Als Schiedsmann versucht Klaus Merten die Streitereien außergerichtlich zu klären.
SWR1: Was sind typische Streitthemen?
Klaus Mertens: Typisch sind Streitereien um den Garten, wenn der akkurate Gartenliebhaber mit dem Natur-Gartenliebhaber Zaun an Zaun wohnt. Dann kann es kritisch werden.
SWR1: Ist das tatsächlich eine Sache, die beim Schiedsmann oder auch vor Gericht landen kann, wenn einer seinen Rasen nicht vernünftig mäht?
Klaus Merten: Beim Schiedsmann ja, beim Gericht gibt es die sogenannte Obligatorik. Bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, Beleidigungen oder einfacher Körperverletzung muss erst ein Schiedsverfahren nachgewiesen werden, bevor man zum Gericht gehen kann. Das ist auch ein Versuch, die Gerichte zu entlasten.
SWR1: Bleiben wir beim Gartenthema. Wie gehen Sie denn vor?
Klaus Merten: Ich schockiere erstmal alle Beteiligten, indem ich sage, bei mir geht es nicht um richtig oder falsch, um Recht oder Unrecht. Sondern es geht darum zu schauen ob es eine Lösung gibt, die die Bedürfnisse beider Seiten befriedigt.
Lösungen im Streit finden
SWR1: Bleiben wir beim Thema Rasen. Wie sähe eine Lösung da aus? Dass der schlampige Rasenmäher wenigstens die Hälfte des Gartens ordentlich hält?
Klaus Merten: Auch da kommt wieder der Mediator in mir durch: Ich mache keine Lösungsvorschläge. Meine Aufgabe ist es, die Nachbarn wieder ins Gespräch miteinander zu bringen. Und das ist immer der beste Lösungsweg, den anderen in seiner Welt sehen. Und dann finden die beiden ihre Lösung.
SWR1: Wie oft haben sie Erfolg mit solchen Fällen?
Klaus Merten: Der Durchschnitt in Deutschland liegt bei 60 Prozent. Ich habe jetzt auch teilweise schwierige Innenstadt-Fälle, ich vermute bei mir um die 50 Prozent.
Nachbarschaftsstreit wird weniger
SWR1: Würden Sie sagen, dass insgesamt die Streitlustigkeit unter Nachbarn zugenommen hat?
Klaus Merten: Das ist ganz verblüffend. In den letzten drei Jahren sind die Fälle bei mir und meinen Kollegen in Mainz massiv zurückgegangen. Ich schiebe das manchmal ein bisschen auf Corona, die Klimakrise und den Ukraine-Krieg.
SWR1: Gibt es eine bestimmte Art von Menschen, die besonders streitlustig bei Nachbarschaftskonflikten sind?
Klaus Merten: Es gibt da so zwei Typen: Der eine ist der Wissende und wer noch etwas stärker ist, ist der Besserwissende. Wenn jemand meint, er weiß, wie es zu sein hat, dann werden wir alle ganz kritisch. Gegenüber demjenigen, der weiß, wie der Nachbar seinen Garten zu machen oder die Mülltone auf den Bürgersteig zu stellen hat. Damit wird die Selbstbestimmung angegriffen und das führt häufig zu Konflikten.
SWR1: Sind Sie da bestimmte Berufsgruppen als besonders streitlustig?
Klaus Merten: Ich bin selbst Rentner, deswegen darf ich das sagen. Ich glaube, der Eintritt ins Rentenalter ist manchmal problematisch, weil man sehr viel Zeit hat. Und dann fallen plötzlich Dinge auf, die bisher gar nicht aufgefallen sind. Und da ist plötzlich so ein Baum gewachsen, der ist zwar jetzt 17 Jahre alt, aber der ist vorher gar nicht aufgefallen, denn ich hatte keine Zeit dafür.
Das Interview führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.