Sportverband Makkabi Deutschland.

Sport | Hintergrund

Die Angst jüdischer Sportler vor dem Hass der Antisemiten

Stand
Autor/in
Elena Weidt
Onlinefassung
Michael Richmann

Der Hamas-Angriff auf Israel hat auch Folgen für die jüdischen Sport- und Turnvereine "Makkabi". Viele Vereinsmitglieder sind verunsichert und kommen nicht mehr zum Sport, andere haben den Spielbetrieb ganz eingestellt.

Freddy Ries liebt sein Rennrad. So oft es geht, trainiert der 66-Jährige damit in den Weinbergen in Baden-Baden, wo er seit 30 Jahren lebt. Vor fünf Jahren war er Mitgründer des Sportvereins Makkabi Baden-Baden: "Sie können bei uns Schach spielen. Sie können bei uns Tischtennis spielen. Sie können bei uns Laufen, Gymnastik machen, Rad fahren", erzählt er im Interview mit dem SWR. Für Ries gehört der Glaube zum Sport dazu: "Wir haben bestimmte Vorschriften und Regeln - zum Beispiel unser Schabbat ist am Samstag. Die meisten Sportveranstaltungen finden aber leider am Samstag statt, das heißt, ich oder viele andere könnten dort nicht teilnehmen." Das sei bei Makkabi anders. Ries betont aber, dass sie offen sind, in seiner Radgruppe trainieren auch nicht-jüdische Sportler.

Makkabi in Deutschland mit langer Tradition

Der Name "Makkabi" leitet sich von Judas Makkabäus ab. Makkabäus war ein jüdischer Priester im 2. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung und galt als Anführer des Makkabäeraufstands, bei dem sich die nach ihm benannten Makkabäer gegen die herrschenden Seleukiden und ihre makedonischen Unterstützer erhoben. Weil dieser Aufstand im Nachhinein als jüdischer Freiheitskampf gegen makedonische Fremdherrschaft interpretiert wurde, ist der Name Makkabi für Menschen in Israel oder in jüdischen Gemeinschaften außerhalb zu einem gewissen Teil identitätsstiftend.

Auf diese Tradition beziehen sich auch viele jüdisch geprägte Sportvereine von Tel Aviv über Haifa bis Berlin, Frankfurt oder eben Baden Baden. Es gibt die "Maccabi World Union" und "Makkabi Deutschland" - ähnlich dem katholischen Sportverband DJK. Den deutschen Dachverband gibt es bereits seit 1903, derzeit haben sich darin etwa 5.000 Sportlerinnen und Sportler in 37 Vereinen organisiert.

Sportlerinnen und Sportler bleiben aus Angst zuhause

Seitdem das israelische Militär eine Bodenoffensive gegen die Hamas im Gaza-Streifen vorbereitet und damit auch die Wut vieler in Deutschland lebender Antisemiten auf sich zieht, kommen auch einige Mitglieder von Makkabi Baden-Baden nicht mehr zum Sport. "Aus unterschiedlichen Gründen", sagt Ries, "weil sie emotional gar nicht dazu in der Lage sind, weil sie persönlich betroffen sind - durch Familienangehörige, durch Freunde - oder weil sie Angst haben, dass irgendwelche Provokation oder Angriffe stattfinden könnten".

Bis zu den Terror-Anschlägen der Hamas haben etwa 50 aktive Sportler und Sportlerinnen bei Makkabi Baden-Baden trainiert - vorwiegend im Saal der jüdischen Gemeinde. Denn eine eigene Spielstätte haben sie nicht. Doch derzeit findet ohnehin kaum etwas statt, sagt Freddy Ries: "Die Eltern haben große Sorgen um ihre Kinder. Und die Sicherheit ist vor der Synagoge und vor dem Gemeindehaus noch einmal hochgefahren worden von der Polizei." Dass diese Angst nicht unbegründet ist, hat der Brandanschlag auf eine Synagoge in Berlin gezeigt.

Im Makkabi-Trikot nicht mehr in die Öffentlichkeit

Auch Freddy Ries hat für sich eine Entscheidung getroffen und trägt sein Makkabi-Trikot mit dem Davidstern nicht mehr in der Öffentlichkeit. "Ich möchte niemanden provozieren. Ich will das nicht. Ich fühle mich momentan nicht wohl." Ries hat auch seinen jüdischen Sportlerkollegen- und -kolleginnen geraten, sich quasi "unsichtbar" zu machen. "Ich würde auch jedem unserer Aktiven hier in Baden-Baden dringend empfehlen, wenn sie sich an einem Wettkampf beteiligen, sich in die Starterliste nicht als Makkabi Baden-Baden einzutragen, sondern es einfach beim Namen zu lassen."

Vom Bundesverband Makkabi gibt es keine offizielle Anweisung, wie die Vereine sich zu verhalten haben: "Wir geben nur Möglichkeiten, wie sie vielleicht einer möglichen Provokation entgegentreten können", bestätigt Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland. "Es gibt welche, die ein Makkabi-Trainingsanzug mit dem stilisierten Davidstern auf der Brust als Provokation ansehen. Und der kann man entgehen, indem man das nicht anzieht."

Makkabi Deutschland im Austausch mit den Ortsvereinen

Es habe schon Vorfälle gegeben, die Meyer aber nicht im Einzelnen besprechen möchte. Nach seinen Kenntnissen haben bundesweit mehrere Makkabi-Vereine ihren Betrieb aus Vorsicht komplett eingestellt. Das frustriert Alon Meyer: "Das kann doch nicht wahr sein, dass Menschen heute Mut haben müssen, um in einem jüdischen Sportverein Sport treiben zu können." Wie es weitergeht, werde regelmäßig in den Vereinen besprochen und für die einzelnen Orte neu bewertet, sagt Meyer. Die Situation wird sich seiner Meinung nach jedoch nicht in der nahen Zukunft ändern: "Es wäre realitätsfern, wenn wir denken würden, dass sich übermorgen oder in fünf Tagen alles zum Positiven dreht. Wir werden die Maßnahmen, die wir eingeleitet haben, konsequent fortführen und hoffen, dass nichts passiert."

Freddy Ries in Baden-Baden will trotzdem weiter trainieren, auch ohne sein geliebtes Makkabi-Trikot. Denn er hat ein großes Ziel: Die Teilnahme an der größten jüdischen Sportveranstaltung, der Makkabiade 2025 in Israel.

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