Ein klares Stürmerfoul von Victor Boniface an Anthony Rouault, ein klares Handspiel von Piero Hincapié, dazu ein klarer Fall für eine VAR-Entscheidung: So haben Spieler und Trainer des VfB Stuttgart die strittigen Szenen während der hitzigen Nachspielzeit beim 2:2 in Leverkusen gesehen.
VfB-Coach Sebastian Hoeneß sprach nach dem Abpfiff von "drei Situationen, die innerhalb von 15, 20 Sekunden in eine Richtung" – also zugunsten des Deutschen Meisters – gepfiffen worden seien. Deniz Undav, Torschütze zum zwischenzeitlichen 2:0, wurde sogar richtig stinkig und zeigte sich mit den Entscheidungen von Schiedsrichter Felix Zwayer gar nicht zufrieden: "Wenn ich sagen würde, was ich im Kopf habe – dann würde ich gesperrt werden."
Andrich trifft für Bayer, Zwayer hebt den Daumen
Eine Reihe von Fehlentscheidungen also, die sich Zwayer und Video-Assistent Sven Jablonksi unmittelbar vor dem Leverkusener Last-Minute-Ausgleich durch Robert Andrich (90.+6) da geleistet haben? Nein, definitiv nicht – sagt Lutz Wagner, Ex-Bundesligaschiedsrichter und heute Lehrwart beim Deutschen Fußball-Bund (DFB).
Schon beim Zweikampf zwischen Boniface und Rouault habe es sich nicht um ein klares Foul des Bayer-Angreifers gehandelt. "Natürlich setzt er die Arme ein, aber es war keinesfalls ein zwingend zu ahndendes Stoßen, Ziehen oder Halten", erklärt Wagner auf Nachfrage von SWR Sport. Zwayer habe generell "im Strafraum viel laufen lassen", sei auch in diesem Moment bei seiner Linie geblieben.
VfB Stuttgart in Leverkusen: Hincapiés Hand wird zum Thema
"Man muss einem Schiedsrichter auch mal einen gewissen Ermessensspielraum zugestehen", appelliert Wagner – und verweist auf weitere enge Zweikämpfe, die sich im Moment des Duells Boniface/Rouault im Leverkusener Strafraum abspielten und genauso gut in den Mittelpunkt der Diskussionen hätten geraten können.
Über den zweiten großen Aufreger aus VfB-Sicht – das vermeintliche Handspiel von Hincapié, von dessen Arm der Ball vor Andrichs Füße geprallt war – sagt Wagner: "Das war zum einen unabsichtlich und nicht strafbar." Nur wenn Hincapié den Treffer unmittelbar selbst erzielt hätte, hätte das Tor nicht zählen dürfen.
Bei der Bewertung dieser Unmittelbarkeit, so erklärt der Schiri-Experte, sind generell drei Kriterien von Bedeutung. Für die mögliche Annullierung eines Treffers ist relevant, ob: Ein anderer Spieler, der den Ball nicht an der Hand hatte, das Tor erzielt; es in der Spielsituation noch einmal einen weiteren Pass zu einem Mitspieler gibt; oder ob es in der Situation noch einmal ein Dribbling oder eine Finte gibt.
"Tritt eines dieser Kriterien ein, reicht das, um zu sagen: Es handelt sich nicht um eine unmittelbare und strafbare Handberührung", sagt Wagner. Schiri Zwayer habe daher am Samstagabend (27.04.2024) in Leverkusen "absolut alles richtig gemacht".
Lutz Wagner über VAR-Verhalten: Alles in Ordnung
Heißt im Umkehrschluss auch: Für den VAR gab es in diesem Moment keinen Grund, in das emotionale Geschehen während der Nachspielzeit einzugreifen und Zwayer an den Videomonitor zu schicken. "Der VAR hat ihm nicht empfohlen, rauszugehen. Alles in Ordnung", so Wagner, der zudem daran erinnert: "Prinzipiell werden alle eventuell spielentscheidenden Szenen wie Tore, Platzverweise und Strafstöße vom VAR überprüft."
Dennoch zeigt der 60-Jährige auch Verständnis für die Emotionen der Stuttgarter ob des späten Ausgleichstreffers. "Das ärgert einen und man versteht es ja", sagt Wagner: "Aber ich bin mir sicher, dass die Stuttgarter die Entscheidungen schnell etwas anders bewerten."
Fußball | Bundesliga "Dann würde ich gesperrt werden": VfB hadert in Leverkusen mit Schiri Zwayer
Der VfB Stuttgart hat Bayer Leverkusen am Rande eine Niederlage. Dann gibt es doch noch ein spätes Tor – und schließlich jede Menge Ärger über den Schiedsrichter.