Spieler des VfB Stuttgart feiern den Sieg gegen Mainz.

Fußball | Bundesliga

Fünf Gründe für den erfolgreichen Bundesliga-Start des VfB Stuttgart

Stand
Autor/in
Johannes Holbein

Der VfB Stuttgart ist so gut in die Saison gestartet wie seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr. Was sind die Gründe - und an was muss die Mannschaft arbeiten?

Erstens: Guirassy ist in der Form seines Lebens

Serhou Guirassy hat in dieser Saison acht Mal aufs Tor geschossen - alle acht Schüsse waren drin. Dank ihm hat der VfB mit 14 Toren den besten Angriff der Liga. Nur zur Erinnerung: In der vergangenen Saison hatte der VfB die viertmeisten Torschüsse (443) und daraus 45 Tore erzielt. Nur vier Mannschaften haben seltener getroffen.

Guirassy führt nach vier Spieltagen nicht nur die Torjägerliste der Bundesliga an, sondern lässt auch die internationale Sturm-Elite um Erling Haaland (Manchester City, fünf Spiele, sieben Tore) und Kylian Mbappé (Paris St. Germain, vier Spiele, sieben Tore) hinter sich - zumindest was diese Statistik angeht. In Mainz hat Guirassy den VfB, der kurzzeitig die Orientierung verloren hatte, mit seinen Toren zurück auf den Weg geführt. Beim Stand von 1:1, als es so aussah, als könnten die Schwaben das Spiel aus der Hand geben, machte er mit zwei technisch anspruchsvollen Aktionen den Unterschied.

Aber: Guirassy ist nicht nur ein Torjäger, er hat seine Spielweise insgesamt weiterentwickelt. Er arbeitet mehr für sein Team, lässt sich ins Mittelfeld fallen, um Zweikämpfe zu führen, Bälle zu behaupten und Mitspieler in Szene zu setzen. Sebastian Hoeneß sagte zuletzt, dass sich Guirassy "in der Form seines Lebens" befinde.

Zweitens: Nübel gibt dem Team Sicherheit

Die Fans des VfB Stuttgart feiern Torhüter Alexander Nübel regelmäßig mit Sprechchören. Zwei Mal hat er in dieser Saison kein Gegentor bekommen und damit schon jetzt so oft, wie der VfB in der gesamten zurückliegenden Spielzeit. Nübel hat gegen Bochum, Freiburg und Mainz mit herausragenden Paraden überzeugt. Gegen Leipzig sah er zwar beim ersten Gegentreffer unglücklich aus, aber das hat ihn nicht nachhaltig verunsichert. Neben seinen Reflexen bringt Nübel eine gute Übersicht mit. Er versteht das Spiel und weiß, wann er es zu beschleunigen hat - und er besitzt die technischen Fähigkeiten, von hinten rauszuspielen. Der VfB hat mit Nübel einen Torhüter dazugewonnen, der Sicherheit ausstrahlt - ein Puzzleteil, das in der vergangenen Saison gefehlt hat.

Drittens: Hoeneß hat eine Einheit gebildet

Kurz vor Saisonstart ist Kapitän Wataru Endo zum FC Liverpool gewechselt und damit der Spieler, der den VfB in den vergangenen Jahren zusammengehalten hatte. Auch Konstantinos Mavropanos, ein weiterer wichtiger Pfeiler, und Borna Sosa, der zumindest landläufig für einen solchen gehalten wurde, haben den Verein verlassen. Die Qualität des Kaders hat darunter gelitten, aber Trainer Sebastian Hoeneß ist es gelungen, eine Einheit zu bilden. Er hat Spieler wie Enzo Millot und Chris Führich besser gemacht, anderen wie Pascal Stenzel und Dan-Axel Zagadou Vertrauen geschenkt und mit Nübel, Waldemar Anton, Atakan Karazor und Guirassy eine Achse aufgebaut, die Verantwortung übernimmt. Und er erkennt während eines Spiels schnell, womit sich sein Team schwertut - und mit welchen Anpassungen er ihm helfen kann.

Hinzu kommt, dass Hoeneß es versteht, klug zu kommunizieren. Nach Guirassys Dreierpack fand er lobende Worte für seinen Stürmer, vergaß aber die Leistung des übrigen Teams nicht. Außerdem gelingt es ihm, die aufkommende Euphorie zu nutzen, ohne aber die rationale Analyse zu vergessen.

Viertens: Der VfB kann dagegenhalten

Dem VfB aus der Vorsaison wurde oft häufig vorgehalten, er habe keine Resilienz. Resilienz ist ein aus der Psychologie entlehnter Begriff und meint die Fähigkeit, schwierige Situationen ohne nachhaltige Beeinträchtigung zu überstehen. Oder, um es mal im Fußball-Vokabular auszudrücken: dagegenhalten, wenn's schlecht läuft. Zu selten hat der VfB in der Vergangenheit gezeigt, dass er diese Fähigkeit besitzt. Und der Auftritt gegen Leipzig am zweiten Spieltag dieser Saison ließ die Vermutung zu, dass es der Mannschaft daran nach wie vor mangelt. Aber in Mainz haben die Stuttgarter bewiesen, dass sie auch eine schwierigen Phase, nämlich nach dem 1:1, überstehen und ein Spiel sogar gewinnen können.

Fünftens: Die Fans entwickeln eine Euphorie

Es ist keine neue Erkenntnis, dass die Fans des VfB Stuttgart in der Lage sind, eine außergewöhnliche Stimmung zu erzeugen. Neu ist aber, dass die Mannschaft ihnen dazu regelmäßig Gründe liefert. Das führt dazu, dass die Fans ein neues Vertrauen entwickeln in die Stärke des Teams. Sie spüren, dass die Mannschaft ihnen etwas zurückgibt, sie für die Unterstützung belohnt. Man kann den Eindruck gewinnen, dass Fans und Team (nicht Klubführung!), womöglich auch aufgrund der erfolgreichen Relegation, noch enger zusammengerückt sind. Das kann auch in schwierigen Phasen ein entscheidender Vorteil sein.

Was gilt es zu verbessern?

Die oben genannten Gründe dokumentieren nur den Moment. Die Aufgabe des VfB wird es sein, diese Eigenschaften nachhaltig unter Beweis zu stellen. Besonders spannend wird zu sehen sein, wie Team und Trainer funktionieren, wenn gute Ergebnisse ausbleiben.

Gegen Mainz hat sich außerdem gezeigt, dass die Mannschaft an ihrer Passhärte arbeiten muss. Gerade in der ersten Hälfte hat es der VfB versäumt, Mainz durch schnelles und sauberes Passspiel unter Druck zu setzen. Das hat auch Hoeneß erkannt. Ebenso ist ihm aufgefallen, dass sein Team im letzten Drittel des Spielfeldes zu wenige Läufe gemacht hat. Und: Der VfB ist rund drei Kilometer weniger gelaufen als die Mainzer und deutlich weniger gesprintet (185 zu 222 Sprints).

Intensivität - noch so ein Begriff, der im modernen Fußball gerne genutzt wird - sie gilt es beim VfB auch gegen vermeintlich schwächere Gegner, etwa am Freitag zu Hause gegen Darmstadt, hochzuhalten, sonst ist der Höhenflug schnell vorbei.

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Johannes Holbein