Man kennt das z.B. von Santana (wo jeder nur an Carlos Santana denkt), oder von Simply Red (wo Sänger Mick Hucknall wegen seiner Haare "einfach nur 'Red'" genannt wird – im Englischen also "Simply Red"). Und ganz ähnlich ist das bei Sade. Jeder – wirklich jeder! – denkt nur an die Sängerin. Dabei steht der Name für eine insgesamt vierköpfige Band. Aber dieses Schicksal ist tatsächlich so gewollt. Denn die Kollegen Paul, Andrew und Stewart wissen, dass ihre Sängerin ziemlich gut aussieht. Sie soll das Aushängeschild sein – und zwar sowohl optisch als auch vom Namen her. Der exotische Vorname erweist sich für die Newcomer aber als Problem. Denn im Plattenladen weiß keiner so genau, wie man den eigentlich ausspricht! Ein Aufkleber auf dem Cover soll Klarheit bei der Aussprache bringen. "Scha-deeeh".
Die Krone wird durch Ehre verliehen
Das mit dem Namen ist witzig. Die Britin heißt eigentlich Helen mit Vornamen. Da sie aber in Nigeria geboren wird (ihr Vater ist Nigerianer), wird sie dort meistens nur bei ihrem zweiten Vornamen genannt: Forlasade (was man wiederum For-lah-scha-deeeh ausspricht). Übersetzt bedeutet der Name: "Die Krone wird durch Ehre verliehen". Am Ende bleibt nur die zweite Namenshälfte übrig - also Sade.
Bevor sie und ihre drei Musiker-Kollegen Anfang der 80er Jahre einen Plattenvertrag ergattern, ist die Band sowas wie Stadtgespräch. Und Stadtgespräch in London zu sein – das heißt Stadtgespräch weltweit zu sein. Bei einem kleinen Club-Konzert stehen die Leute Schlange. Sage und schreibe eintausend (!) Personen müssen an der Tür abgewiesen werden – so groß ist die Nachfrage. Und das ist Publicity, die auch bei Plattenfirmen ankommt. Aber die Musiker sind schlau genug, einen versierten Anwalt zu engagieren. Der sorgt dafür, dass die Newcomer nicht abgespeist werden. Sie bekommen für ihr Debut 14,75% der Platteneinnahmen garantiert. Für Anfänger im Business eine astronomisch hohe Summe! Der Vertrag zahlt sich aus. Und zwar für alle. "Diamond Life" wird mit sechs Millionen verkaufter Exemplare zum Welterfolg (und bis heute hat die Band über 50 Millionen Tonträger verkauft – andere Quellen sprechen sogar von 75 Millionen).
So kühl wie ein Cocktail
Aber was ist das für Musik? Jede Musik braucht ihre Schublade; ihre Kategorie. Und was da aus den Lautsprechern kommt, das ist im Jahr 1984 neu. Es ist so neu, dass man getrost behaupten darf: ein Meilenstein in der Musik-Geschichte. Alles ist drin: Pop, Blues, Soul, Jazz. Die Melodien sind blitzblank arrangiert. Gespielt von Leuten, die fast schon über-perfekt an ihren Instrumenten sind. Die Kritiker sind begeistert. Sie finden auch schnell ihre "Schublade" und nennen den Musik-Stil, den Sade prägt, "Pop-Jazz". Der ein oder andere mäkelt aber auch: Das sei alles ZU perfekt. Es habe die Schönheit eines eisgekühlten Cocktails. Musik, die im Ohr bleibe und niemandem weh tue. Musik, die – so sexistisch war die Kritik damals! – perfekt zur kühlen Schönheit der Sängerin passe. Einer Frau, die mit ihren streng nach hinten gebundenen Haaren – und ihrer Weigerung, Interviews zu geben – offenbar eine gewisse Faszination ausübt. Eine sträfliche Missachtung! Sade singt nicht nur. Bei den Welterfolgen ist sie sowohl bei Text als auch bei Musik beteiligt.
Rückzug aus der Öffentlichkeit
Der kommerzielle Erfolg sorgt dafür, dass Sade es sich buchstäblich leisten kann, abzutauchen. In den folgenden drei Jahrzehnten macht sie das immer wieder. Mal sind es acht Jahre. Ein anderes Mal verschwindet sie sogar für 10 Jahre komplett von der Bildfläche. Sie zieht aufs Land, kümmert sich um ihren Gemüsegarten und ihren Nachwuchs. Es gibt weiterhin so gut wie keine Interviews. Und nur sehr selten neue Platten. Die Nachbarn erkennen den Promi kaum, denn die Multimillionärin fährt mit einem alten Auto durch die Gegend. Meistens hat sie dabei nur ein Ziel: das örtliche Gartencenter!
Wie gesagt: Ihr zweiter Vorname heißt übersetzt "Die Krone wird durch Ehre verliehen". Sade hat mit ihrem Namen, ihrer Band, ihrem Können dem Pop-Jazz alle Ehren gemacht – und nur sie trägt die Krone dieses Musik-Stils. Denn Nachahmer hat es viele gegeben – aber niemand war so erfolgreich, so stilprägend oder auch nur annähernd so gut wie sie und ihre Band-Kollegen.