Als Regina und Ralf 2019 ein 275 Jahre altes Fachwerkhaus entdecken, verlieben sie sich sofort in das gemütliche Landhaus. Von außen ist es in tadellosem Zustand. Und auch im Inneren scheint es keinen allzu großen Sanierungsstau zu geben. Doch nach Beginn der ersten Arbeiten der Schock: Viele Balken sind verfault und zerfressen, das Dach ist schief, aufwändige und kostspielige Restaurierungsarbeiten sind erforderlich.
Die Südwestpfalz mit ihrer Ruhe und schönen Landschaft hat es Regina und Ralf angetan. Sie beschließen: Hier wollen sie gemeinsam hinziehen. Im pfälzischen Rumbach entdecken sie im Sommer 2019 ein altes Fachwerkhaus. Die Verkäuferin sagt ihnen, Dach und Außenfassade seien in den vergangenen Jahren bereits renoviert worden, es sei mit einem Brennwertkessel und einer Thermosolaranlage ausgestattet und sie könnten direkt einziehen. Regina und Ralf beauftragen einen Architekten mit der Prüfung. Dieser bestätigt, dass die Bausubstanz – soweit von außen erkennbar – in Ordnung sei. Geplant war, dass sie lediglich die Laminat- und Stragulaböden sowie die Sanitäranlagen erneuern wollten.
Komplett marode: Balken des Fachwerkhauses sind verfault
Kurz nachdem sie mit diesen Arbeiten anfangen, kommt der Schock: Je mehr Böden, Wand- und Deckenverkleidungen sie entfernen, umso größere Schäden am Fachwerk kommen zum Vorschein. Der Architekt schaltet einen Gutachter, einen Statiker und das Amt für Denkmalpflege ein und schlägt Alarm: Verfaulte und zerfressene Balken, ein schiefes Dach, das gestützt werden muss und andere Mängel machen aufwendige Restaurierungsarbeiten erforderlich. Fachleute kommen zu dem Schluss, dass der Dachstuhl mindestens zehn Jahre lang feucht gewesen sein muss, möglicherweise in Kriegszeiten – nur so können sie sich erklären, dass die Eichenbalken derart zerfressen waren.
Für die Renovierung hatten Regina und Ralf ursprünglich ca. 100.000 Euro veranschlagt. Der Gutachter aber kalkuliert 53.000 Euro zusätzliche Kosten. Auch die Verkäuferin ist entsetzt über den Zustand des Fachwerks und reduziert den Kaufpreis von ursprünglich 250.000 auf 200.000 Euro.
Landhaus benötigt mehr Sanierung als geplant
In der Folge müssen insgesamt 12 Tonnen nachträglich verbauten Materials wie Rigipswände, abgehängte Decken und Böden und die Gipsverkleidung der Balken entfernt werden, die nicht zum traditionellen Fachwerkgebäude passen. Regina und Ralf haben zudem das Problem, fachlich geeignete Handwerker aus der Region zu finden, die nicht schon über Jahre ausgebucht sind. Mit viel Glück finden sie einen Zimmermann, der bereit und in der Lage ist, die Reparaturen zu übernehmen und mit sogenannten Überzügen und neuen Balken an allen Außenwänden die Statik wiederherzustellen und zu sichern.
Regina und Ralf recherchieren intensiv zum Thema Sanierung alter Fachwerkhäuser und kommen zur Überzeugung: Sie wollen das 275 Jahre alte Haus mit den ursprünglich verwendeten Materialien nachhaltig renovieren.
Alten Lehm mühsam wiederverwendet
Sie sammeln Lehm, Holz aus der Region und nachwachsende Rohstoffe wie Hanf und Schilf. Regina kratzt Lehm vom verrotteten Küchenboden, lagert ihn, feuchtet ihn später mit Wasser an und füllt ihn wieder ein. Sie mauern die Gefache des Fachwerks mit Lehmsteinen, dämmen die Wände mit Schilfmatten und isolieren die Decken mit Hanf. Auf Anraten eines Lehmbauers installieren sie eine Wandheizung, bevor sie den Lehmputz auftragen. Insbesondere durch den Lehm entsteht ein angenehmes Raumklima. Lehm kann Wärme und Feuchtigkeit gut speichern und leicht wieder abgeben, ist frei von Schadstoffen und kann nur schwer in Brand geraten. Die Böden bekommen wieder massive Holzdielen – teilweise werden dabei Holzböden aus anderen Gebäuden wiederverwendet.
Scheune wird Gästebereich
Regina und Ralf beschließen, auch die ehemalige Scheune umzubauen. Hier ist heute ihr Gästebereich untergebracht. Vom Denkmalamt kam lediglich die Auflage, den Altbau stilistisch und architektonisch klar vom Neubau zu trennen, so dass alt und neu deutlich zu unterscheiden sind. Auch ihre Einfahrt musste die beiden abschließend neu gestalten – zu groß waren die Schäden durch die Baufahrzeuge. Insgesamt hat der Umbau der Scheune ca. 130.000 Euro gekostet.
Wandheizungen und PV-Anlagen für Fachwerkhaus
Die Renovierung des Hauses hat sie am Ende fast das Doppelte gekostet als ursprünglich geplant. Ob das Haus alle Kosten und Investitionen wirklich wert war? Nicht alles ist sicherlich mit Geld zu bewerten. Auf jeden Fall leben Regina und Ralf jetzt in ihrem Traumhaus, das sie mit alten Baustoffen und moderne Kniffen wie Wandheizungen und Photovoltaik bestens für die Zukunft gerüstet haben.
Da sich Ralf und Regina erst spät im Leben kennengelernt haben, standen sie vor der Herausforderung, zwei komplette Haushalte in verschiedenen Stilen in einem Haus zu vereinen und zu kombinieren. Beide mussten dabei Kompromisse eingehen, aber jetzt gehört dieser Stilmix zur unverwechselbaren Atmosphäre ihres gemeinsamen Hauses.
Mehr Room Tour
Öko-Pioniere: Holzhaus mit Wärmepumpe aus den 80ern
Anton ist Öko-Haus-Pionier: Er hat schon in den 80er Jahren ein nachhaltiges Holzhaus mit Wärmepumpe gebaut, das mit passiver Solarenergie beheizt wird.