Wenn Alexander Fischinger mit seinem Auto die letzten Meter zum Vereinsgelände des SC Sand fährt, hat er nur eine Hand am Lenkrad. Auf der Fahrt vorbei an der Festhalle und dem Vereinsheim der Vogelfreunde braucht er die andere Hand zum Grüßen. Schließlich kennen in Sand alle den Trainer des SC, und der Trainer selbst kennt auch alle. Da ist das Rentnerpaar, das - wenn es irgendwie geht - bei jedem Training an der Bande lehnt, die Spielerinnen unterstützt, den Platz aufräumt, wenn es nötig ist. "Das ist schön", sagt Fischinger im Gespräch mit SWR Sport.
Wenn er von den Fans erzählt, der besonderen Nähe im 2.000-Seelen-Ort und von den Momenten, wenn nach den Spielen Team, Sponsoren und Fans auf ein Kaltgetränk zusammenkommen, dann strahlen seine Augen: "Manche sagen, das ist unprofessionell – ich finde, es ist etwas Wertvolles, weil wir den Kontakt zu den Menschen haben, zu denen, die uns unterstützen."
"Bei Heimspielen wird die Hütte abgerissen"
Auch die Spielerinnen wissen um die Besonderheit – oder auch Bodenständigkeit. "Das ist ein Dorf, aber hier wird bei Heimspielen immer die Hütte abgerissen", sagt Emiliy Evels. Für die Kapitänin sind der kleine Ort und sein "Dorfclub", wie sie in Sand sagen, ihre sportliche Heimat: "Es ist einfach super familiär." Für Teamkollegin Noemi Gentile war genau das der Grund, nach Stationen in Potsdam und Basel in die Ortenau zurückzukehren. Zu dem Verein, der einfach anders ist. "Ich fänd' es einfach super, wenn der SC Sand die Großen ärgern kann", sagt Gentile.
Denn in Sand gibt es anders als in München oder Frankfurt keinen großen Männerclub im Hintergrund, keinen finanzstarken Geldgeber. Kleine Sponsoren aus der Region unterstützen den Verein – auch nach dem Abstieg in die 2. Liga 2022. Zuvor hatte Sand acht Jahre in der Bundesliga gespielt, sich als einer der wenigen Clubs mit dem Fokus auf die Fußballerinnen behauptet.
Der SC Sand will "die Großen" ärgern
"Die Schere wird ja immer größer, deshalb sage ich immer: 'Mädels, wir müssen hoch.' Wir sind eigentlich verdammt dazu, weil oben gibt es wenigstens aus anderen Kanälen ein bisschen Geld", fasst es Fischinger zusammen. Aber nicht nur aus finanziellen Gründen will er mit dem SC Sand zurück in die Bundesliga. "Ich arbeite jeden Tag darauf hin, dass wir das erreichen", sagt der Coach, der mit dem Club schon fast alles erlebt hat. Er führte Sand ins DFB-Pokal-Finale, schaffte einst den Last-Minute-Klassenerhalt und einen Sieg gegen die Bayern.
"Der SC Sand ist fast schon eine Anhäufung von Unikaten in diesem Frauenfußball-Business. Und Alex Fischinger ist da ein ganz besonderer Mensch, ein ganz besonderes Unikat und hat sich dem Ganzen komplett verschrieben", sagt Sascha Reiß, Sportlicher Leiter des Clubs. Denn Fischinger ist mehr als der Trainer des Teams. "Ich versuche, alles zu tun – die eine hat Probleme mit dem Auto, bei der anderen ist das Fahrrad platt oder sie braucht eine Waschmaschine. Da helfe ich", sagt er: "Sie geben viel zurück."
Fußballromantik in der Ortenau
Fischinger ist ein Trainer für sein Team – und für Fußballromantiker. Der Standort Sand ist es auch. Sollte es mit dem Aufstieg tatsächlich klappen, müssten die Auflagen für die Bundesliga erfüllt werden, etwa der Bau eines Flutlichts. Allein das würde den SC eine halbe Million Euro kosten. "Das ist für einen kleinen Verein, wie wir es sind, ein großer Faktor", so Reiß: "Eigentlich liegt alles in der Schublade. Auch die Finanzierung steht. Es kommt eigentlich nur auf das Sportliche an – und wenn wir es schaffen, dann rollen hier Ende Mai die Bagger an."
Aktuell trennen das Team in der 2. Liga sieben Punkte vom Tabellenführer aus Andernach – sechs Spieltage vor Schluss. Allerdings hat die SG 99 keinen Antrag für einen möglichen Bundesliga-Aufstieg gestellt, es könnte in diesem Jahr also auch Rang drei reichen. Dort steht der SV Meppen, sechs Zähler vor Sand. "Wir sind in der Rolle des Jägers, aber wir haben einen Monat der Wahrheit", weiß Fischinger. Der aber begann mit einer 0:3-Niederlage gegen Mitkonkurrent Meppen und damit alles andere als nach Maß.
Spielerinnen träumen von "einer Minute Bundesliga"
Der Traum von der Bundesliga aber lebt in Sand. "Die meisten Spielerinnen haben noch nie erste Liga gespielt. Sie träumen davon, eine Minute Bundesliga zu spielen", verrät der Coach: "Es hat mein Leben schon immer geprägt, dass man in schwierigen Situationen nicht aufgibt. Aufgeben – das Wort gibt es einfach nicht." Vielleicht schafft der SC Sand so die Rückkehr in die Bundesliga – und dann müsste Alexander Fischinger wohl zum Training laufen. Schließlich bräuchte er dann beide Hände zum Winken.