Darüber haben wir mit Philipp Köster gesprochen. Er ist Chefredakteur des Fußball-Magazins "11 Freunde".
Deutschland bezwingt auch die Niederlande
SWR1: Erst 2:0 gegen Frankreich, jetzt der Sieg gegen die Niederlande. Haben Sie das Gefühl, bei der deutschen Nationalmannschaft geht endlich was?
Philipp Köster: Ja, das Gefühl hatte nicht nur ich, sondern auch die Zuschauer in Frankfurt und die Zuschauer an den Fernsehgeräten. Und es mag vielleicht den einen oder anderen überraschen, aber ich fand das Spiel gegen die Niederlande sogar noch besser als das gegen Frankreich, obwohl es ein bisschen mühsamer war und obwohl das letzte Tor erst kurz vor Schluss fiel.
SWR1: Können wir uns Hoffnung machen auf ein neues Sommermärchen bei der Fußball-EM 2024?
Köster: Ach ja, wir machen uns schon seit Jahren Hoffnung. Aber klar ist, dass Julian Nagelsmann offenbar inzwischen eine Truppe beisammen hat, die sich untereinander auch versteht.
Es gibt ja das schöne Wort von Horst Hrubesch, dass nicht immer nur die Besten spielen, sondern die beste Elf, also die, die am besten zusammenpassen. Das scheint momentan zu funktionieren. Gerade vorne sind sie sehr eingespielt, sehr schnell und dynamisch, das konnte uns richtig gut gefallen.
Es gilt das Leistungsprinzip für die Fußball-EM
SWR1: Was hat sich da jetzt sportlich so sehr verändert in der deutschen Mannschaft im Vergleich zu den letzten Monaten und Jahren?
Köster: Da sagen wir zuerst mal zwei Worte, die heißen nämlich: Toni Kroos. Der Mittelfeldspieler von Real Madrid ist zurückgeholt worden, nachdem man für Jahre dachte, man könnte auf ihn verzichten. Er hat der Mannschaft offenbar Stabilität gegeben.
Drumherum hat Julian Nagelsmann eine ganze Truppe von ganz, ganz jungen Spielern gescharrt. Zum Beispiel Florian Wirtz oder Jamal Musiala, der gestern leider nicht die richtigen Schuhe hatte und immer wieder ausrutschte, aber trotzdem sehr spielfreudig war. Diese Balance zwischen Alter und Erfahrung auf der einen Seite und jungen Sturm und Drang und Spielfreunde auf der anderen funktioniert ganz gut.
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Der Profi vom VfB Stuttgart legt in seinem zweiten Länderspiel einen bemerkenswerten Auftritt hin. Bundestrainer Julian Nagelsmann ist begeistert.
"Völlig losgelöst" Richtung Sommermärchen
SWR1: Gestern lief dann auch die neue deutsche Tor-Hymne: "Major Tom" von Peter Schilling. Knapp 70.000 Fans hatten in einer Online-Petition dafür gestimmt. Der DFB sagt ja, die UEFA aber nein — bei der EM wird es also eine andere Tormusik geben. Eigentlich schade, oder?
Köster: Warten wir doch mal ab, ob nicht eine weitere Petition noch Glück hat und die UEFA sich umentscheidet und die individuellen Tor-Hymnen zulässt.
Klar ist, dass sich in Frankfurt die Zuschauer auch noch ein bisschen daran gewöhnen mussten. Da wurde noch nicht so richtig mitgesungen. Aber prinzipiell war es doch schön, dass der DFB zumindest mal auf die Anhänger gehört hat. Das war in den vergangenen Jahren auch nicht immer so.
Bleibt Julian Nagelsmann Fußball-Bundestrainer?
SWR1: Kommen wir noch kurz zu Julian Nagelsmann. Wird er auch nach der EM Bundestrainer bleiben?
Köster: Das ist die große Gretchenfrage. Ich konnte es mir bisher nicht so richtig gut vorstellen, weil Julian Nagelsmann noch nicht so alt ist. Nationaltrainer ist eigentlich ein Job für ältere, gesetzte Herren. Er hat sichtlich im Vereinsfußball auch noch eine ganze Menge vor.
Aber die Perspektive, 2026 einen Europameister möglicherweise auch noch mal zur Weltmeisterschaft in den USA und Mexiko zu bringen, das könnte ihn natürlich reizen. Aber eigentlich halte ich es nicht für so wahnsinnig wahrscheinlich.
SWR1: Der Vertrag läuft nur noch bis nach der EM. Den neuen möchte er vielleicht gerne vorher schon festzurren.
Köster: Ja, er hat das in einem Interview angedeutet. Alle haben sich schon gewundert, warum jetzt die große Vertragsdiskussion aufgemacht wird. Also ich nehme mal an, wenn der DFB ihm sehr viel Geld bieten wird, wenn das außerdem eine erfolgreiche Europameisterschaft 2024 wird, dann könnte es sein, dass Julian Nagelsmann sich überlegt, jetzt mache ich mal zwei Jahre noch den Bundestrainer und dann kann es gerne Jürgen Klopp übernehmen.
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.