Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz

"Es braucht Veränderungen in grundlegender Form"

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Der katholischen Kirche laufen die Mitglieder in Scharen davon. Es muss sich was tun, sagt der Limburger Bischof Georg Bätzing. Er leitet die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, die am 27. Februar in Dresden gestartet ist. Im SWR1 Interview spricht Bätzing auch über Friedensinitiativen zum Krieg in der Ukraine.

SWR1: Der Reformprozess, der sogenannte "Synodale Weg" - vereinfacht gesagt, hat der Vatikan es Ihnen doch verboten, die Idee weiterzuverfolgen und ein neues Gremium zu gründen. Können Sie es damit gleich lassen?

Bischof Georg Bätzing: Nein, wir müssen mit Rom weiter Verständigung suchen. Ich hatte leider beim Besuch im vergangenen Herbst nicht den Eindruck, dass dort genügend Menschen in den Spitzenpositionen die Einsicht teilen, dass der sexuelle Missbrauch in der katholischen Kirche auch seine systemischen Ursachen hat. Aber wer hier nicht Veränderung sucht, der begünstigt Machtmissbrauch in der Kirche. Und das muss ich leider unseren Gesprächspartnern in Rom auch vorhalten.

SWR1: Aber das müssen sie doch auch ihren Gesprächspartnern im eigenen Land dann sagen. Denn da sind sich ja auch nicht alle einig, vor allem die deutschen Bischöfe. Wie viele wollen denn keine Reformen neben dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki?

Bätzing: Ich würde sagen, der allergrößte Teil der Bischöfe will diese Reformen. Wir diskutieren diese Frage in der Tat seit Jahren in der Bischofskonferenz und finden da nicht eine einvernehmliche Stellung dazu.

Wer dann aufgibt, da kann ich nur mit Bedauern darauf reagieren.

SWR1: Aber vermutlich auch jetzt wieder nicht, oder? Denn Woelki scheint sogar Unterstützung zu haben. Vor ein paar Tagen sind vier Frauen aus dem "Synodalen Weg" ausgestiegen, dazu noch ein männliches Mitglied. Das sind Menschen, die sagen, die katholische Kirche in Deutschland bewegt sich zu weit weg von klassischen Haltungen aus Rom.

Bätzing: Ja, wir haben 230 Synodaler. Davon haben jetzt fünf ein Signal gesetzt, dass sie nicht weiter mitarbeiten können aus Gründen, die Sie genannt haben. Ich bedauere das, denn wir haben versucht, wirklich die Synodalversammlung ganz breit aufzustellen, dass alle Meinungen vorkommen. Aber natürlich weiß jede und jeder, dass die eigene Meinung auch zu Kompromissen bereit sein muss und, dass sich die nicht einfach durchsetzen kann. Wer dann aufgibt - da kann ich nur mit Bedauern darauf reagieren. Aber das ist das Spiel eines konstruktiven Dialogs und einer konstruktiven Debatte.

SWR1: Haben Sie Angst, dass die katholische Kirche in der Bedeutungslosigkeit versinkt? Die Zahl der Kirchenaustritte wird ja jedes Jahr aufs Neue getoppt.

Bätzing: Ja, das ist ein großes Problem. Wir müssen Zeichen der Veränderung setzen. Das spüre ich ja immer wieder in Reaktionen von Gläubigen, dass sie sagen, wir möchten gerne glauben. Aber es braucht Veränderung in grundlegender Form in dieser Kirche. Und genau das streben wir an, das Evangelium mit seinem bleibenden Anspruch, auch wirklich für Menschen heute zugänglich zu machen.

SWR1: Ende dieser Woche wird eine neue Studie zu Missbrauchsfällen im Bistum Mainz veröffentlicht. Wäre es nicht sinnvoll gewesen, das vor der Vollversammlung in Dresden zu machen?

Bätzing: Ja, es gehört zu den Veröffentlichungen der Aufarbeitungskommission, dass sie unabhängig sind. Das heißt, diejenigen, die beauftragt sind, legen auch die Termine fest. Insofern haben wir darauf überhaupt keinen Einfluss.

SWR1: Wie kommt denn Ihrer Meinung nach die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der Kirche voran?

Bätzing: Wir tun, was wir versprochen haben. Jedes Bistum arbeitet seine Geschichte der letzten Zeit 70, 80 Jahre auf. Vor allem aber gehen wir jetzt einen sehr großen Schritt weiter, indem wir das ganze Feld von Prävention, Aufarbeitung und Intervention viel stärker aufstellen. Das wird auch Inhalt der Beratungen dieser Woche sein. Ich glaube, wir sind sehr weit gekommen in der Aufarbeitung. Wir tun das, was wir versprochen haben.

Es liegt nicht immer an den Bischöfen.

SWR1: Es gibt ja auch Kritik, dass einige Bistümer immer noch keine detaillierten Gutachten in Auftrag gegeben hätten.

Bätzing: Ja, dazu haben sich alle verpflichtet. Und da müssen wir auch dahinter bleiben. Sie werden - und da bin ich auch dankbar für den öffentlichen Druck - es tun müssen.

SWR1: Das heißt, das wird jetzt auch noch mal in den kommenden Tagen angesprochen. Sie können sagen: "Sehen Sie, da ist der Druck, jetzt tut was"...

Bätzing: So ist es. Ich spüre auch den Druck. Ich weiß, dass in einem Bistum die unabhängige Kommission für Aufarbeitung, die ja diesen Auftrag erteilen würde, sehr schwer in die Gänge kommt. Also es liegt nicht immer an den Bischöfen.

Waffenlieferungen sind aber die einzige Möglichkeit, das Selbstverteidigungsrecht eines überfallenen, souveränen Landes zu stärken.

SWR1: Sie haben große Themen zu besprechen. Dazu gehört auch Russlands Angriff auf die Ukraine. Und da haben sie sich für die Lieferung von Waffen an die Ukraine  ausgesprochen, gleichzeitig aber auch Gespräche mit Russland angemahnt. Wo sehen Sie da überhaupt eine Grundlage?

Bätzing: Wir wissen ja, Waffen schaffen ja keinen Frieden. Das ist sehr deutlich. Waffen führen dazu, dass täglich Menschen sterben. Auf der anderen Seite sind die Waffenlieferungen aber die einzige Möglichkeit, das Selbstverteidigungsrecht eines überfallenen, souveränen Landes zu stärken. Und da finde ich, ringen wir in der katholischen Kirche darum und sagen, das ist berechtigt. Aber es wird so keinen Frieden geben. Insofern werden wir uns auch in diesen Tagen mit Partnern aus der Ukraine, mit Caritas International mit Renovabis, noch einmal sehr intensiv damit beschäftigen: Wie können wir Friedensinitiativen ermöglichen?

Das Interview führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.

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