Junge Menschen schauen positiv in die Zukunft
SWR1: Nach einer repräsentativen Studie von Infratest dimap im Auftrag des SWR schauen fast neun von zehn der jungen Menschen positiv in ihre persönliche Zukunft. Ist doch eigentlich alles prima, oder?
Dr. Lisa Hasenbein: Wenn man das so hört, könnte man sagen, es ist doch alles prima. Ganz so einfach ist es leider nicht. Was wir auch in Jugendstudien ganz deutlich sehen ist, dass den jungen Menschen durchaus auch bewusst ist, in welchen Zeiten sie aufwachsen.
Da bleibt es natürlich ein gutes Zeichen, dass sie positiv in ihre eigene Zukunft schauen. Das ist aber schon auch ein Appell. Da steckt auch viel drin. Eine große Erwartungshaltung, dass man ihnen das auch ermöglicht und dass das wirklich so kommen wird.
SWR1: Die meisten Sorgen machen sich junge Menschen in Rheinland-Pfalz um Kriege, um die Demokratie in Deutschland und den Klimawandel. Wie können wir, die Älteren, die jungen Menschen da unterstützen?
Hasenbein: Eine zentrale Unterstützung ist für junge Menschen in erster Linie immer, dass sie gehört werden. Das muss gar nicht bedeuten, dass die Erwachsenen […] die Sorgen nehmen. Das kann man manchmal auch gar nicht, wenn es komplexe Zusammenhänge, komplexe Probleme sind. Aber zu sagen, ihr seid damit nicht allein. Wir sehen das und wir tun alles, um das mit euch gemeinsam zu bewältigen.
Dann natürlich auch immer mitzudenken, dass die jungen Menschen da sehr, sehr unterschiedlich sind, wie stark sie davon betroffen sind, wie stark sie das mitnimmt, wie stark sie das belastet.
Junge Menschen und politische Extreme
SWR1: Eine Mehrheit der Jugend findet, dass sie von der Politik nicht gesehen wird. Wir haben jetzt bald Bundestagswahl. Sollten Politikerinnen und Politiker das ernst nehmen, damit die Jugend nicht zu den Rändern abdriftet?
Hasenbein: Das muss auf jeden Fall ernst genommen werden. Es ist ja auch nicht überraschend. Es ist immer eine Sichtbarkeitsfrage. Wenn man sich nicht gehört, nicht gesehen fühlt, dann wendet man sich denjenigen zu, bei denen man das Gefühl hat, die nehmen uns mit unseren Bedenken und unseren Sorgen wahr.
Junge Menschen: Bildung statt Mobilität im Fokus?
SWR1: Fast 30 Prozent sagen: Bildung, Schule, Ausbildung müssten als Themen angegangen werden. Nur für 16 Prozent sind Mobilität und Verkehr wichtig. Überrascht Sie das im ländlichen Rheinland-Pfalz, wo ja zum Beispiel in den Dörfern kaum Busse und Bahnen fahren?
Hasenbein: Es ist immer ein bisschen überraschend, was bei Umfragen herauskommt. Was überhaupt nicht überraschend ist […], ist das Thema Bildung. Das ist kein neues Thema, dass junge Menschen äußern, dass sie sich gewisse Dinge mehr wünschen. Dass sie thematisiert werden. Dass sie da auch besser aufs Leben vorbereitet werden. Dann ist das auch immer eine Priorisierungsfrage. Was steht vorne an, was nicht?
Wahrscheinlich gibt es gute Lösungen für viele junge Menschen, die auf dem Land leben. Was dann teilweise die unterschiedlichsten Gründe sein können, warum dieser Wunsch ein bisschen weiter hinten steht in der Prioritätenliste steht und deshalb weniger Zustimmung bekommt.
"Die jungen Menschen" gibt es nicht
SWR1: Aber ich höre heraus: Wir sollten schon auch differenziert auf die Jugendlichen gucken. Also "die Jugend" gibt es eigentlich nicht, oder?
Hasenbein: Ganz genau! Junge Menschen sind so vielfältig in dem, was sie bewegt, wie sie aufwachsen, mit welchen Bedingungen, mit welchen Werten. Da ist es eigentlich eine totale Fehleinschätzung, wenn wir von "den jungen Menschen" sprechen.
SWR1: Was hilft da? Einfach dem Einzelnen zuhören und in den Austausch gehen?
Hasenbein: Das ist auf jeden Fall eine Lösung. […] Auch einfach die Sensibilität dafür zu haben, sich selbst ein bisschen zu hinterfragen: Was habe ich für ein Bild von jungen Menschen? Bin ich da vielleicht auch voreingenommen? Wenn man sich das so ein bisschen wegnimmt, funktioniert das mit der Kommunikation und dem Zuhören natürlich auch noch mal ein Stück besser.