Reiten | German Masters

Europameister Steve Guerdat: Springreiter mit Prinzipien

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Vanessa Sieck
Vanessa Sieck

Der Schweizer Steve Guerdat sattelt bei den Stuttgart German Masters seine Stute Dynamix de Belheme. Mit ihr krönte sich der Springreiter dieses Jahr zum Einzel-Europameister.

Es ist der 3. September 2023: Steve Guerdat fliegt mit seiner Stute Dynamix de Belheme über den letzten Oxer der Europameisterschaft, die Spannung in der Mailänder Arena ist spürbar. Als klar ist, dass alle Stangen liegen bleiben, hält es einige Zuschauer nicht mehr auf ihren Sitzen. Das Schweizer Team springt jubelnd umher und Steve Guerdat reckt erleichtert seinen linken Finger in die Luft. Wenige Sekunden später tätschelt er seine Stute und gibt ihr ein Küsschen auf den Hals. Als einziges Paar bleiben die beiden in den fünf EM-Umläufen ohne Fehler und sichern sich so den Titel als Einzel-Europameister.

Es ist der Erfolg eines Weltklasse-Reiters, im Sattel einer Ausnahmestute. "Dynamix hat einfach eine unglaubliche Qualität und ist eine Klasse für sich", schwärmt Steve Guerdat im Interview mit SWR Sport. "Ich glaube, das ist für alle schön zum Zuschauen. Und auch für mich unglaublich zum Genießen, wenn ich sie im Parcours reite."

Dynamix steht schon seit einigen Jahren im Stall von Steve Guerdat. Andere wurden allerdings erst so richtig auf die Stute aufmerksam, als sie die ersten Erfolge auf dem hohen 5-Sterne-Niveau feierte. Genau das erlebe Guerdat heutzutage immer wieder: "Dass Leute nur hinschauen, wenn Pferde schon auf diesem Niveau gehen. Ich sage immer: Ein Kracher-Pferd wird nicht gekauft, es wird gemacht."

Guerdats Stute Dynamix de Belheme "unverkäuflich"

So sei es auch mit Dynamix gewesen, erzählt er weiter: "Wenn man solche Pferde haben will, dann muss man sie jung kaufen, wenn sie noch nicht so bekannt sind. Weil wenn man wartet, bis sie soweit sind, dann sind sie - wie in diesem Fall zum Glück - nicht mehr zu haben." Bedeutet konkret: Die Stute ist unverkäuflich, das bestätigt Guerdat auch nochmal auf Nachfrage - im Übrigen mit einem großen Grinsen im Gesicht. Und das nächste große Ziel der beiden steht schon fest: die Olympischen Spiele in Paris im kommenden Jahr.

Diese Woche starten Steve Guerdat und Dynamix aber erstmal in Stuttgart. Im vergangenen Jahr verpassten sie den Sieg im Großen Preis um nur 1,45 Sekunden. Gemeinsam mit dem Iren Denis Lynch und seinem Wallach Brooklyn Heights teilten sie sich den zweiten Platz. Der Sieg ging an Richard Vogel auf United Touch. Aber auch Steve Guerdat weiß, wie es sich anfühlt, in Stuttgart zu gewinnen. 2017 triumphierte er im Großen Preis mit Stute Hannah.

Wegen Kommerzialisierung: Guerdat kritisiert Global Champions Tour

Steve Guerdat, der sich 2012 zum Olympiasieger krönte, kommt seit Jahren immer wieder gerne zu den German Masters - auch wenn andere hoch dotierte Turniere zeitgleich stattfinden, so wie dieses Jahr in Prag. Dort macht die Global Champions Tour Station, von der Steve Guerdat kein Fan ist. "Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass man Stuttgart lässt, um nach Prag zu gehen. Stuttgart ist eins von den absoluten Highlights. Nichts könnte mich dazu bringen, auf einen Start zu verzichten", sagt Steve Guerdat.

Außerdem könne er schlecht in Prag starten, obwohl er die Global Champions Tour kritisiere. Für ihn sei diese Serie gegen den Sport - auch weil man sich Startplätze erkaufen könne, obwohl man es sportlich vielleicht noch gar nicht verdient hätte mitzureiten, fügt er hinzu. So werde alles immer elitärer und nicht mehr die eigene Leistung an sich entscheide, sondern eben auch der Geldbeutel. Für Steve Guerdat ist das unverständlich, er kritisiert die Kommerzialisierung des Sports seit Jahren.

Guerdat bricht seine Prinzipien auch für Geld nicht

Für ihn liegt der Fokus daher auf Championaten, Weltcups und auch auf Nationenpreisen. Dort sei es für ihn sportlich am fairsten, sagt er und steht öffentlich zu dieser Haltung. "Wenn ich mit dem Reiten mal aufhöre, hoffe ich, dass ich der nächsten Generation einen besseren Sport hinterlasse", erzählt er auf einer Pressekonferenz im Vorfeld der German Masters und löst damit Applaus aus.

Steve Guerdat ist einer, der zu seinem Wort und zu seiner Haltung steht. Der 41-Jährige ist ein Mann mit Prinzipien, die er auch für viel Geld nicht bricht. Einst ritt er mehrere Monate lang für den Ölmilliardär und Reitsportmäzen Oleksandr Onischtschenko aus der Ukraine. Die Trennung erfolgte dann aber schnell, weil Steve Guerdat nicht die ukrainische Staatsbürgerschaft annehmen, sondern weiterhin für die Schweiz reiten wollte.

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Pferde gehören schon seit der Kindheit zu Steve Guerdat

Für Steve Guerdat bedeutet Reiten viel Geduld und harte Arbeit. Die hat sich für ihn schon häufig ausgezahlt. Im November 2012 führte er erstmals die Weltrangliste an. Zurzeit rangiert Guerdat auf Platz fünf. Zu seiner Medaillen-Sammlung bei Championaten gehören unter anderem auch Einzel-Bronze bei der WM 2018, Mannschafts-Gold bei der EM 2009 und Mannschafts-Bronze bei den Olympischen Spielen 2008.

Der Turniersport, aber vor allem das Leben mit den Pferden ist Guerdats Leben - schon seit seiner Kindheit. Sein Vater war ebenfalls erfolgreicher Springreiter. Mittlerweile betreibt Steve Guerdat einen eigenen Hof in Elgg im Kanton Zürich. Dort lebt er zusammen mit seiner Frau Fanny Skalli, einer französischen Springreiterin, und Töchterchen Ella. Die gemeinsame Zeit zuhause ist knapp, denn Steve Guerdat ist die meisten Wochenenden auf Turnieren unterwegs - auch wenn er sich genau aussucht, auf welchen er wirklich starten möchte.

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