwischen Kommunalverwaltungen und Musliminnen und Muslimen zu verbessern. Der Weg zu diesem Ziel: wechselseitige Wissenslücken überwinden und ins Gespräch miteinander gehen. "Wir haben in den Kommunen nicht nur ein oder zwei Moscheegemeinden, manchmal gibt es vier oder fünf. Wir haben in den Kommunen, im Zusammenleben mit Muslimen vor Ort viele Fragen", sagt der promovierte Islam- und Religionswissenschaftler, der in Tübingen studiert hat.

Islam-Beratung von der Jugendarbeit bis zum Umgang in der Pflege

Das Projekt bietet inzwischen auch Online-Beratung an. Es geht um Hilfestellungen und Handlungsempfehlungen zu diversen Fragen des Zusammenlebens mit Musliminnen und Muslimen vor Ort. Zum Beispiel, wie man sie in kulturelle und soziale Aktivitäten einbinden kann. Themen sind auch Jugendarbeit, Seelsorge, der Umgang mit pflegebedürftigen Personen und mit muslimischen Geflüchteten. Das Hauptthema sei aber die Einordnung islamischer Gruppen.

„Wie können wir mit den verschiedenen islamischen Gruppen, die es gibt, in der jeweiligen Kommune umgehen? Wir bieten Hintergrundinformationen zu den Verbänden, die dort ansässig sind.“

Die Information über islamische Verbände sei ein Schwerpunkt der Beratung, oft gehe es aber auch darum, dass die muslimischen Gruppen untereinander Probleme hätten, „dass die einen sich weigern, zum Beispiel zu einer Sondersitzung mit dem Integrationsbeauftragten oder mit der Verwaltungsspitze zu kommen, wenn andere eingeladen sind. Und auch da werden wir gefragt, wie man natürlich mit solchen Situationen umgehen kann. Das Thema Moscheebau, islamische Gräberfelder das sind ebenfalls Themen, die immer wieder angefragt werden.“

Grabsteine stehen am 28.10.2013 auf dem muslimischen Gräberfeld auf dem Friedhof Stöcken in Hannover (Niedersachsen). Migrantenverbände in Niedersachsen rechnen mit einer Zunahme von islamischen Bestattungen in Deutschland.

Reizthemen wie Moscheebau - Islamberater Hamdan: mehr Information, weniger Emotion

Bei so viele unterschiedlichen Themen und Akteuren – sitzt man als Islamberater nicht zwischen allen Stühlen?  Hussein Hamdan räumt ein: „Man bekommt auch immer wieder mal einen gewissen Frust ab oder eine gewisse Arroganz ab. Das ist nicht immer einfach, aber man lernt mit der Zeit dann damit auch umzugehen.“

Gerade der Bau von Moscheen sei immer wieder ein Reizthema, so Hussein Hamdan. In SWR1 Sonntagmorgen rät er zu mehr Gelassenheit: "Beim Thema Moscheebau sollten wir mal alle ein bisschen die Kirche im Dorf lassen. Ich finde, da reden wir oft zu emotional über diese Themen. Nicht jeder Moscheebau ist jetzt ein Schritt in die schleichende Islamisierung Deutschlands". Muslime hätten ein Anrecht auf würdige Gebetsstätten, und es sei wichtig, dass man da auch diese Anliegen berücksichtigt. "Auf der anderen Seite wäre es vielleicht auch mal ganz gut, wenn die muslimischen Gemeinden manchmal ihre Ansprüche, wenn es um die Höhe des Minaretts oder der Kuppel geht, ein bisschen überdenken würden."  Der Bau einer Moschee werfe viele Fragen auf. "Und da glaube ich, wäre es ganz gut bei einem Moscheebau, dass die muslimischen Gemeinden hier Informationsveranstaltungen durchführen und auch auf die Fragen der Bürgerinnen eingehen. Nicht jeder Bürger und jede Bürgerin, die eine kritische Frage stellt, ist sofort rechtsgesinnt."

Wachsender Bedarf an Islamberatung und zwei große Herausforderungen

Der Bedarf an Islamberatung steige in den Kommunen, schreiben im Vorwort zum Buch die Integrationsbeauftragten von Mannheim und Stuttgart, Claus Preißler und Gari Pavković. Gebraucht würden Informationen und kommunale Handlungskompetenz, um mit den lokalen Islamgemeinden angemessen zusammenzuarbeiten. Auch bei den muslimischen Gemeinden, die das Zusammenleben in den Kommunen mitgestalten wollten, sehen beide diesen Bedarf. Ihr Wunsch deshalb: Die unabhängigen Islamberatung solle ihrem Projektstatus entwachsen und ein verlässliches Regelangebot werden.

Muslime sitzen am Dienstag (30.09.2008) in einem Waschraum in der Yavuz Sultan Selim Moschee in Mannheim. Das waschen vor einem Gebet gehört zum religiösen Ritual der gläubigen Moslems. Am Freitag (3.10.) wird in Deutschland der Tag der offenen Moschee begangen. Nach Angaben des Zentralrats der Muslime sind bis zu 1000 Moscheen daran beteiligt. ...

Hussein Hamdan selbst sieht für die kommenden Jahre zwei große Herausforderungen: Die großen Islamverbände müssten ihre Strukturen professionalisieren, um auch auf kommunaler Ebene Partner auf Augenhöhe zu sein. "Das würde den Muslimen das Leben einfacher machen, aber auch den Kommunen und vielen anderen Einrichtungen auch". Die andere Herausforderung sei die immer vielfältiger werdende Islam-Landschaft. Wir haben heute eine Reihe von Verbänden, Moscheegemeinden, wir haben viele Initiativen gerade im Jugendbereich, im Frauenbereich, und da den Überblick zu behalten, das glaube ich, ist eine ganz, ganz große Herausforderung, um dann perspektivisch zu sehen, mit wem können wir in welchen Themenbereichen dann auch zusammenarbeiten?"

Moderator Hans Michael Ehl

Moderator am Sonntagmorgen Hans Michael Ehl

Moderator am Sonntagmorgen

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Mark Kleber