Produkttest

Ergonomische Fahrradsättel im Labortest

Stand

Von Autor/in Patricia Metz / Markt WDR, 26.03.2025

Sie sind das Hauptbindeglied zwischen Bike und Radler: Fahrradsättel. Doch es gibt große Qualitätsunterschiede - nicht alle sind bequem und schadstofffrei…

Wenn der Sattel nicht zum Hintern passt, kann eine Radtour schnell zur Tortur werden. Mittlerweile hat fast jeder Hersteller ergonomische Modelle im Sortiment. Sie versprechen bequemes und gesundes Fahren. Doch halten sie das tatsächlich? Umfragen zufolge haben 80% der Radler regelmäßig Sitzprobleme. Woher kommt das? Und wie steht es mit Schadstoffen? Zuletzt gab es Meldungen von gesundheitsschädlichen Substanzen in Kinderfahrradsätteln.

Markt nimmt sechs Modelle im Labor und im Praxischeck genau unter die Lupe.

Diese Produkte haben wir getestet

In einer Stichprobe haben wir uns sechs gängige ergonomische Fahrradsättel aller Preisklassen angeschaut:

  • Einen günstigen Unisex-Gel-Sattel Tyafzzn Cloud Comfort Pro 2.0 von Amazon.de für knapp 15 Euro
  • den BTWIN Unisex-Bike Saddle 60° von Decathlon für knapp 30 Euro
  • den Selle Royal On open moderate (Unisex) für rund 90 Euro
  • den Terry Fisio GTC Gel Woman für knapp 90 Euro
  • den SQ-Lab 602 MD active 2.1 (Unisex) für 129,95 Euro
  • und den Ergon ST Core EVO Men 3D für 159,95 Euro.

Der Praxischeck – Welcher Fahrradsattel ist bequem?

In einem Praxischeck haben wir zwei routinierte Radfahrer die Sättel auf einer Strecke von knapp zehn Kilometern Probe fahren lassen. Los gings mit den beiden günstigen Unisex-Sätteln von Amazon und Decathlon. Nach der Probefahrt waren unsere Probanden nur mäßig begeistert. Am Amazon-Sattel fiel auf, dass der hintere Bereich relativ weich war, dafür war die Sattelnase eher zu hart. Der Decathlon-Sattel wurde insgesamt als zu hart empfunden.  

Als nächstes waren zwei Unisex-Sättel vom Marktführer Selle Royal und von SQ-Lab dran. Auch mit dem Selle Royal war unsere Probandin nicht rundum glücklich, da ihr die Kunststoffkante an der Sattelnase zu hart war.

Prostata schonender Fahrradsattel?


Der SQ-Lab-Sattel entlastet zwar den Dammbereich und wird vom Hersteller als Prostata schonendes Modell empfohlen. Doch störte unseren Fahrer der starke Druck auf die Sitzbeinhöcker. Auch das Umstellen auf die „Active-Switch-Funktion“, durch die der Sattel den seitlichen Beckenbewegungen des Radlers noch mehr folgt, änderte daran nichts.

Zuletzt dann der Damensattel von Terry und das Herrenmodell von Ergon. Bei beiden Sätteln wurden die vorderen Bereiche, die Sattelnasen, als sehr bequem empfunden. Unsere Probanden waren rundum zufrieden.

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Fahrradsattel: Zu weich oder zu hart?

Im Anschluss an unseren Praxistest wurden von den sechs Sätteln in einem Fahrradladen mittels Satteldruckfolie Druckprofile erstellt. Hier zeigte sich, dass die gemessenen Druckprofile genau den Empfindungen unserer Probanden beim Praxischeck entsprachen. Es bestätigte sich, dass der Amazonsattel insgesamt zu weich war, so dass die Probandin seitlich stark hin- und her wackelte.

Auf längeren Strecken sind weiche Sättel auch eher kontraproduktiv, da man zu sehr einsackt und sich dann unangenehme Weichteilkompressionen ergeben können. Etwas härtere Sättel, die gut unterstützen, sind hier besser geeignet. Das Druckprofil des Decathlon zeigte erhöhten Druck im Dammbereich und das des SQ-Lab erhöhten Druck auf die Sitzbeinhöcker des Probanden.

Welcher Fahrradsattel passt für mich?

Das heißt aber nicht, dass der eine Sattel generell schlechter ist, als der andere. Denn jeder Po ist anders und jeder braucht individuell andere Einstellungen, weiß Zweiradmechanikermeister Ralf Portz.

Grundvoraussetzung ist natürlich, dass man das richtige Fahrrad hat, in der richtigen Rahmengröße und -geometrie und den richtigen Fahrradtypus wählt. Wenn aber der Fahrradsattel auch nur um wenige Millmeter falsch eingestellt ist - in der falschen Höhe, Neigung oder Position - kann das dazu führen, dass man Knie- oder Hüftprobleme bekommt, dass die Hände oder Füße einschlafen. Und dann macht Radfahren keinen Spaß!

Gefährliche Schadstoffe im Fahrradsattel?

Im Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens fahndeten Chemiker nach besonders gefährlichen Stoffen. Denn zuletzt wurden in Kinderfahrradsätteln hormonaktive Weichmacher und gefährliche Flammschutzmittel nachgewiesen. Im Focus der Laboranalysen standen fortpflanzungsgefährdende Phthalate, potentiell krebserregende PAK, Chlorparaffine und Schwermetalle, allergieauslösendes Nickel und besonders langlebige Umweltgifte, die perfluorierten Verbindungen.

"Problematisch ist, dass man beim Fahrradfahren häufig nur eine dünne Radlerhose anhat. Dann können potentielle Schadstoffe aus dem Sattel durch den Schweiß in den Körper gelangen. Das kann zu Gesundheitsschäden wie z.B. Krebs, Allergien, Organschäden führen und es kann eben auch die Fortpflanzung beeinträchtigen", erklärt Chemikerin Dr. Ines Anderie die Gefahren.

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Verbotener Weichmacher und Cadmium in einem Fahrradsattel

Während fünf Fahrradsättel hinsichtlich der untersuchten Schadstoffe aktuell nicht zu beanstanden waren, fanden sich im Material des Amazon-Sattels große Mengen des nach der EU-Chemikalienverordnung REACH verbotenen, fortpflanzungsgefährdenden Phthalats DEHP.

Die Substanz wurde vor Einführung des EU-weit gültigen Grenzwerts von 0,1% zumeist als Weichmacher für Kunststoffe verwendet. Der Fahrradsattel hätte allein wegen des Phthalats nicht verkauft werden dürfen. Zusätzlich wiesen die Chemiker vom PFI auch noch Cadmium nach.

Auf unsere Nachfrage hat Amazon nicht geantwortet.

Fahrradsättel am besten beim Fachhändler kaufen

Fazit: Der günstigste Sattel von Amazon hat insgesamt im Labor und im Praxischeck am schlechtesten abgeschnitten. Die Fahrradsättel aus dem Fachhandel waren schadstoffmäßig alle in Ordnung. Es lohnt sich also, sich fachmännischen Rat zu holen, ggf. eine Probefahrt zu machen und beim Händler für einen gut passenden Sattel ein paar Euro mehr auf den Tisch zu legen.

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