Virologe Jonas Schmidt-Chanasit

"In besonders kritischen Bereichen, muss man nach wie vor sehr vorsichtig sein"

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Die Coronazahlen steigen, aber die Schutzmaßnahmen verschwinden. Viele Krankenhäuser haben wieder Probleme. Neben den steigenden Zahlen der Coronapatienten, steigen auch die Personalausfälle, weil das Krankenhauspersonal selbst infiziert ist. Wir haben mit dem Virologen Jonas Schmidt-Chanasit von der Universität Hamburg über die aktuelle Situation gesprochen.

SWR1: Steigende Fallzahlen und der Wegfall von Schutzmaßnahmen, das verstehen nicht alle. Und die Situation an den Krankenhäusern scheint ihnen Recht zu geben. Was denken Sie?

Jonas Schmidt-Chanasit: Das ist richtig, aber das ist letztendlich eine politisch normative Frage. Das heißt: Sollen die Quarantäne Regelungen so bleiben, wie sie sind? Dann kommt es natürlich bei so einem hohen Infektionsdruck zu Problemen. Genau das, was wir jetzt eben auch in kritischen Infrastrukturen sehen. Einfach aufgrund der Tatsache, dass sich die Menschen in Quarantäne begeben müssen. Manche Länder haben darauf schon reagiert: Italien zum Beispiel hat diese Regelung abgeschafft, heißt es findet keine Quarantäne mehr statt. Und hier ist die Frage, ob man sich letztendlich ähnlich in Deutschland bewegt. Das heißt: Der der krank ist, bleibt, so wie früher, einfach zu Hause und alles andere geht weiter. Man muss hier sicherlich, um das einschränkend zu sagen, nochmal zwischen den Bereichen unterscheiden: In besonders kritischen Bereichen, muss man nach wie vor sehr vorsichtig sein und vor allen Dingen weiterhin testen und mit guten Masken arbeiten. Besonders in den Pflege-, Altenheimen und in den Krankenhäusern.

SWR1: In Dänemark sind nach dem Wegfall aller Beschränkungen die Todeszahlen, stark angestiegen. Daraus müssten unsere Politiker doch lernen und im Grunde alles machen, denn jeder Tote ist ja einer zu viel.

Schmidt-Chanasit: Die Dänen haben sich diese Zahlen ganz genau angeschaut und können eben sagen, dass ein Großteil dieser Todesfälle nicht durch Corona hervorgerufen wurde, sondern dass die meisten Patienten, zufällig mit einer Corona Virusinfektion diagnostiziert wurden. Das muss man deutlich unterscheiden und man kann hier nur darauf pochen, dass wir diese bessere Datengrundlage dafür schaffen: Dass wir ganz genau sagen können, sind jetzt diese 200 Todesfälle Menschen, die wegen Corona verstorben sind, oder sind das letztendlich Zufallsbefunde, wo Corona auch mit nachgewiesen wurde.

SWR1: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagt, er könne diese Zahlen unterscheiden, und das macht er mit dem Zitat: "Die Stimmung ist besser als die Situation. Und diese angeblich leichten Verläufe kosten täglich zwischen 200 und 300 Menschen das Leben und das wollen wir nicht."

Schmidt-Chanasit: Und das ist eine Frage, die wir als Gesellschaft entscheiden müssen: Sind das zu viele? Oder können wir das letztendlich als Gesellschaft in Kauf nehmen, denn es wird nie möglich sein, jeden Todesfall, der durch Corona Auftritt zu verhindern. Das machen wir auch bei keiner anderen Infektionskrankheit. Aber wie hoch das ist, das kann ihnen natürlich und darf ihnen auch kein Virologe sagen, sondern das müssen wir als Gesellschaft diskutieren und das findet ja auch gerade statt.

SWR1: Aber nur, weil wir jetzt in diese Übergangsfrist kommen, danach ist es ja dann wieder fast Normalität, wenn alles wegfällt.

Schmidt-Chanasit: Ich gebe Ihnen recht, es wird ab April zu weiteren Lockerungen kommen. Und da gibt es zu mindestens auf Grundlage der Impfungen auch gerade bei den über 60-Jährigen oder eben auch aufgrund der Widerstandsfähigkeit des Gesundheitssystems eigentlich keine Argumente dafür, es ganz anders zu machen als eben Österreich, die Schweiz, Italien, oder Spanien.

Das Gespräch führte Michael Lueg.

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SWR