Im Rahmen der Initiative "#IchStehAuf – Für Demokratie!" reisen Schülerinnen und Schüler der Herrmann-Gmeiner-Realschule plus in Daaden im Kreis Altenkirchen nach Verdun. Dort besuchen sie die Gedenkstätte der gefallenen Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg. Im Gepäck haben sie ihre Friedensglocke, die sie dort als Zeichen für Demokratie läuten werden. Wir haben vor der Abfahrt mit Lars Limbach gesprochen, er fährt als Lehrer mit.
SWR1: Die Friedensglocken, die Sie an dem Mahnmahl läuten werden wurde extra für die Schule gegossen. Wie berührend ist es, wenn diese Glocke dann geläutet wird?
Lars Limbach: Es ist ein Klang, der weit hinaushallt. Es ist nicht nur ein Glockenschlag, sondern es ist wie der Spruch auf der Glocke selbst, für Frieden, Freiheit und Freundschaft. Die Idee hatten die Jugendlichen selbst und das ist das Tolle daran. Hier wird quasi den Jugendlichen beziehungsweise ihren Gedanken Ausdruck verliehen. Dass sie sich nicht auf die faule Haut legen, sondern: Wir sind da! Wir wollen Frieden, Freiheit und Freundschaft bewahren, gerade an diesem Ort!
SWR1: Verdun ist ein besonderer Ort und ein trauriges Symbol des Ersten Weltkrieges, an dem Hunderttausende Soldaten gefallen sind. Ist den Schülerinnen und Schülern die Dimension dessen, was da in Verdun passiert ist, bewusst?
Limbach: Ja, wir haben das im Unterricht vorbereitet. Das heißt, sie wissen, an welchen Ort sie kommen, und sie sind froh zu wissen, dass sie nicht in dieser Zeit haben leben müssen. Sie können abends zu Bett gehen, ohne Angst zu haben, dass ihnen Bomben auf den Kopf fallen oder dass sie in den Krieg müssen. Das ist ein ganz, ganz hohes Gut, was wir im Moment haben, und das wissen die Jugendlichen mittlerweile auch zu schätzen. Gerade jetzt, wo die deutsch-französische Freundschaft in Europa wieder ganz, wichtig wird.
Wir haben das auch als Thema in der Juniorwahl gehabt. Es ist ein ganz wichtiger Punkt und da wollen wir auch nicht hinten anstehen, sondern wir wollen diesem Gedanken auch Gehör verschaffen.
SWR1: Was ist die Juniorwahl?
Limbach: Die Juniorwahl zum Europaparlament wird an Schulen durchgeführt. Das bedeutet, dort können Schülerinnen und Schüler zum ersten Mal wählen. Viele sind ja auch schon 16 Jahre alt und dürfen auch selbst schon zur Europawahl gehen. Damit ist das natürlich eine ganz große Verknüpfung. Das heißt, wir sind an dem Ort, wo sich Europa feindlich gegenübergestanden hat, aber wo sich dann später Nationen die Hand gegeben haben wie Helmut Kohl und Francois Mitterand, und wo Staaten zusammengefunden haben und Generationen jetzt zusammenfinden im Austausch, dass Frieden in Europa herrschen kann.
SWR1: Wie sehr berührt und beschäftigt es die Jugendlichen dann, dass gerade doch Krieg ist, in Europa – Russland gegen die Ukraine?
Limbach: Das ist ein ganz großes Thema. Es ist sehr dicht an uns gerückt. Es ist in den Medien ständig präsent. Es ist eine Krise, die, die wir so nie kennengelernt haben — zumindest ich nicht.
Ich bin behütet aufgewachsen und jetzt wird man gewahr, wie fragil der Frieden ist. Mich hat mal ein Kind gefragt, wie breit der Pfad ist vom Frieden. Wir haben dann mal geschätzt und manche haben gesagt, dass er einen Kilometer breit ist. Irgendwann sind wir aber zu dem Schluss gekommen: Es ist eigentlich eine dünne Linie, auf die wir balancieren, und wir müssen versuchen, das Gleichgewicht zu halten.
SWR1: Demokratie, Toleranz, Vielfalt — das greift ja auch im Kleinen, im Schulalltag. Wie schaffen es die Schülerinnen und Schüler, das auch mit in den Schulalltag zu integrieren?
Limbach: Das ist was ganz Besonderes. Wenn es im Kleinen gelingt, kann es auch im Großen gelingen. Das heißt, wir pflegen an unserer Schule ein ganz enges Miteinander. Vielfalt wird gefördert. Wir sind eine Schule, die Schwerpunktschule ist, wo auch beeinträchtigte Kinder mit im Unterricht sind und das ist eine Sache, die hier ganz eng aneinander greift.
Wir sind an unserer Schule sehr familiär unterwegs, aber auch hier ist es wichtig: Wenn Streit entsteht, muss Streit auch gelöst werden. Das heißt, wir müssen uns auch wieder so annähern, dass wir uns nachher auch wieder ins Gesicht gucken können. Damit es nach dem Streit auch wieder die Möglichkeit gibt, freundschaftlich miteinander umzugehen. […]
Wir müssen uns jeden Tag überprüfen: Tun wir das Richtige? Sagen wir das Richtige? Sind wir in dem Moment genau da im Einsatz, wo auch Hilfe benötigt wird, oder gucke ich weg? Das ist, denke ich, im Moment ganz wichtig. Und das haben unsere Jugendlichen, denke ich drauf.
Wir unterschätzen unsere Jugendlichen nicht nur an unserer Schule. Man sagt immer, die Jugendlichen haben keine Lust, aber das Gegenteil ist der Fall. Deshalb ist es wichtig, jetzt dort hin zu fahren und zu sehen, was passiert, wenn es im Kleinen nicht funktioniert.
Das Gespräch führte Claudia Deeg.