Das Jahr 2022 – Ein annus horribilis für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Das Jahr 2022 war ein annus horribilis, ein in der Tat schreckliches Jahr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wohl kaum jemand hätte für möglich gehalten, was sich hinter den Kulissen des Rundfunks Berlin Brandenburg (rbb) abspielte und damit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner Gesamtheit schwersten Schaden zufügte.
Das Fehlverhalten einer einzelnen Intendantin bescherte der ARD die größte Krise seit Bestehen des Senderverbunds. Fast täglich wurde die Öffentlichkeit mit neuen Enthüllungen bedient: Luxus-Dienstwagen mit Massagesitzen, Aufwändige Renovierung der Chef:innenetage, Verköstigung von Privatgästen auf Kosten des Senders, zweifelhafte Dienstreisen, umstrittene Beraterverträge, Bonus-Zahlungen für Führungskräfte und eine satte Gehaltserhöhung für sie selbst. Erst nach einer quälend langen Rechtfertigungsphase zog die rbb-Intendantin die Konsequenzen und legte erst den ARD-Vorsitz, dann ihr Amt als Senderchefin nieder.
Und auch andere Sender blieben von Negativ-Schlagzeilen nicht verschont: Beim NDR wurde die Einflussnahme auf die politische Berichterstattung angeprangert, beim BR ging es um die großzügige Dienstwagennutzung einer Direktorin, beim MDR wurde ein alter Rechtsstreit mit dem ehemaligen Unterhaltungschef wegen Untreue plötzlich wieder zum großen Thema.
All diese Vorgänge säten zwangsläufig Zweifel am verantwortungsbewussten Umgang der ARD mit Beitragsgeldern und an der Unabhängigkeit der Berichterstattung. Enorm war der Vertrauensverlust in der Bevölkerung, schwerwiegend der Vorwurf von Selbstbedienung und Machtmissbrauch. Auch die Rolle der Aufsichtsgremien und deren Kontrollfunktion wurde immer kritischer hinterfragt, die Zusammensetzung der Rundfunkräte als nicht mehr zeitgemäß angesehen.
Durch die hausgemachte ARD-Krise wurden andere - im wahrsten Sinne des Wortes weltbewegende – Ereignisse zumindest vorübergehend in den Hintergrund gedrängt: der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die daraufhin einsetzende Fluchtbewegung.
Dies war in 2022 zwangsläufig das beherrschende Thema in den Programmen des SWR und damit immer wieder auch im Rundfunkrat und seinen Programmausschüssen.
Sonderanstrengungen des Rundfunkrats erforderten auch im Jahr 2022 wieder die Dreistufentestverfahren zu den SWR-Telemedien, ARD.de und planet-schule.de.
Dauerthema waren die geplanten Änderungen im Medienstaatsvertrag und der damit einhergehende Aufgabenzuwachs für die Gremien.
Und auch die Haushaltsberatungen und die damit verbundenen Finanzierungsfragen standen in Zeiten knapper werdender Kassen besonders im Fokus.
Breiten Beratungsbedarf erforderte der Rechtsstreit mit den Verlagen um die Presseähnlichkeit der NEWSZONE-App. Intensiv diskutiert wurde die anstehende Änderung der Datenschutzaufsicht. Neben dem obligatorischen Berichtswesen – zu den Themen Datenschutz, Jugendschutz, Barrierefreiheit, Public Affairs und zum Jugendangebot funk - setzte das Gremium auch immer wieder eigene inhaltliche Akzente. Dazu zählte allen voran die aktuelle Debatte über Status Quo und Perspektiven des deutschen Medienmarkts.
In enger Taktung und mit professioneller Routine arbeitete das Gremium seine Agenda ab und stand bereits in den Startlöchern für den ungeplanten ARD-Vorsitz, da kam der nächste Paukenschlag:
Der amtierende Rundfunkratsvorsitzende, Dr. Adolf Weiland, trat im November aus gesundheitlichen Gründen und auf ärztliches Anraten zurück – ausgerechnet in einer Phase, wo das Gremium gefordert war, wie selten. Die beiden Stellvertreterinnen führten den Rundfunkrat durch turbulente Wochen - über die Nachfolge im Vorsitz sollte erst im Januar 2023 in aller Ruhe entschieden werden.