Viele Wettbewerbe

Immer mehr Wettbewerbe: Wie Fußballer an ihre körperlichen Grenzen stoßen

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Stefan Sander
Stefan Sander arbeitet seit Januar 2024 als Redakteur bei SWR Sport.

Der VfB Stuttgart hat als Vizemeister in der aktuellen Saison eine Englische Woche nach der anderen. So viele Spiele in so kurzer Zeit - kann das noch gesund sein?

"Es ist so hart mit diesen verrückten Terminkalendern. Es ist schwierig für den Körper. Auch mental und physisch bist du kaputt." Das sagte Real-Madrid-Spieler Jude Bellingham jüngst zu den vielen Spielen, die er absolvieren muss. Eine Veränderung ist nicht in Sicht. Champions League, Klub-Weltmeisterschaft, Weltmeisterschaft. Das sind Wettbewerbe, die 2026 auf die Top-Spieler zukommen.

Eine Entwicklung, die Hansi Müller skeptisch sieht. "2026 soll die WM mit 48 Mannschaften und über 100 Spielen stattfinden. Fünfeinhalb bis sechs Wochen geht das Turnier. Das kann nicht gut gehen für die Spieler", sagte der Fußball-Europameister von 1980 und ehemalige VfB-Stuttgart-Spieler im Gespräch mit SWR Sport.

Die Leistungssportler kommen an ihr Limit. Ballon d'Or-Gewinner Rodri von Manchester City sprach bereits von einem denkbaren Streik, wenn sich die Situation nicht verbessern sollte. Auch Superstars wie Liverpools Virgil van Dijk, Real Madrids Kylian Mbappé oder Barcelonas Robert Lewandowksi äußerten sich bereits kritisch zu den vollgepackten Spielplänen. Der FIFA und der UEFA ist das Problem bekannt, Rücksicht wird aber wenig genommen. Mit Folgen.

Immer mehr Pflichtspiele für Fußball-Profis

Vor wenigen Wochen erschien eine wissenschaftliche Studie der Spielergewerkschaft "FIFPRO". "Wir sehen, dass die Spieler in manchen Bereichen weit mehr als 70 Spiele absolvieren und wir sehen eben jetzt auch, das mit den neuen Wettbewerbsformaten die Spieler durchaus auch in einen Bereich kommen werden, der sogar 80 oder mehr Partien beinhaltet. Das ist einfach wesentlich mehr, als laut allen Experten sowohl auf der Spielerseite als auch auf der medizinischen Seite möglich ist." Das sagte Alexander Bielefeld, "Director Global Policy & Strategy" von "FIFPRO", gegenüber SWR Sport.

Es geht bei der hohen Anzahl an Fußballspielen auch um finanzielle Aspekte. Karl-Heinz Rummenigge, ehemaliger Vorstandvorsitzender des FC Bayern München, äußerte sich jüngst im "kicker" zu dem Thema. Rummenigge meinte, dass die Spieler und ihre Berater sich selbst ein Stück in die Situation hineinmanövriert hätten, indem sie immer höhere Gehälter fordern würden. Das zwinge die Klubs dazu immer höhere Einnahmen durch mehr Wettbewerbe zu generieren.

Verletzungsgefahr der Fußballer wird größer

Laut Alexander Bielefeld geht es den Spielern allerdings vorrangig darum, bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Ein Profi wolle so schnell wie möglich wieder sein höchstes Leistungslevel erreichen und bräuchte dafür nach einer absolvierten Partie über 90 Minuten mehrere Tage Spielpause.

"Wir erkennen, dass das Verletzungsrisiko deutlich ansteigt, je höher die Belastung ist und umso weniger Tage die Spieler zu Erholung haben. Besonders, was muskuläre Verletzungen betrifft. Da sehen wir tatsächlich, dass es einen deutlich erkennbaren Anstieg gibt", so Bielefeld.

In diesem Zusammenhang nannte Hansi Müller als Beispiel den VfB Stuttgart. "Der VfB hatte in 22 Tagen sieben Spiele. Ich denke, dass UEFA und FIFA schon darauf achten sollten, dass die Spieler genug Regeneration haben."

Was sind Lösungsansätze?

Bereits seit mehreren Jahren sind die vollen Terminkalender der Spitzenvereine ein Thema. Der frühere Manchester-City-Spieler und jetzige Bayern-München-Trainer Vincent Kompany saß im Spielerrat der "FIFPRO". Er forderte damals eine "Blackout Period", eine längere Ruhephase für Profis, um sich zu erholen.

Auch die Austragungsorte der Wettbewerbe müssten laut Bielefeld überdacht werden. "Wenn man sich momentan die hohe Taktung der Spiele anschaut, müssen wir grundsätzlich dahin kommen, dass die Spieler weniger reisen müssen. Insbesondere nicht über Zeitzonen mit unterschiedlichen Klimaverhältnissen hinweg."

Auch über eine Grenze, wie viele Partien ein Leistungssportler in einer Saison absolvieren dürfe, müsse gesprochen werden. "Man wird darüber reden müssen, wie viele Spiele ein Fußballer spielen kann. Das heißt nicht unbedingt, dass Wettbewerbe gekürzt werden müssen. Es werden momentan einfach nicht alle Spieler, die zur Verfügung stehen, herangezogen. Die Situation könnte auch anderen Akteuren die Chance geben, mehr Einsätze zu bekommen.

Sinkt die Qualität der Fußballspiele?

Durch noch mehr Rotation, würde allerdings eventuell auch die Qualität der Fußballspiele sinken. Die Fans wollen die besten Spieler der Welt live im Stadion sehen. Wenn diese nicht auflaufen, sind die Anhänger vielleicht nicht bereit, die hohen Ticketsummen für die Spiele zu bezahlen. Eine konstruktive Lösung des Problems ist aktuell nicht in Sicht, es dürfte auch in Zukunft viele Diskussionen geben.