Tischtennis | EM

Europameister Dang Qiu: Schwäbische Heimat, asiatischer Spielstil

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Autor/in
Antonio Jung

Tischtennisprofi Dang Qiu aus Nürtingen hat sich in München zum Einzel-Europameister gekrönt. Über den steilen Aufstieg des Deutschen mit besonderer Schlägerhaltung.

Dang Qiu reißt die Arme in die Höhe, grinst und schaut dennoch ungläubig. 4:1 im Finale gegen den Slowenen Darko Jorgic. Qiu fällt auf die Knie. Er ist Europameister. Qius Sprung zu den besten Spielern im Profisport ist rasant: Einen solch schnellen Aufstieg wie Dang Qiu hat schon lange kein deutscher Tischtennisspieler mehr erlebt. Dabei ist der Spielstil des 25-Jährigen alles andere als gewöhnlich.

Seine Geschichte beginnt im Schwabenland: In Nürtingen geboren, durchläuft er die Nachwuchsförderung des Deutschen Tischtennis-Bunds (DTTB). Baden-württembergischer Landesmeister, deutscher Schülermeister, EM-Zweiter der U21: Stetig geht es für Qiu bergauf. Nach dem Abitur 2015 konzentriert er sich ganz aufs Tischtennis.

Dang Qiu ist verrückt nach Tischtennis

"Dang lebt Tischtennis von morgens bis abends", charakterisiert ihn Timo Boll. "Er guckt jedes Spiel, auch wenn er ein Turnier mal nicht spielt oder selbst trainiert. Er ist ein harter Arbeiter, hat im Laufe der Jahre ein gutes Gefühl dafür entwickelt, was er zu spielen hat. Er ist ein Tischtennis-Verrückter, ein Tischtennis-Wahnsinniger im positiven Sinne."

Boll, Deutschlands erfolgreichster Tischtennisspieler, bekommt das selbst zu spüren: Im EM-Viertelfinale verliert er gegen Qiu chancenlos mit 0:4. Von einem “wahnsinnigen” Gefühl spricht Qiu danach. Im Juni erobert Qiu erstmals die Top Ten der Weltrangliste und schiebt sich an Boll vorbei. Neben Timo Boll (41), Dimitrij Ovtcharov (33) und Patrick Franziska (30) ist Qiu mit 25 Jahren der jüngste der vier besten deutschen Spieler.

"Er lebt Tischtennis, vielleicht ab und zu sogar zu viel."

Weitet man den Blick, beginnt Qius Geschichte mit der seiner Eltern. Qiu ist der jüngste Sohn einer Tischtennisfamilie. Mutter Chen Hong und Vater Qin Jianxin spielten beide für die chinesische Nationalmannschaft und in der Bundesliga. Bruder Liang ist aktuell in der 3. Bundesliga für Neckarsulm aktiv. Mutter und Vater haben Qiu das Tischtennisspielen sozusagen in die Wiege gelegt.

Tischtennis liegt Qiu im Blut

Qius Eltern kommen Ende der Achtziger nach Deutschland. Nach der aktiven Karriere arbeitet Vater Qin Jianxin als Trainer weiter. 2006 und 2007 führt er Frickenhausen zu zwei Meistertiteln. Qiu ist damals zehn Jahre alt. "Als Kind wird man von den Eltern stark beeinflusst. Wenn man dann so viel davon sieht und mit zu den Spielen fährt, dann findet man es irgendwann auch selbst cool", erinnert er sich.

Inzwischen kann sich Qiu Deutscher Einzelmeister, Mannschaftsmeister mit Borussia Düsseldorf, Mannschafts-Europameister sowie Mixed-Europameister nennen. "Die Erfolge der vergangenen Monate waren herausragend", sagte Dang Qiu der "Süddeutschen Zeitung" vor der EM. "Ich habe viele Jahre hart trainiert, meine Philosophie ist die Kontinuität, und wenn es zwischendurch auch mal nicht so gut läuft, muss man trotzdem immer weitermachen und daran glauben."

Der eigene Trainer muss ihn bremsen

Seit einem Jahr spielt Qiu für den Rekordmeister Borussia Düsseldorf, trainiert als Nationalspieler seit fünf Jahren am dortigen Deutschen Tischtennis-Zentrum - manchmal sogar so intensiv, dass sein Vereinstrainer Danny Heister ihn bremsen muss: "Er lebt Tischtennis, vielleicht ab und zu sogar zu viel. Manchmal muss ich ihm sagen: 'Denk zwei Stunden mal nicht daran und lass los.'" Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf beschreibt Qiu als akribisch und gut strukturiert. Privat sei er ein Familienmensch, der intelligent, freundlich und zuvorkommend ist. "Als Sportler kennt er seine Ziele und weiß, welcher Weg zu ihnen führt."

Tischtennisprofi Dang Qiu spielt den Penholder-Stil
Tischtennisprofi Dang Qiu spielt den Penholder-Stil

Wer Dang Qiu beim Tischtennis genauer beobachtet, bemerkt: Qiu ist ein Penholderspieler, hält also den Griff des Schlägers wie einen Stift. Diese Art der Schlägerhaltung ist im asiatischen Raum verbreitet, schon Qius Eltern waren beide Penholderspieler.

Qiu hat die "Alten" abgehängt

Weltweit üblich ist dagegen der Shakehand-Griff, bei dem man den Schläger hält, als gäbe man jemandem die Hand. Zunächst spielt auch Qiu so. "Ein halbes Jahr lang habe ich so gespielt, aber ich hatte tierische Probleme mit der Rückhand", erzählte er der "Süddeutschen Zeitung". Eher aus Spaß rät ihm der Vater zum Penholder. Bei Ex-Weltmeister Wang Hao aus China schaut sich Qiu das beidseitige Penholder-Spiel ab.

Seine unkonventionelle Schlägerhaltung führt Qiu nun bis zu seiner ersten Einzel-Europameisterschaft. Der jüngste Spieler der vier besten Deutschen macht es den Älteren vor und spielt sich zum Titel. Es ist sein bis dato größter Einzelerfolg in seiner Karriere - und wahrscheinlich nicht das letzte Mal, dass Qiu vor Freude auf die Knie fällt.

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